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dem Catilina an Verwegenheit gleich gemacht hatte. Als sich so Catilina aller zu einem Umsturz geneigten Elemente versichert hatte, erhielt der geworbene Anhang zunächst die Weisung seine Wahl zum Consul für das J. 62 mit allen Mitteln zu unterstützen. War er nur einmal ernannt, so hoffte er den einen Consul, Antonius, leicht nach seinem Willen zu lenken, Cicero aber durch Gewalt zu beseitigen. Aber auch diesem fehlte es nicht an Wach- 13 samkeit und Schlauheit, um die Pläne seines kühnen Feindes zu durchkreuzen 36). Cicero hatte sogleich beim Antritt seines Consulats unter grossen Verheissungen durch Vermittlung der Fulvia, der ihr Geliebter Q. Curius manches von den Entwürfen des Catilina ausgeschwatzt hatte, bewirkt, dass er durch diesen von allen Schritten Catilina's in Kenntniss gesetzt wurde. Seinen Collegen Antonius hatte er dadurch, dass er ihm als consularische Provinz die reiche Beute versprechende Statthalterschaft von Macedonien abtrat, von einer Verbindung mit Catilina abgezogen und zur Unthätigkeit vermocht. Zu seiner persönlichen Sicherheit versah er sich insgeheim mit einer Schutzmannschaft von Freunden und Clienten, die ihm wohl auch als geheime Polizei dienen mochte 37). Um Catilina's Wahlumtrieben entgegenzuarbeiten, setzte er eine neue lex de ambitu durch, in welcher sowohl rücksichtlich der Zahl der verpönten Handlungen 38) als in Beziehung auf das Strafmass 39) die Bestimmungen der lex Calpurnia vom J. 67 verschärft waren. Die zunächst gegen ihn durchgesetzte Lex erbitterte Catilina, erschütterte aber nicht seine Zuversicht 40); vielmehr ward er täglich mehr in seinem Entschlusse bestärkt, den Kampf mit einer Regierung aufzunehmen, die seinem kecken Auftreten und herausfordernden Trotze") bisher nur Zögern und Schwanken entgegengesetzt hatte.

Lange genug hatte das unheimliche Gespenst einer offen- 14 kundigen Verschwörung die Stadt in banger Furcht gehalten, als endlich Cicero, erschreckt durch sehr aufregende Aeusserungen

quae senatus insignia! Lentulus quoque tum cum maxime praetor: hos omnes inmanissimi facinoris satellites habuit. 36) Sall. 26. 37) vgl. or. III, 5. 38) s. p. Murena c. 32. 39) Schol. Bob. ad or. p. Sulla p. 362: poenam de ambitu graviorem consules C. Antonius et Cicero sanxerunt, ut praeter haec veteribus legibus constituta etiam exilio (decem annorum) multarentur. 40) s. die schöne Schilderung in der or. p. Mur. 49. 41) p. Mur. c. 25, wo es a. E. heisst: in eodem ordine (i. e. senatu) paucis diebus ante Catoni, fortissimo viro, iudicium minitanti ac denuntianti respondit, si quod esset in suas fortunas incendium excitatum, id se non aqua, sed ruina restincturum.

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des Catilina, der sein sociales Programm42) in einer Privatversammlung entwickelt hatte, am Tage vor den Comitien die Gefahr der Republik im Senat zur Sprache brachte. Der Senat fasste den Beschluss, am folgenden Tage, statt die Consularcomitien zu halten, die Lage der Republik in Erwägung zu ziehn. In dieser Sitzung erstattete der Consul vor zahlreicher Versammlung Bericht über die jüngsten Schritte der Anarchisten43), und stellte hierauf an Catilina, der sich nicht gescheut hatte im Senat zu erscheinen, die Aufforderung, sich über die dargelegten Enthüllungen zu äussern. Statt sich zu rechtfertigen, erklärte dieser unverholen: der Staat habe zwei Körper, einen gebrechlichen mit schwachem Haupte und einen starken ohne Haupt; dem letzteren werde es, so lange er athme, an einem Haupte nicht fehlen. Darauf stürzte er mit der Miene eines Siegesbewussten aus der Versammlung. Trotz dieses frechen Gebahrens kam es zu keinen energischen Beschlüssen 44), so dass sich der Consul bemüssigt sah, auf eigene Hand für seine Sicherheit zu sorgen. Am Tage der Comitien, die wahrscheinlich wenige Tage später stattfanden 45), erschien er, mit einem glänzenden Harnisch unter der Toga, unter starker Bedeckung entschlossener Männer auf dem Marsfeld 46); so wagten die Rotten des Catilina, die sich mit Schwertern bewaffnet in zahlreicher Menge eingefunden hatten, keinen Angriff, und die Wahl entschied für Decimus Junius Silanus und L. Licinius Murena.

