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liche und in ihren Folgen sehr bedenkliche bezeichnet hatte, schloss er mit dem Antrag: man solle das Vermögen der Verschwornen einziehen und sie selbst in verschiedene Municipalstädte zu ewiger Haft vertheilen und die Municipien für ihre sichere Verwahrung aufs strengste verantwortlich machen; ausserdem solle jeder Antrag beim Senat oder Volk auf eine Milderung oder gänzliche Aufhebung ihrer Strafe als ein Attentat gegen die Sicherheit des Staats erklärt werden 87). Die auf Einschüchterung der Versammlung wohl berechnete Rede verfehlte nicht einen tiefen Eindruck zu machen, so dass die nächsten Gutachten zu schwanken anfingen und selbst Quintus Cicero, der Bruder des Consuls, dem Antrage Caesars beipflichtete 88). Da nun der Consul die 28 Senatoren wanken und auch Besorgnisse für sein Leben ausdrücken sah, fand er es für nöthig auch mit seinem Wort in die Verhandlung einzugreifen, den Senat zu ermuthigen und zu beschwören, er möge bei seinem Urtheil alle Rücksichten auf seine Person bei Seite setzen, und so den Gang der Verhandlung, deren Ergebniss zweifelhaft zu werden schien, wieder in das frühere Geleise zurückzulenken. Seine Rede, die vierte Catilinarische, ist zwar scheinbar, wie auch seine Stellung als referierender Consul erheischte, nur eine Beleuchtung der Ansichten des Silanus und Caesar mit Rücksicht auf seine Person, für welche Caesars Vorschlag minder gefährlich schien 89); aber deutlich blickt durch seine Worte der Wunsch hindurch, es möge sich die Versammlung für das strengere Votum des Silanus entscheiden. Dass übrigens Cicero in Mitte der Verhandlung eine so wortreiche Rede gehalten habe, ist schwer zu glauben; ihr eigentlicher Kern, die klare Würdigung der beiden Anträge und die eben so feine als kunstreiche Bekämpfung des Caesarischen, hat sicherlich erst bei der späteren Niederschreibung den rhetorischen Flitterstaat erhalten, bei welcher Annahme auch der etwas weichherzige Eingang seine beste Erklärung findet 90). An welcher Stelle Cicero damit es in einer gehässigen Gestalt erschiene und soviel als möglich Aufsehen erregte. Damit bewährte er sich als der Mann des Volkes, welcher nicht Blut, sondern nur Schutz gegen Mord und Brandstiftung begehrte, und diesen Schutz versagte er ihm bei der Abstimmung nicht'. Am wenigsten darf Caesars Rede Wunder nehmen, wenn er selbst, wie Mommsen (III, 179 ff.) in scharfsinniger Beweisführung im hohen Grade wahrscheinlich gemacht hat, Mitwisser an der Verschwörung gewesen ist. 87) Sall. c. 51 § 42. Cic. or. IV, 8. 10. 88) Suet. Caes. 14. 89) vgl. § 9. 90) Ist die Rede später abgefasst, so erklären sich auch noch einige andere eingebildete Anstösse, so das Vorkommen mehrerer Stellen, die man eher in einer Eröffnungsrede des referierenden Consuls (relatio im engeren Sinne) erwarten sollte. Wie Cicero die Rede nie

Ciceros Reden III. 10. Aufl.

