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digungsfeierlichkeiten haben so langsam gehen die Nachrichten hierher. Ich bin nur gespannt auf etwaige Aeußerungen des Königs, die gewiß nicht ausbleiben werden. Der Antrag der Königsberger Stände hat Dich auch wohl sehr interessirt 1).

An seinen Bruder Wilderich.

32.

Lembed, Herbst 1840.

Ich muß Dir noch einen ganz vortrefflichen Scherz des Erzbischofs 2) mittheilen. Vor einigen Tagen äußerte er: „Es ist sonderbar, ich sehe den ganzen Himmel voller Geigen und höre doch noch gar keine Musik.“ Ueber die Huldigung in Berlin 3) hast Du durch Sophie wohl ganz vollständige Nachrichten. Unsere Landsleute sind alle ohne Ausnahme, so viel ich weiß, mit der größten Zufriedenheit über ihren Empfang zurückgekehrt. Sie sprechen noch mit großer Freude über die einzelnen Ereignisse ihres Aufenthalts, der in der Erinnerung wohl angenehmer sein. muß als in der Wirklichkeit, da das Drängen der Feste und die Menschenmasse auf denselben das Leben oft verkümmert haben muß. Auch Aennchen und Mathis, deren Empfang in Dinklage Mütterchen und ich noch beigewohnt haben, waren sehr vergnügt. Ganz vorzüglich habe ich mich über den so sehr gnädigen Empfang gefreut, der Ferdinand 4) zu Theil geworden, wodurch er doch endlich für den unverrückt treuen und anhänglichen Sinn belohnt ist, den er unserm jezigen König unter allen Wechselfällen bewahrt hat. Er erwartet jezt mit aller Ruhe die Zukunft. In Münster war er von der Regierungs-Sizung, der er beigewohnt, schon über die Maßen gelangweilt. Ich freue mich recht, ihn über einige Zeit wieder zu sprechen, wie er dann über dieses Komödienwesen einer collegialischen Berathung, wodurch die Theorie die höchste Intelligenz in der

1) Am 7. September, drei Tage vor der Huldigung in Königsberg, überreichten die ostpreußischen Provinzialstände unter dem Einfluß des Oberpräsidenten von Schön dem Könige die Bitte um eine Reichsverfassung, erhielten aber eine ablehnende Antwort. W. Menzel, Gesch. der leßten vierzig Jahre 2, 70.

2) Clemens August von Cöln.

3) 15. October.

4) Graf Galen, preußischer Geschäftsträger am Hofe zu Brüssel, wegen seiner bei Gelegenheit der Cölner Wirren bewiesenen kirchlichen Gesinnung von Friedrich Wilhelm III. seines Dienstes entlassen, von Friedrich Wilhelm IV. wieder aufgenommen und zunächst der Regierung in Münster zugetheilt, bis er 1842 mit dem Gesandtschaftsposten zu Stockholm betraut wurde.

Regierung eingefangen haben will, urtheilen wird. Ihm muß dieses Scheinwesen besonders grell erscheinen, da er so auf einmal ohne Ahnung mit gesunden Sinnen hineinkommt, während alle andern, die daran Theil nehmen, schon von ihren Referendariats-Jahren her, so sehr an Geist und natürlichem Verstande abgestumpft sind, daß sie sich daran gewöhnt haben, diesen hohlen Schein als die Quintessenz einer guten Regierung anzuschen. Meine Sache steht noch beim Alten. Ich erwarte eine guten Rath gebende Antwort von Süddeutschland1), wohin ich mich, wie ich Dir schon sagte, dieserhalb gewendet habe. Einige Stunden des Tages fülle ich jezt immer mit einer über die Maßen interessanten Lectüre aus: Les soirées de St.-Pétersbourg vom Grafen de Maistre, worin er die Leitung der Vorsehung in den Angelegenheiten dieser Welt in fortlaufenden Ge= sprächen nachweist und gelegentlich eine Menge der interessantesten Fragen immer von dem strengsten religiösen Gesichtspunkte aus behandelt 2). Diese Schrift gehört gewiß zu den Büchern, die jeder in der Welt lebende Katholik gelesen haben müßte. Wenn mir auch hie und da der Sinn entgeht, so ist das Französische doch im Allgemeinen sehr gut verständlich.

Weißt Du den Zweck der Sendung von Jarcke nach Rom? Frage doch sonst die Herzogin 3). Den Kindern und ihrem Lehrer die herzlichsten Grüße; besonders kannst Du aber Paula nicht genug Brüderliches und Freundliches von mir sagen.

An seinen Bruder Wilderich.

33.

Lembed, 6. December 1840.

Ich kann Dir nicht sagen, geliebter Bruder, wie sehr ich Euch be= dauert habe, daß Ihr so lange auf Nachrichten über den Aufenthalt der Geschwister in Berlin habet warten müssen. Auch jezt hättet Ihr gewiß manche Frage zu stellen, die Euch noch nicht beantwortet ist. Doch hoffe ich bestimmt, daß Du jezt zufriedener mit dem Verhalten unserer Herrn und den erlangten Resultaten sein wirst wie früher. Die Resultate bestehen zwar für unsere hiesigen Gegender bis jezt nur in einem so offenen Entgegenkommen und in einem so großherzigen Benehmen, wie es wohl noch nicht leicht von einem Fürsten ausgegangen ist. Einer so tüchtigen

1) Von Graf Reisach, Bischof in Eichstätt.