Wie sich so Catilina von neuem vom Consulat ausgeschlossen und sein auf den Consul beabsichtigtes Attentat vereitelt sah, beschloss er zum offenen Aufstand zu schreiten. Rastlos wirbt er zur Verstärkung seines Anhangs, bearbeitet durch rührige Sendlinge die italischen Landschaften, sammelt in verschiedenen gutgelegenen Plätzen in und ausserhalb Roms Waffenvorräthe,

42) p. Mur. 50: meministis enim, cum illius nefarii gladiatoris voces percrebruissent, quas habuisse in contione domestica dicebatur, cum miserorum fidelem defensorem negasset inveniri posse, nisi eum qui ipse miser esset; integrorum et fortunatorum promissis saucios et miseros credere non oportere: quare qui consumpta replere, erepta recuperare vellent, spectarent, quid ipse deberet, quid possideret, quid auderet: minime timidum et valde calamitosum esse oportere eum, qui esset futurus dux et signifer calamitosorum. 43) p. Mur. 51. 44) ibid. partim ideo fortes in decernendo non erant, quia nihil timebant, partim, quia timebant cuncta. 45) Dass die consularischen Comitien, die gewöhnlich im Monat Juli stattfanden, nicht viel über die gewöhnliche Zeit vertagt wurden, hat jetzt C. John a. a. O. (s. Anm. 1) mit guten Gründen erwiesen. Die nächste Zeit verging für Catilina mit der Organisirung des bewaffneten Aufstands. 46) Cat. I, 11. p. Sulla 51 u. bes. p. Mur. 52.

lässt Gelder, die er auf seinen und seiner Freunde Credit aufgebracht hatte, nach Faesulae in Etrurien zu C. Manlius, einem vormaligen Centurio, schaffen, der zum militärischen Leiter der Revolution ersehen war. Nach Vollendung der Rüstungen ward zur Schilderhebung des Manlius in Etrurien der 27. October bestimmt; Tags darauf sollten in der Stadt der Consul und die angesehensten Optimaten überfallen und niedergemacht werden 47). Von diesen Plänen unterrichtet berief Cicero am 21. October den Senat, der sich jetzt endlich ermannte und den Consuln durch die Formel,,videant consules ne quid res publica detrimenti capiat“ unbeschränkte Vollmacht ertheilte, um für die Sicherheit des Staats zu sorgen48). Als wenige Tage hernach der Senator L. Saenius ein Schreiben aus Faesulae vorlas, C. Manlius habe am 27. October mit zahlreicher Menge zu den Waffen gegriffen, und als Nachrichten von Gährungen der Sklaven in Capua und Apulien einliefen, beschloss der Senat umfassende militärische Vorkehrungen zu treffen. Die Proconsuln49) Q. Marcius Rex und Q. Metellus Creticus wurden, ersterer nach Faesulae, dieser nach Apulien und in die Umgegend geschickt, die Prätoren Q. Pompeius Rufus und Q. Metellus Celer nach Capua und in die picenische Mark beordert, mit dem Auftrag Truppen auszuheben; für Anzeigen von der Verschwörung wurden Belohnungen ausgesetzt und zum Schutze der Stadt ausgedehnte Sicherheitsmassregeln angeordnet. Catilina selbst wurde als Urheber dieser Wirren von 16 einem jungen Patricier, L. Aemilius Paullus, nach der lex Plautia de vi angeklagt, worauf er, auch jetzt noch den Unbefangenen spielend, sich mehreren angesehenen Männern zur freien Haft erbot 50), damit man nicht glauben möge, er werde durch Flucht der drohenden Gefahr weichen. Doch war bereits in seiner Seele, da er sich in der Stadt überall durch die scharfe Wachsamkeit des Consuls umgarnt sah, der Entschluss gereift, sich selbst an die Spitze des Heeres in Etrurien zu stellen und den Kampf zur raschen Entscheidung zu führen, ehe die Rüstungen der Republik vollendet wären; nur sollte vor seinem Abgange von Rom noch ein Hauptschlag, die Ermordung des Consuls, versucht werden. So beruft er in der Nacht vom 6. auf den 7. November seine 17 Genossen zu einer neuen Versammlung in das Haus des M. Por

