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verhiess, noch eine letzte Verabredung traf, und noch in derselben Nacht mit geringer Begleitung in des Manlius Lager abreiste. Auch ausserhalb der Hauptstadt setzte er noch das Spiel der Täuschung fort, indem er von der Reise aus an die angesehensten Männer in Rom schrieb, dass er ein Opfer feindlicher Ränke und Verleumdungen der Macht der Verhältnisse weiche und sich nach Massilia ins Exil begebe 55). Dasselbe Gerücht hatten auch seine Getreuen in Rom unmittelbar nach seiner Abreise ausgesprengt56).

Von seiner schwersten Sorge, wie er glaubte, befreit hielt Cicero am nächsten Tage, also am 9. November, eine Rede an das Volk, die zweite Catilinarische57), in welcher er durch Aufklärung über die Sachlage einerseits die bange Stimmung der Gemüther zu beruhigen, andrerseits die zurückgebliebenen Verschwornen vor weiteren Anschlägen einzuschüchtern suchte. So hatte also die Rede den gleichen Zweck, der heutigen Tags bei wichtigen öffentlichen Ereignissen durch officielle Bekanntmachungen der Staatsbehörden erzielt wird.

Die Hoffnung, die Cicero auch in dieser Rede ausgesprochen hatte, als sei der Verschwörung durch Catilina's Entfernung die Spitze gebrochen, ging nicht in Erfüllung. Schon ein von Catilina noch von der Reise aus geschriebener Brief an Q. Catulus lautete anders als seine ersten Schreiben. Ohne auszusprechen, worauf seine nächsten Absichten abzielten, enthielt er die Erklärung, dass er, müde der erlittenen Zurücksetzungen und Verfolgungen, sich entschlossen habe, die allgemeine Sache der Unterdrückten zu seiner eigenen zu machen 58). Nicht lange, so traf in Rom die Nachricht ein, dass Catilina mit den Fasces 59) und anderen Zeichen des Imperium nach dem Lager des Manlius aufgebrochen sei. Auf diese Kunde 6o) ächtet der Senat Catilina und Manlius als Feinde des Staats; ihren Anhängern wird, wenn sie bis zu bestimmter Frist die Waffen niederlegten, Amnestie zugesichert, mit Ausnahme der wegen todeswürdiger Verbrechen verurtheilten. Die Consuln erhalten den Auftrag Truppen auszuheben; ihren Befehl solle

55) Sall. 34. 56) or. II, 14. 16. 57) In den ältesten Handschriften hat sich folgendes kurze Argumentum erhalten: Superiore libro Catilina circumventus eloquentia Ciceronis spontaneum elegit exilium, unde oratori maxima venisse videbatur invidia. Sed postero die timore dissimulato processit ad populum fingens se timere quod emiserit Catilinam, ut minus sit invidiosum, quod eum in exilium expulerit. Prooemium sumptum ab exultatione dicentis verbis paene triumphantibus, qui sine damno rei publicae superare bellum potuerit. 58) Das ganze Schreiben bei Sall. 35. 59) s. ausser Sall. Dis 37, 32. or. Cat. II, 13. p. Sulla 17. 60) Sall. 36.