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mit seiner Rede in die Debatte eingegriffen hat, ist durch kein bestimmtes Zeugniss überliefert ; sicher aber scheint, dass er vor Cato und Tiberius Nero gesprochen, welcher letztere durch den Antrag auf Vertagung des Urtheils einen Mittelweg eingeschlagen hatte 1). Da Cicero ihre Vorträge nicht berührt, so dürfte es von der Wahrheit nicht entfernt liegen, wenn man seiner Rede nach dem Gutachten der viri praetorii ihre Stelle anweist. Die Aengstlichkeit der Gemüther völlig zu verscheuchen scheint Cicero nicht gelungen zu sein 92); wenigstens stimmen alle Zeugnisse der Geschichtschreiber darin überein, dass erst das Auftreten des jungen M. Porcius Cato 93), der damals ernannter Volkstribun war, von entscheidender Wirkung auf die Beschlussnahme des Senats gewesen ist 9). Denn Cato, sagt Velleius Paterculus (II, 35), brach mit so grosser Kraft des Geistes und Muthes gegen die Verschwörung los, wusste mit solchem Feuer des Auges die Rede derer, die zur Milde riethen, einer Theilnahme an der Verschwörung zu verdächtigen, schilderte mit so lebhaften Farben die Gefahren, die ihnen allen aus dem Brand und Schutt der Stadt und aus dem Umsturz der Verfassung gedroht hatten, pries in so würdigen Ausdrücken das entschlossene Benehmen des Consuls, dass der Senat dessen auf Tod lautenden Votum beitrat und ein grosser Theil der Senatoren den Cicero nach beendigter Sitzung nach Hause begleitete. Der Urtheilsspruch des Senats ward ohne Berufung an das Volk noch vor Eintritt der Nacht vollzogen und die Hochverräther im Tullianum erdrosselt 9). Catilina selbst und seine Schaaren wurden in der Schlacht bei Pistoria zu Anfang des J. 62 vernichtet, nachdem sie mit einem Muthe der Verzweiflung gekämpft hatten, der einer besseren Sache würdig gewesen wäre 9).

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derschrieb, sollte sie eben als ein in sich geschlossenes Ganze in dem corpus orationum invectivarum erscheinen, nicht als das abgerissene Stück einer vermittelnden sententia aus der Mitte der Berathung.

91) Sallust sagt: praesidiis additis 'wann erst noch durch stärkere Schutzmittel für die Sicherheit des Staats gesorgt sei'; wahrscheinlicher ist die Nachricht des Appian b. c. II, 5, der den Vorschlag des Nero dahin angibt man solle die Schuldigen so lange in Verwahr halten, bis man den Catilina im Krieg überwunden habe und ganz genaue Untersuchung anstellen könne. 92) Nach der Andeutung bei Plut. v. Cic. 21 neigte sich die Mehrzahl der Senatoren, auch nachdem Cicero gesprochen hatte, aus Sorge für sein Leben dem Vorschlag Caesars zu. 93) Seine Rede bei Sallust c. 52. 94) Sall. 53. 95) Sall. 55. 96) Ibid. 57 ff. Florus II, 12, 12: Nemo hostium bello superfuit; quem quis in pugnando ceperat locum, eum amissa anima corpore tegebat. Catilina longe a suis inter hostium cadavera repertus est, pulcherrima morte, si pro patria sic concidisset.

ORATIO PRIMA

HABITA IN SENATU.

1. Quo usque tandem abutere, Catilina, patientia nostra? 1 quam diu etiam furor iste tuus eludet? quem ad finem sese effrenata iactabit audacia? Nihilne te nocturnum praesidium Palatii, nihil urbis vigiliae, nihil timor populi, nihil concursus bonorum 5 omnium, nihil hic munitissimus habendi senatus locus, nihil horum ora vultusque moverunt? Patere tua consilia non sentis? constrictam omnium horum scientia teneri coniurationem tuam non vides? Quid proxima, quid superiore nocte egeris, ubi fueris,

1. Quo usque. Es war ein frecher Trotz gegen die Langmuth des Senats, dass er als offenkundiger hostis patriae gewagt hatte selbst in jener Versammlung des Senats zu erscheinen, die gerade berufen war, Massregeln gegen seine Umwälzungspläne zu treffen. Ueber das Motiv seines Erscheinens s. Einl. Anm. 52.

tandem in einer instandi causa gestellten Frage (Quintil. 9, 2, 7), eben so bei Sall. Cat. 20,9: quae quo usque tandem patiemini, fortissimi viri?

2. etiam zu quam diu gehörend 'noch', wie § 10 vixdum etiam, Verr. 4, 9 nihildum etiam; so auch in den Verbindungen etiam tum, etiam nunc.

eludet wird sein Spiel treiben, sich gebahren', wenig verschieden von se iactabit.

quem ad finem 'bis zu welchem Ziele', synonym mit quam diu. Verr. V, 75 piratam vivum tenuisti? quem ad finem? dum cum imperio fuisti. Tac. Ann. 14, 52 quem ad finem nihil in re publica clarum fore, quod non ab illo reperiri credatur?