47) Cat. I, 7. 48) über die Bedeutung der Formel s. Sall. 29, vgl. auch Dio 37, 21. 49) Sall. 30: hi utrique ad urbem imperatores erant, impediti ne triumpharent calumnia paucorum, quibus omnia honesta atque inhonesta vendere mos erat. 50) Sall. 31. Cic. ar. I, 19. Dio 37, 32.

cius Laeca. In dieser kündigt er seinen nahen Abgang zum Heere an, bestimmt, wer in der Stadt verbleiben oder sich zum Heere begeben solle, vertheilt unter die bleibenden die Rollen des Mordes und der beschlossenen Brandstiftung, und fordert endlich zur baldigen Ermordung Cicero's auf, worauf sich der Senator L. Vargunteius und der Ritter C. Cornelius erboten, den Consul mit Anbruch des Tags in seinem eigenen Hause zu tödten. Noch in der Nacht von diesen Vorkehrungen in Kenntniss gesetzt sicherte sich Cicero vor einem Ueberfall, verstärkte die Wachen der Stadt und berief dann am 8. November 51) eine Senatsversammlung in den Tempel des Juppiter Stator, welchen er zur Sicherheit mit bewaffneten römischen Rittern umstellt hatte. Als sich Catilina erfrechte, auch in dieser zu erscheinen 52), brach Cicero empört in feuriger Rede los und zeigte dem trotzenden Feinde,

51) Ueber den Tag der Rede sind die Gelehrten verschiedener Ansicht, indem die einen den 7., andere den 8. November annehmen. Die Basis der Untersuchung bietet die Stelle der or. p. Sulla 52 (nocte ea, quae secuta est posterum diem Non. Nov., d. i. die Nacht, die auf den Tag nach den Nonen folgte), der zufolge die Versammlung in der Nacht vom 6. auf den 7. stattfand und für Cicero's Ermordung der Morgen des siebenten bestimmt war. Da nun in der or. I, 1 eine nox proxima und superior unterschieden werden, und § 8 als die nox superior oder prior die Nacht im Hause des Laeca bezeichnet und diese Unterscheidung auch II, 13 in den klarsten Worten wiederholt ist, quid ea nocte (apud Laecam) egisset, quid in proximam constituisset, so hat die Annahme alle Wahrscheinlichkeit für sich, dass die Rede am 8. Nov. und nicht am 7. gehalten ward. Mit dieser Angabe scheinen aber zwei Stellen der zweiten Rede im Widerspruch zu stehen, § 6: omnia superioris noctis consilia ad me perlata esse sentiunt: patefeci in senatu hesterno die, und § 12: hesterno die, cum domi meae paene interfectus essem, senatum in aedem Iovis Statoris convocavi etc. Die letztere Stelle bietet mindere Schwierigkeit, wenn man nach hesterno die interpungirt und diese Worte nur auf den Hauptsatz bezieht. Den Widerspruch der ersten Stelle (§ 6 superioris noctis consilia) sucht Baur (Württembergisches Correspondenzblatt 1869. S. 37) durch die Deutung 'Beschlüsse für die vorletzte Nacht' zu beseitigen; es scheint aber doch eher eine Ungenauigkeit des Ausdrucks vorzuliegen, die dem Cicero bei der späteren schriftlichen Abfassung der Rede unterlaufen ist. Einen anderen Ausweg hat Mommsen versucht (Hermes I, 435), der annimmt, dass die bereits vorgerückte Nachtzeit die Mörder bestimmt habe, die Ausführung ihres Anschlags auf den folgenden Morgen (des 8. Nov.) zu vertagen. Ueber andere Versuche, den scheinbaren Widerspruch zu heben, verweisen wir der Kürze wegen auf die gründliche Kritik von C. John a. a. O. S. 778 ff., der auch auf den neuesten von Weidner (Philol. Anz. 1877, 410 ff.) bereits im voraus eine Antwort bei der Besprechung der Zumptischen Conjectur S. 783 in der Anm. ertheilt hat.

