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XXXX ERSTER TEIL XXXX

ERSTES KAPITEL.

Der arisch-semitische Rassengegensatz.

I.

Neuere populäre Theoretiker erklären den Judenhaß aus Rassengründen. Der Jude sei stammesverschieden, Semite, er wird darum in der arischen Welt als fremd empfunden, daher sein Schicksal: gesellschaftliche Vereinsamung, Bedrückung, Verfolgung.

Läßt sich diese rassentheoretische Begründung wissenschaftlich belegen?

Die Voraussetzung eines jeden ernst gemeinten rassentheoretischen Antisemitismus müßte der Nachweis sein, daß auch andere Angehörige der semitischen Rasse, Phönizier, Syrer usw., überall, wo sie mit Ariern in Berührung kamen, immer unter einem ähnlichen Druck wie die Juden standen, daß es auch z. B. Phönizier-, Syrer-Ausnahmegesetze und -Pogrome gab.

Die rassentheoretischen Fahnenträger des Judenhasses sind uns diesen Beweis schuldig. Wir wissen das Gegenteil: Die Phönizier in ihren zahlreichen Siedlungen in den verschiedensten Gebieten des Mittelmeerbeckens wurden nie angefeindet, ebensowenig wie die Syrer in ihren spätantiken und frühmittelalterlichen Kolonien in Westeuropa. Die Punier nach Verlust ihrer Unabhängigkeit waren geschätzte Angehörige des Römerreiches und entsandten selbst im 2. Jahrhundert n. Chr. mehrere geachtete Vertreter auf den Thron der Cäsaren. Die noch heute in Europa lebenden unverfälschten Semiten, die eine semitische Sprache bis dato gebrauchenden maltesischen, christlichen Araber, hatten nie unter welcher Repulsion zu leiden. Die in den Hafenstädten Italiens ansässigen Malteser haben nicht das geringste über welche Benachteiligung zu klagen. Der Malteser

name, der dem vornehmsten europäischen Orden anhaftet, bedeutet keinen Schimpf.

Eine natürliche Abweisung aller Semiten durch die Arier gab es nie.

Der Judenhaß ist um so weniger Rassenhaß, als die Juden nicht nur von sog. Ariern nicht gerne gesehen werden, aber auch von den Angehörigen jener,,Rasse“, zu der die Juden gezählt werden, von den semitischen Syrern, Arabern, Abessyniern, ebenso gehaßt, oft auch aufs heftigste angefeindet und verfolgt werden. War der Semite Muhammed den Juden gewogen? Strotzt nicht der Koran vor wütiger Gehässigkeit gegen das Volk der Schrift? Hat die jüdische Martyrologie wenig blutige Karten in den Ländern des arabischen Islam seit Muhammeds Feldzügen gegen die Judenstämme Arabiens, bis auf das neuzeitliche Marokko? Das Judentum Südarabiens befand sich bis auf die jüngste Zeit in einer möglichst gedrücktesten Lage. Und im semitischen Abessynien haben nicht grausame Verfolgungen bis in die letzten Jahrzehnte die Reste Israels schwer dezimiert? Ebenso gehören in Syrien-Palästina die dortigen Semiten seit jeher zu den enragiertesten Judenfeinden. Die Verfolgung großen Stils unter Antiochus Epiphanes war im Grunde ein Werk von hellenisierten Syrern. Die Syrer wie auch die Araber Palästinas sind auch in der Neuzeit scharf antijüdisch orientiert. Es erscheinen selbst in der Gegenwart in Syrien wie auch in Palästina antijüdische antisemitische würde man in Europa sagen, in diesem Falle ein krasser, offensichtlicher, von jedem bemerkbarer Unsinn Zeitungen. Das semitische Palästina war in dem Jahre 1919 selbst der Schauplatz von Judenpogromen und mörderischen Einzelüberfällen von waschechten semitischen Beduinen, von Arabern, auf jüdische Einwohner des Landes.