3. praesidium Palatii. Bei drohender Gefahr wurde das Palatium (=mons Palatinus) als einer der

wichtigsten militärischen Punkte der Stadt mit Wachen besetzt.

4. urbis vigiliae, timor populi: s. Sall. Catil. c. 30, 7 und c. 31.

concursus bonorum, die zum Theil bewaffnet vor dem Ort der Senatssitzung erschienen und mit ihrer Hilfe bereit waren. Statt concursus hat Quintilian 9, 3, 30 minder gut consensus. Der Redner führt nur solche Erscheinungen an, die in die Sinne fallen mussten.

5. munitissimus, s. § 21 g. E.

senatus locus, der Tempel des Juppiter Stator, der nahe an der sacra via am nördlichen Abhang des Palatium lag, s. Plut. v. Cic. 16. Zu Senatssitzungen wurden sonst fast nur die Tempel des Forums und Capitols gewählt, damals der des Juppiter Stator wahrscheinlich deshalb, weil man den mons Palatinus, an dessen Abhang der Tempel lag, militärisch besetzt hatte.

8. proxima, die dem Tage der Rede voranging, in der vielleicht nach dem Fehlschlagen des Attentats auf Cicero ein Hauptschlag in der Stadt im Werke war, der aber wegen der militärischen Anordnungen nicht zur Ausführung kam; superiore, der nächstvorangehenden, in der die Versammlung im

quos convocaveris, quid consilii ceperis, quem nostrum ignorare 2 arbitraris? O tempora, o mores! senatus haec intellegit, consul videt: hic tamen vivit. Vivit? immo vero etiam in senatum venit, fit publici consilii particeps, notat et designat oculis ad caedem unum quemque nostrum. Nos autem, viri fortes, satis facere rei 5 publicae videmur, si istius furorem ac tela vitemus. Ad mortem te, Catilina, duci iussu consulis iam pridem oportebat, in te con3 ferri pestem istam, quam tu in nos machinaris. An vero vir amplissimus, P. Scipio, pontifex maximus, Ti. Gracchum, mediocriter labefactantem statum rei publicae, privatus interfecit: 10 Catilinam, orbem terrae caede atque incendiis vastare cupientem, nos consules perferemus? Nam illa nimis antiqua praetereo, quod C. Servilius Ahala Sp. Maelium, novis rebus studentem, manu sua occidit. Fuit, fuit ista quondam in hac re publica virtus, ut viri fortes acrioribus suppliciis civem perniciosum quam 15 acerbissimum hostem coërcerent. Habemus senatus consultum in te, Catilina, vehemens et grave; non deest rei publicae consi

Hause des Laeca stattfand; s. Einl.
A. 51.

1. quos convocaveris, Sall. c. 17. 5. unum quemque n. nicht 'uns alle', sondern jeden einzelnen aus unserer Mitte, neml. die, so er als Hauptgegner seiner Pläne ansah.

7. iussu consulis, kraft des Senatsbeschlusses: darent operam consules ne quid res publica detrimenti caperet, Einl. §. 15.

conferri, ein gewählter Ausdruck, der wörtlich zu fassen ist.

8. an vero niert, um den Gegensatz kräftiger hervortreten zu lassen, wo wir den ersten Satz mit während' unterordnen. Quintil. 8, 4, 13: augendi gratia non tota modo totis, sed etiam partes partibus comparantur, sicut hoc loco . . et Catilina Graccho et status rei p. orbi terrarum et mediocris labefactatio caedi et incendiis et vastationi et privatus consulibus comparatur.

interfecit: coordi

9. P. Scipio Nasica, mit dem Beinamen Serapio, Consul 138, ein Urenkel jenes Cn. Scipio, der mit seinem Bruder in Spanien 212 fiel. Vgl. Mommsen R. G. II, 92 (3).

mediocriter ('nur im geringen Masse') labefactantem, rhetorisch geschwächt, wie § 4 vom C. Gracchus, um den Contrast zwischen ihm und den Plänen des Cat. stärker hervorzuheben.

10. privatus, weil er damals (im J. 133) kein obrigkeitliches Amt bekleidete. Das Pontificat war als ständige Würde kein Magistratus.

12. illi n. antiqua. Mit dem Plural deutet Cic. an, dass noch andere Fälle als der eine von Ahala angeführt werden könnten. Da jedoch die Handschriften quod que Servilius haben, nimmt Richter nicht ohne Wahrscheinlichkeit an, dass ein Satz mit quod ausgefallen sei.