52) Als Motiv des Erscheinens gibt Sallust c. 31 an: dissimulandi causa aut sui expurgandi, si iurgio lacessitus foret.

dass er von allen seinen Schritten und Wegen die genaueste Kunde habe; er ertheilte ihm den gemessenen Rath, der unausbleiblichen Strafe der Gerechtigkeit durch freiwillige Entfernung zuvorzukommen. Die Rede, die sogenannte erste Catilinarische 53), die auch bezweckte den Senat aus seiner unentschiedenen Haltung zu kräftigerem Auftreten zu veranlassen, wurde von Cicero herausgegeben, wie er sie später schriftlich abgefasst hat.

Als der Consul geendet hatte, bat Catilina den Senat mit 18 gesenktem Blicke und bittender Stimme, nicht vorschnell über ihn alles zu glauben. Er stamme aus solcher Familie, habe von Jugend auf so gelebt, dass er alles gute hoffen dürfe. Man möge nicht denken, dass er, ein Patricier, der selbst, wie seine Ahnen, sich hohe Verdienste um das Volk erworben, den Umsturz der Republik nöthig habe, während sich zu ihrem Retter M. Tullius, ein Insasse 54) der Stadt Rom, aufwerfe. Er wollte sich in noch mehr Schmähungen ergehen, als der ganze Senat ihn mit einem Schrei der Entrüstung unterbrach, ihn Feind und Hochverräther nennend, worauf er aus der Versammlung stürzte, mit seinen Vertrautesten, denen er seine baldige Zurückkunft mit Heeresmacht

53) In dem Verzeichniss seiner zur Herausgabe bestimmten consularischen Reden (ep. ad Att. II, 1, 3) bezeichnet Cicero selbst die vier Catilinarischen in folgender Weise: septima cum (cod. Med. quoquom) Catilinam emisi, octava, quam habui ad populum postridie quam Catilina profugit; nona in contione, quo die Allobroges indicarunt; decima in senatu Nonis Decembribus. Da eigentlich nur die erste Rede direct gegen Catilina gerichtet ist, so ist es nicht wahrscheinlich, dass alle vier Reden den Namen orationes in Catilinam getragen haben und Cicero sie nach dieser gewöhnlichen Aufschrift veröffentlicht habe; wir glauben, dass nur die erste oratio in Catilinam geheissen hat, und die folgenden oratio ad populum (oder in contione) und in senatu mit näherer Bezeichnung des Anlasses, wie z. B. die zwei sogenannten Reden post reditum, die auch nicht für oder gegen eine bestimmte Person gehalten sind, nach den besten Quellen die Aufschrift tragen: oratio cum senatui gratias egit und cum populo gratias egit. Die Citationen bei den Rhetoren und Grammatikern sind sehr verschieden. Wo keine nähere Unterscheidung der einzelnen Reden gegeben ist, führen sie am häufigsten als Corpus den Collectivnamen Invectivae in Catilinam, und werden dann nach Büchern citiert. Ist es nun auch wahrscheinlich, dass diese Aufschrift von Grammatikern herrührt, so haben wir sie doch als eine aus dem Alterthum überlieferte Bezeichnung gewählt, zumal da auch nach dem übereinstimmenden Zeugnisse der ältesten Handschriften der Gesammttitel lautet: Invectivarum in Catilinam libri IIII.

54) Sall. 31 inquilinus; vgl. App. de b. civ. II, 2: Katıĥivas d' avtòv ἐς ὕβριν τῶν ἑλομένων (seiner Wähler) ἐπέσκωπτεν, ἐς μὲν ἀγνωσίαν γένους καινὸν ὀνομάζων, ἐς δὲ ξενίαν τῆς πόλεως ἰγκουϊλίνον, ᾧ ῥήματι καλοῦσι τοὺς ἐνοικοῦντας ἐν ἀλλοτρίαις οἰκίαις.

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