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Ein den Semiten engverwandtes Volk waren die alten Ägypter. Einen Abscheu vor den Angehörigen des Hebräervolkes ihrerseits notiert bereits die Bibel. Der erste uns bekannte judenfeindliche Autor der Antike war ein ägyptischer Priester, der griechisch schrieb, Manetho.

Der Judenhaß ist bei weitem nicht eine spezifisch arische Erscheinung, er ist auch bei den eigentlichen Semiten zu Hause. Es könnte vielleicht jemand dagegen einwenden, daß doch das einzige Land, wo es die Juden im Mittelalter zu einem glänzenden

Aufschwung brachten, das maurische arabische Spanien war. Die Juden wurden demnach von ihren Rassengenossen einer besseren Behandlung teilhaftig, und ihnen, die damals in andern arischen Gebieten Europas schweren Drangsalierungen ausgesetzt waren, ward infolge paritätischer Stellung ein glückliches, entwicklungsreiches, kulturförderndes Dasein beschieden.

Die Begünstigung der Juden durch die Mauren gehört ins Reich der Fabel. Nach zeitgenössischen christlich-arischen Schriftstellern wurden die Juden in maurischen Landen mehr als in christlichen verachtet, auch ihre gesellschaftliche Position war dort eine niedere, sie waren dort,,Sklaven der Heiden". So lautet ausdrücklich der Bericht des hohen christlichen Prälaten Jacobus de Vitry im 13. Jahrhundert1.

Dieselbe Beobachtung hinsichtlich des maurischen Rekords, den Judenhaß betreffend, findet sich bei verschiedenen jüdischen Autoren diverser Zeiten. Rabbi Bachja der Jüngere erklärte im 14. Jahrhundert, daß kein Volk in der Welt die Juden so haßt wie die Ismaeliten (Araber, Muhammedaner). R. Juda Halevi, der im Kulturkreis des Arabertums lebte, spricht mit tiefem Seufzer von der Bedrückung der Juden: ,,Niedrig und wenig sind sie, von allen verachtet 3." Bei Maimonides vernehmen wir nicht selten ein tiefbetrübtes Ächzen eines Volkes in Not, er mußte selber eine Zeitlang einen islamitischen Marannen spielen. Mit jüdischen Lettern geschriebene Dokumente galten im maurischen Spanien wir entnehmen dies einem Responsum des Maimonides als wertlos, eine in christlichen arischen Ländern jener Zeit unbekannte Einschränkung.

Die größere Prävalenz des Judenhasses gerade in den Ländern des Islam beobachtete noch im 17 Jahrhundert Menasse ben Israel, der bedeutendste politische Wortführer des damaligen Judentums: ,,Unsere Lage unter den Muhammedanern ist viel lästiger und unerträglicher, als unter den Christen, da

1 Jacobus de Vitry: Libri duo, quorum prior Orientalis . . . historiae I 160 Duaci 1597 ...... a Saracenis autem inter quos habitant, magis habentur odio et contemptu quam a Christianis" ipsi apud Saracenos propriis manibus abjectissima et vilia operantes servi sunt paganorum“.

Midrasch Thalpioth s. v. Abraham.

3 R. Juda Halevi: Kusari I, 4.

Maimonides: Mischna Thora, Hilchoth Mathnoth Ebj. X, 2.

Idem: P'er hador No. 7.

solche ein gesittetes, vernünftiges, besser poliertes Volk sind1.“ Menasse ben Israel hatte als holländischer Jude gewiß den Ausblick auf die Lage der Juden in den Ländern des westlichen, meist arabischen Islam in Nordafrika.