13. Servilius Ahala. Liv. Per. 1. 4: cum fame populus Ro. laboraret, Sp. Maelius eques frumentum populo Ro. sua impensa largitus est; et ob id factum conciliata sibi plebe regnum adfectans a C. Servilio Ahala magistro equitum iussu Quinctii Cincinnati dictatoris occisus est.

16. sen. consultum Einl. § 15. 17. rei publicae Dativ, der auch

lium neque auctoritas huius ordinis: nos, nos, dico aperte, consules desumus.

2. Decrevit quondam senatus, ut L. Opimius consul videret 4 ne quid res publica detrimenti caperet: nox nulla intercessit; in5 terfectus est propter quasdam seditionum suspiciones C. Gracchus, clarissimo patre, avo, maioribus, occisus est cum liberis M. Fulvius consularis. Simili senatus consulto C. Mario et L. Valerio consulibus est permissa res publica: num unum diem postea L. Saturninum tribunum pl. et C. Servilium praetorem

zu nos consules desumus zu ergänzen ist. Der Senat, sagt Cicero, hat dem Staate als berathende (consilium) und Vollmacht ertheilende Behörde (auctoritas) das seinige gethan, aber es fehlt am energischen Durchgreifen der Executive.

3. L. Opimius. Der Wortlaut des Senatsbeschlusses bei Cic. Phil. 8, 14: quod L. Opimius consul verba fecit de re publica, de ea re ita censuerunt, uti L. Opimius consul rem p. defenderet. Die Vollmacht lautete gegen die Sitte nur für den einen Consul, weil der andere, Q. Fabius Maximus, gerade im südlichen Gallien, der nachmaligen Provincia, das Commando führte.

5. C. Gracchus: s. Vell. Pat. II, 6. 6. clarissimo patre, dem Ti. Sempronius Gracchus, der zweimal Consul (177 u. 163 v. Chr.) und Censor (169) war, und zweimal triumphiert hat, über die Celtiberer (178) und über die Sarder (175), s. Mommsen R. G. II, 85 (3); avo, von mütterlicher Seite, dem P. Scipio Africanus maior, wie Velleius II, 2, 1 von dem Bruder des Gaius sagt: P. Africani ex filia nepos.

cum liberis, s. zu or. IV, 13.

7. simili S. C. Cic. p. Rab. perd. reo 20: fit SCtum, ut C. Marius L. Valerius consules adhiberent tribunos pl. et praetores, quos iis videretur, operamque darent, ut imperium populi Ro. maiestasque conservaretur. Adhibent omnes

tribunos pl. praeter Saturninum, praetores praeter Glauciam: qui rem p. salvam vellent, arma capere et se sequi iubent etc. (100 v. Chr.) Marius musste gegen seinen demokratischen Verbündeten, L. Appuleius Saturninus, einschreiten, als seine Rotten, um die Wahl des nicht minder gewaltthätigen C. Servilius Glaucia zum Consul durchzusetzen, dessen Mitbewerber C. Memmius auf dem Marsfelde selbst erschlagen hatten. Vgl. zu III, 15. Mommsen R. G. II, 209 (3).

8. permissa res p., wofür es or. Phil. VIII, 15 heisst: C. Mario L. Valerio consulibus senatus rem publ. defendendam dedit.

num remorata est, der ganze Gedanke = eodem die interfecti sunt; remorata est 'hat hingehalten, warten lassen', wie Auct. ad Her. IV, 36: aliquid cotidie acerbi atque incommodi nuntiatur, et eum, cuius opera nobis haec accidunt, vos (iudices) remoramini diutius et alitis ad rei p. perniciem. Der Ausdruck beruht auf dem Gedanken, dass jene Frevler schon längst den Tod gewärtigen mussten, der sie mit seinem Erscheinen auch nicht länger hinhielt, als bis das Senatsconsult erfolgte. Zu mors ist ac rei p. poena noch hinzugesetzt, um besonders hervorzuheben, dass der Tod eine vom Staat verhängte Strafe war.

9. postea, was auch fehlen konnte, bezeichnet bestimmt, dass auch kein Tag weiter zwischen

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