Antonius schleunig übernehmen, hingegen Cicero in Rom verbleiben und für die Sicherheit der Stadt sorgen. Allein so wenig 21 der frühere Senatsbeschluss, der den Angebern der Verschwörung eine Belohnung zusicherte, eine Folge gehabt hatte, eben so wenig vermochte die Verheissung der Amnestie auch nur einen einzigen Aufrührer aus Catilina's Lager zu entfernen 61). Vielmehr erhielt er reichlichen Zuzug aus allen Gegenden, während die Leiter der Verschwörung in der Stadt, der Praetor P. Cornelius Lentulus Sura 62) und der Senator C. Cornelius Cethegus, wenn gleich von der Wachsamkeit des Consuls stets umlauert, ungestört ihre Umtriebe und Rüstungen mit der grössten Thätigkeit fortsetzten 63). Der Plan, wie er mit Catilina verabredet war, ging nach dem Bericht des Sallustius 64) dahin, dass, wenn Catilina mit dem Heere in das faesulanische Gebiet gerückt sei, der Volkstribun L. Bestia in einer Volksversammlung über Cicero's Massnahmen Beschwerde führen und die ganze Verantwortlichkeit des verderbendrohenden Kriegs auf das Haupt des verdienten Consuls laden solle. Habe man so die Gemüther erbittert, so sollten in der nächsten Nacht die Verschwornen jeder nach der ihm zugetheilten Rolle zur Ausführung schreiten. Statilius und Gabinius wurden beauftragt, mit ihren Rotten die Stadt zugleich an zwölf Punkten in Brand zu stecken; Cethegus sollte Cicero's Hausthür besetzen und mit bewaffneter Hand ihn überfallen, eben so andere Vornehme; die Haussöhne aber, von denen ein grosser Theil adligen Familien angehörte, sollten ihre Eltern umbringen, und dann, während durch Mord und Brand die Bestürzung eine allgemeine geworden, ein gewaffneter Durchbruch zum Catilina versucht werden. Der ungestüme. Cethegus drängte zum Los- 22 schlagen"); endlich wurde die Feier der Saturnalien am 19. December 66) zur Mordnacht ausersehen. Darf man einer Nachricht in den neu aufgefundenen Fragmenten des Diodorus) trauen, so war der Anschlag der, an diesem Tage, wo die Clienten ihren Patronen Geschenke (§évıα) zu überbringen und die Häuser offen

61) Man lese hierüber die wahre Bemerkung des Sall. c. 36 a. E. 62) Plut. v. Cic. 17: τοὺς δ ̓ ὑπολειφθέντας ἐν τῇ πόλει των διεφθαρ μένων ὑπὸ τοῦ Κατιλίνα συνῆγε καὶ παρεθάρρυνε Κορνήλιος Λέντλος Σούρας ἐπίκλησιν, ἀνὴρ γένους μὲν ἐνδόξου, βεβιωκὼς δὲ φαύλως καὶ δι' ἀσέλγειαν ἐξεληλαμένος τῆς βουλῆς πρότερον, τότε δὲ στρατηγών (i. e. praetor) τὸ δεύτερον, ὡς ἔθος ἐστὶ τοῖς ἐξ ὑπαρχῆς ἀνακτωμένοις τὸ βουλευτικὸν ἀξίωμα. 63) Sall. 39 a. E. 64) c. 43; vgl. auch Plut. Cic. 18. 65) or. III, 10. Sall. 43 g. E. 66) Nach der Caesarischen Kalenderberichtigung fielen sie später auf den 17. December. 67) s. Fragmenta histor. Graec. ed. Car. Muellerus Vol. II. p. XXVI.

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zu stehn pflegten, zu denen, die man aus dem Wege räumen wollte, verkappte Mörder zu schicken und zu gleicher Zeit fast alle Senatoren zu ermorden. Den verruchten Plan schwatzte aber einer der bestimmten Mörder, deren Zahl auf vierhundert angegeben wird, seiner Geliebten aus, die sogleich Cicero's Frau von dem Anschlag in Kenntniss setzte. Wie es sich auch damit verhalten mochte, sicher ist, dass Cicero von der Absicht, um diese Zeit loszuschlagen, zeitig Kunde erhalten hat "); aber bei dem grossen Anhang, den die Vorschwornen in allen Ständen und selbst in den ersten Familien zählten, wagte er nicht eher einzuschreiten, als bis er die sichersten Beweise von einem delictum manifestum in den Händen hatte 69).