2) Uebersetzt von M. Lieber mit Einleitung und Noten von Windischmann. Frankfurt 1825. 3) von Köthen.

und ausgezeichneten Natur gegenüber ist aber einiges Vertrauen gewiß eine bestimmte und heilige Pflicht des Unterthanen. Alle ohne Ausnahme, die das Glück gehabt, unsern König zu sprechen, und von denen viele immer in dem Rufe gestanden, daß sie das Leiden der Kirche in hohem Grade erkannt und empfunden haben, sind ganz beruhigt und zufrieden zurückgekehrt. So auch jest wieder Herr Dieß aus Coblenz 1), der seinen Enthusiasmus Malchen mitgetheilt und sie ganz hingerissen hat. Solchen Gewährsmännern gegenüber brauchen wir uns gewiß keinen Vorwurf zu machen, wenn auch endlich unsere Hoffnungen nicht erfüllt und unsern gerechten Ansprüchen nicht sollte genügt werden. Wir sind dann nicht kindisch leichtgläubig gewesen, sondern haben getraut, nachdem wir als Ehrenmänner nicht mehr zweifeln konnten, und es ist gewiß besser oft so zu irren, als zu mißtrauisch zu sein.

Unsern Erzbischof habe ich vor einigen Tagen gesehen und zu meiner Freude gefunden, daß er sich gegen diesen Sommer, wo ich ihn in Darfeld sah, ganz auffallend herausgemacht hat. Er war sehr gesprächig und selbst munter, ging wieder viel kräftiger und aufgerichteter im Zimmer herum und machte mir überhaupt einen sehr angenehmen Eindruck. Ich glaube wohl, daß die veränderten Verhältnisse auch auf ihn so günstig eingewirkt haben.

Inzwischen hört man noch immerfort die größten Eigenmächtigkeiten der Hermesianer, die sich gegen jedes Ereigniß zu verschanzen und zu waffnen scheinen wollen. Jezt haben sie wieder den bekannten Pfarrer Beders), der über seinen Kaplan, der Hermesianer und ein Trunkenbold ist, Beschwerde geführt, in die Eifel verseßt. Wie traurig ist es,

1) Der Stadtrath Hermann Joseph Dieß war, ähnlich wie sein Landsmann Görres in München, ein Mittelpunkt ächt katholischen Lebens und Strebens am Rhein. Auch durch Gastfreundschaft wetteiferte er mit seinem Freunde an der Isar. Wegen seiner barmherzigen Gesinnung hatte er sich den Ehrennamen eines „Armenvaters“ erworben. „Dieß ist das Leben von allem," schreibt Brentano. „Wie beim Hausmeister des barmherzigen Gottes ist seine Hausthüre, man kann sagen, stets in den Händen der Armen und Bedrängten... Man hört und denkt und spricht hier im Haus von nichts als von Noth und Helfen nach jedem Sinn. . . Er ist ein rechter Engel dieses Landes“ (Ges. W. 9, 131). Treffend nannte er ihn deßhalb „unseres lieben Herrgotts Hausknecht in seiner Stadt Coblenz am Rhein“ (Görres Ges. W. 3, 187). Vgl. Margarethe Verflassen von A. H. Hannover 1870 und Cl. Brentano von P. Diel 2, 335 ff.

2) Hielt treu zu seinem rechtmäßigen geistlichen Oberhirten Clemens August und wurde als Pfarrer in Cöln, wo er sich die Liebe und das Vertrauen der Bürger in hohem Grade erworben, im Jahre 1839 verhaftet, später freigesprochen. Vgl. Hist. pol. Bl. 3, 53; Katholik Bd. 78, S. LVI.

daß unbekannte Gründe, deren Vorhandensein doch unzweifelhaft ist, Rom noch immer von ernsteren Schritten gegen die Hermesianer abhalten. Ein ernstes Wort vom Heiligen Stuhl gegen sie würde mit ungeheurem Beifall aufgenommen werden. Alles sieht einem strengen Verfahren von Rom in dieser Beziehung entgegen, und leider hört man oft ungeduldige und unpassende Worte, welche beweisen, wie ungenügende Vorstellungen man noch von den Hindernissen hat, die einem recht lebendigen Einwirken des Heiligen Stuhls auf unsere Kirche entgegen stehen. Unbegreiflich ist es mir bei dieser Einheit und Allgemeinheit des ganzen Lebens in unserer Kirche, daß nicht die benachbarten Bischöfe ununterbrochen über dieses Treiben Klage erheben. Aber leider ist uns die alte katholische Regel abhanden gekommen, daß zur Heilung des kranken Theils des Körpers alle gefunden Theile und eben sie ganz vorzüglich mitwirken sollen, und in vieler Katholiken Herz hat sich das Bild einer todten Geschäftsführung eingeschlichen, wo jeder auf seinen Bezirk und in seinem Ressort zu handeln hat und sich um Niemanden sonst zu bekümmern braucht. Wie wunderschön ist dagegen das einige Leben, welches sich wieder zu regen beginnt und so schön in dem Sendschreiben der Bischöfe in Amerika sich ausgesprochen hat1), und wie es sich auch jezt wieder aus der Mittheilung eines aus dem Orient zurückgekehrten Geistlichen erwiesen, der von der Geistlichkeit in Constantinopel und Pera unserm Erzbischof die Versicherung mitbringen konnte, daß sie seiner täglich im heiligen Meßopfer gedächten.