Diese verschaffte ihm ein glücklicher Zufall oder vielmehr die Unbesonnenheit 70) der Verschwornen selbst. Es befanden sich nemlich zur Zeit Abgeordnete der Allobrogen aus der transalpinischen Provinz Gallien in Rom, um vom Senat Abhilfe gegen den Druck der Beamten und die Habsucht der Wucherer zu erhalten "). Diese liess Lentulus durch einen gewissen P. Umbrenus ausholen und ihnen Abhilfe aller ihrer Beschwerden zusichern, wenn sie das Unternehmen des Catilina durch bewaffnete Hilfe, namentlich durch Sendung von Reiterei 72), unterstützen wollten. Ohne über ihre Endabsichten schon entschieden zu sein, sagten sie ihre Mitwirkung zu, fanden es aber nach langem Bedenken doch ihren Interessen für zuträglicher, alles, was ihnen kund geworden, ihrem Patron Q. Fabius Sanga zu eröffnen. Durch diesen erfuhr Cicero die Sache und beauftragte nun die Gesandten, die lebhafteste Theilnahme für die Verschwörung zu heucheln und vor ihrem nahe bevorstehenden Abgang aus der Stadt sich Schreiben von den Häuptern der Verschwörung zur Beglaubigung in ihrer Heimat zu verschaffen. Arglos gingen Lentulus, Cethegus und Statilius in die Falle; blos Cassius verweigerte die Mitgabe eines Schreibens; er erklärte, bald selbst nach Gallien kommen zu wollen, und verliess auch kurz darauf noch vor den Gesandten die Stadt. Da diese ihr Weg durch Etrurien führte, so versprachen sie auch, den Catilina selbst aufzusuchen und mit ihm persönlich das Bündniss abzuschliessen, weshalb ihnen Lentulus einen gewissen T. Volturcius aus Kroton mit einem eigenhändigen Schreiben und mit mündlichen Aufträgen?3) an Catilina als Begleiter zu

68) s. or. III, 10. 17. 69) wie Cicero selbst klar andeutet or. III, 4. Vgl. auch 17. 70) or. III, 22. 71) Sall. c. 40 f. 44 ff. Cic. or. III, § 4 ff. 72) or. III, § 9. 73) Sall. 44 a. E. Zwar könnte man aus or. III, § 4: eosque in Galliam ad suos cives eodemque itinere cum

gesellte. Als sie nun ihre Reise in der Nacht vom 2. auf den 3. 24 December antraten, ertheilte Cicero den Praetoren L. Flaccus und C. Pomptinus den Auftrag, die Gesandten mit ihrem Gefolge und den Briefschaften aufzuheben. Die kriegskundigen Männer führten den Ueberfall glücklich auf der mulvischen Brücke aus. Von der gelungenen Gefangennehmung sogleich in Kenntniss gesetzt liess Cicero noch vor Tagesanbruch den Lentulus, Cethegus, Statilius, Gabinius, der bei den Unterhandlungen mit den Galliern eine Hauptrolle gespielt hatte, und einen gewissen Ceparius aus Terracina, der zur Leitung eines Sklavenaufstands eben nach Apulien abgehen sollte, in seine Wohnung bescheiden74). Die übrigen fanden sich arglos und ohne Widerstreben ein; blos Ceparius, der kurz vorher ausgegangen war, hatte sich auf Kunde des Verraths bereits aus der Stadt geflüchtet. Hierauf berief der Consul den Senat in den Tempel der Concordia, wo die ergriffenen verhört und durch die Aussagen der Allobrogen und die klaren Beweise ihrer Handschrift und Siegel bald überführt wurden 75). Nach erfolgtem Eingeständniss beschloss der Senat, dass die Verhörten und ausser ihnen Ceparius, den man inzwischen von seiner Flucht eingebracht hatte, Senatoren zur Verwahrung zu überliefern seien. Ueber dessen übrige Beschlüsse verweisen wir auf das sechste Capitel der dritten Rede 7).

Die erfolgreiche Sitzung hatte bis zum Abend gedauert. Als 25 der Senat auseinanderging, trat der Consul zu dem in zahlreicher Menge und gespannter Erwartung harrenden Volk 77) heraus und theilte ihm das Ergebniss in einer Rede mit, die unter dem Namen der dritten Catilinarischen erhalten ist. Welchen Eindruck seine Worte gemacht haben, lässt sich aus der lebendigen Schilderung der Bewegung ermessen, die nach Sallustius (c. 48) auf die offene Enthüllung der Verschwörung in Rom entstanden war: Plebs coniuratione patefacta, quae primo cupida rerum novarum nimis bello favebat, mutata mente Catilinae consilia exselitteris mandatisque ad Catilinam esse missos, comitemque iis adiunctum esse T. Volturcium atque huic ad Catilinam esse datas litteras den Schluss ziehen, dass auch die Gallier Schreiben an Catilina erhalten haben; allein Wilh. Meyer hat im N. rhein. Mus. XXV, 175 gezeigt, dass die W. cum litteris mandatisque als Interpolation zu streichen sind. Aus or. III, c. 4 u. 5 ergibt sich deutlich, dass man nur vier Schreiben aufgegriffen hat, drei von Cethegus, Lentulus und Statilius an den Senat und an das Volk der Allobrogen und eines von Lentulus an Catilina. 74) Ueber die Gefühle, die damals den Consul bestürmten, s. Sall. c. 46, welche Stelle besonders auch für den Tag der Nonen ihre Anwendung hat. 75) Sall. 47. Cic. or. III, 8 ff. 76) vgl. noch or. IV, 5. 10. or. Phil. II, 13 ff. 77) Plut. Cic. 19.