Obwohl ich nicht glaube, je zu feile Waare mit den Erlebnissen meines Innern getrieben zu haben, so ist mir der Gedanke, daß Gespräche über solche Gegenstände oft nur als ein sentimentaler Genuß betrachtet werden, doch jezt noch mehr wie früher so unangenehm und abstoßend, daß ich dadurch von Mittheilungen über mich selbst gegen solche abgehalten werden könnte, bei denen ich eine solche Gefahr nie zu laufen hätte. Ich muß Dir übrigens bei dieser Gelegenheit sagen, daß ich auf den bewußten Brief noch keine Antwort erhalten habe und zwar zu meinem recht großen Bedauern, da ich mich immer mehr darnach sehne, endlich über etwas entschlossen zu sein.

Ich gedenke bald nach Münster zu gehen, wenn ich nicht eine Antwort erhalten sollte, um mir dort weitern Rath zu erholen. Du bist natürlich der erste, dem ich sofort alles mittheile, was mich in dieser Beziehung einem Entschluß näher bringt. Wenn ich übrigens von den Ge

1) Zwölf in Baltimore versammelte Bischöfe trösteten durch ein Sendschreiben vom 20. Mai 1840 die beiden Erzbischöfe von Cöln und Gnesen und Posen. Acta et decr. ss. Conc. collect. Lacens. 3, 74.

brechen meiner Natur absehen wollte und nur meinem Gefühle folgte, so wäre mein Entschluß sofort gefaßt. Ich sage Dir das, mein geliebter Wilderich, damit Du, wenn Du meiner und meiner Ungewißheit gedenkest, ja nicht glaubst, die Wahl des geistlichen Standes komme mir nur aus der Vernunft und ihren Gründen. Sie allein hält mich vielmehr jezt davon ab, mich auf eigene Faust dafür zu entscheiden, denn mein ganzes Gefühl und da nach meiner Ueberzeugung im Herzen der eigentliche Mensch stedt - mein eigentliches Ich zieht mich zu demselben hin. Wenn ich übrigens vor Eurer Rückkehr mich von hier noch entfernen sollte, so könnten mich nur sehr wichtige Gründe davon abhalten, Euch, geliebte Geschwister, noch vorher zu besuchen. Uebrigens führe ich hier jezt ein Leben, das mir ganz behaglich sein würde, wenn ich darin eine schuldige Benutzung der Zeit finden könnte. Was diesem Leben eine ganz besonders angenehme Seite gibt, ist, daß ich außer den Stunden, die ich mit Mütterchen und Sophie zubringe, die Zeit einer über die Maßen interessanten Lectüre widme. „Die Soireen von St. Petersburg," von denen ich Dir neulich schrieb, sind eine wahre Fundgrube der tiefsinnigsten Ideen, die nur in einem ganz katholischen Gemüthe aufsteigen konnten. Jezt lese ich Du Pape1) von demselben Verfasser und zugleich Fenelon's Werke. Du Pape vom Grafen de Maistre gefällt mir zwar noch nicht in dem Maße wie das erstgenannte Buch; dagegen bin ich ganz glücklich über die Bekanntschaft mit Fenelon's Werken, von dem ich mich hoffentlich nicht trennen werde. Da gehen einem freilich Tausende von Räthseln des eigenen Herzens auf, die man bisher nach unendlicher Mühe und Selbstqual doch so vollständig nicht zu lösen im Stande war. Ich bedaure jeden, dem Fenelon im Leben nicht begegnet: denn einen gründlichern und freundlichern und nüzlichern Führer in den Untiefen des eigenen Herzens wird man schwer finden, und wer erst dahin gekommen, dort und nirgend anders Ruhe zu suchen, für den ist gewiß Fenelon ein Bote des Himmels.

Unserm geliebten Mütterchen geht es, Gott sei es unendlich gedankt, ganz vortrefflich. Sie macht ohne irgend eine Anstrengung die größten Promenaden mit uns, wobei sie noch lauft, als wenn wir um Botenlohn gingen.

Zum Glücke mahnt mich das Ende dieses Blattes daran, endlich meinem Elstergeschwäße ein Ende zu machen; ich liese sonst Gefahr selbst Eure unendliche Langmuth gegen mich zu ermüden. Die allerherzlichsten

1) Vom Papst. Aus dem Französischen des Grafen Jos. de Maistre übersezt von Moriz Lieber. Frankfurt a. M. 1822.

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