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crari, Ciceronem ad caelum tollere; veluti ex servitute erepta gaudium atque laetitiam agitabat. Namque alia belli facinora praedae magis quam detrimento fore, incendium vero crudele, immoderatum ac sibi maxume calamitosum putabat, quippe cui omnes copiae in usu cotidiano et cultu corporis erant78).

Der nächste Tag brachte neue Bewegungen, indem sich die Kunde verbreitete, dass von den Leuten des Lentulus und Cethegus durch Aufwieglung der unteren Volksschichten eine gewaltsame Befreiung der Gefangenen im Werke sei 79). Sofort liess Cicero das Capitol und Forum in der Nacht durch starke Wachen besetzen; mit der Frühe des kommenden Tags, an den Nonen des December, hiess er das Volk in die Hände der Praetoren den militärischen Eid leisten, für den Fall dass man Soldaten bedürfen sollte 80). Hierauf berief er den Senat in den durch zahlreiche Bewaffnete geschützten Tempel der Concordia 81), um die Frage über das Schicksal der Gefangenen zur Entscheidung zu bringen, wozu der Senat verfassungsmässig nicht berechtigt war 82).

Nach den am 3. December vorausgegangenen Senatsbeschlüssen stand zu erwarten, dass das Urtheil streng ausfallen werde. Als designierter Consul zuerst um seine Meinung befragt, sprach sich D. Junius Silanus 83) dahin aus, dass an den verhafteten, desgleichen an L. Cassius, P. Furius, P. Umbrenus und Q. Annius, wenn man ihrer habhaft werde, die Todesstrafe zu vollstrecken sei. Seinem Antrag schlossen sich die zunächst stimmenden Consularen 8) an, bis die Reihe an C. Julius Caesar kam, der damals ernannter Praetor war und zuerst dem Gang der Verhandlung eine andere Wendung gab 5). Nachdem er in längerer Rede) die Massregel der Hinrichtung als eine ungesetz

78) Der Umschlag der öffentlichen Stimmung ist auch angedeutet or. IV, 14 ff. 79) Sall. 50. Cic. or. IV, 17. Dio 37, 35. App. b. civ. II, 5. 80) Dio a. a. 0. 81) am clivus Capitolinus, der ganz von römischen Rittern besetzt war. 82) s. Mommsen R. G. III, 176 ff. (3). 83) Sall. 50, der bemerkt: postea permotus oratione C. Caesaris pedibus in sententiam Ti. Neronis iturum se dixerat, quod de ea re praesidiis additis referundum censuerat. 84) Ihre Namen bei Cic. ad Att. XII, 21, 1 und Phil. II, 12. 85) Suet. v. Caes. 14. 86) Bei Sallust 51. Ueber die Gründe seines Votums s. Plut. C. 20 g. E. Treffend merkt Drumann V, 506: 'Ohnerachtet der ihm angebornen Milde kam doch das Schicksal der Gefangenen nicht bei ihm in Betracht; hätte es ihn bei seinen weitausgehenden Plänen gefördert, so würde er sie aufgeopfert haben; eben so fern lag ihm die Sorge für den Senat, welcher bei einem Todesurtheil eine grosse Verantwortung übernahm, und der Eifer für Gesetz und hergebrachte Ordnung. Seine Aufgabe war, sich aufzulehnen gegen die Aristokratie und gegen ihre Beschlüsse, was auch der Gegenstand sein mochte, und ihr Treiben zu beleuchten,

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