Die Juden in maurischen Ländern brachten es aller dings geistig besonders weit. An diesem Aufschwung hatte jedoch keine besondere, rassenmäßig noch dazu begründete Toleranz seitens der Mauren ihre Ursache. Die Juden im Kulturkreis des Arabertums vermochten um die Mitte des Mittelalters hervorragende Werke zu schaffen, einfach aus dem Grunde, weil sie in einem geistig hochstehenden Milieu lebten und, unbekümmert um Druck und Rechtlosigkeit, sich über sie damals die Ausstrahlungen der ins Arabische übertragenen griechischen Philosophie, wie auch die Auswirkungen der einheimischen Denker des Islam, eines Averroës und Avicenna, der Mutaziliten und Mutakalimin ergossen. Vom Einfluß eines hohen Geisteszentrums getränkt, sonst in gedrückter politischer Lage, beschritten die maurischen Juden den Weg eines respektablen philosophischen und sprachwissenschaftlichen Wirkens. Das Kulturwirken der maurischen Juden wickelte sich in strengster Getrenntheit von der Tätigkeit des zeitgenössischen Arabertums. ab. Die Juden des maurischen Spanien schrieben ihre Bücher in arabischer Sprache, aber nie in arabischer Schrift. Es gibt kein einziges jüdisch-arabisches Manuskript aus dem maurischen Zeitalter in arabischer Schrift. Selbst die Sprache der jüdischarabischen Bücher zeigt von der Schriftsprache des arabischen Islam scharfe Abweichungen auf.

Die Mauren in Spanien fühlten sich verwandt sonderbarerweise nicht den Juden nur den Goten. Wieder andrerseits glaubten die Juden seit den letzten Jahrhunderten der Antike, die Römer wie auch die sonstigen dann christlich gewordenen Europäer seien Abkömmlinge von Esau, einem Bruder Jakobs. Die Deutschen meinten in früheren Jahrhunderten, die deutschen Juden wären Nachfahren von Vangionen, die jüdische kriegsgefangene Mädchen bei Eroberung Palästinas durch Titus heimführten 3. Das sagenbildende natürliche Zugehörigkeitsgefühl lief der geschichtlichen Rassenklassifikation oft schnurstracks entgegengesetzt.

1 Menasse ben Israel: Die Rettung Israels.

2 Rabanus Maurus: De Universo, Migne CXI, 44.

3 K. A. Schaab: Diplomat. Geschichte der Stadt Mainz 2; 1885.

Eine tatsächlich relativ günstige Behandlung erfuhren die Juden von Staats wegen seit jeher nur bei einem Volke, das weder semitisch noch arisch ist, bei den turanischen Türken.

Die Rassenverschiedenheit zwischen Semiten und TürkenTuraniern ist jedenfalls eine bedeutend größere als jene, die zwischen Semiten und Ariern konstruiert wird und dennoch ist das türkische Reich das einzige Imperium der Weltgeschichte, wo es Judenpogrome niemals gab. Schon Mendelssohn wies auf die lichte Lage der Juden in der Türkei hin1. Die Türken räumten den Juden vor Jahrhunderten Paritätsrechte in mancher Beziehung ein, die selbst in so manchem Kulturstaate noch im 20. Jahrhundert gegenüber den Juden nicht anzutreffen sind. Die Juden wurden schon im 16. Jahrhundert von den Groß. herren der Hohen Pforte zu diplomatischen Zwecken in christlichen Staaten verwendet, was oft sogar zu Konflikten Anlaß gab. Kaiser Rudolf ließ im Jahre 1599 eine türkische Friedensdelegation, vom Sultan Mehmed gesandt, die aus Juden bestand, in Fesseln schlagen und zu öffentlichen Arbeiten verurteilen, da es ihm unmöglich schien, daß Juden von einem Großstaate im diplomatischen Dienst gebraucht werden könnten, und vermutete hierbei einen Betrug. Die Juden zeigten auch den: Türken gegenüber immer eine besondere Anhänglichkeit. Im' Jahre 1686 verteidigten die Juden auf seiten der Türken Ofen und wurden auch bei Eroberung der Stadt von den christlichen Soldaten Deutschlands schonungslos niedergemacht. Nach der Eroberung Salonikis durch die Griechen im Jahre 1912 zogen auch zahlreiche dortige Juden nach der ottomanisch gebliebenen Türkei ab.

II.

Die Herleitung des Judenhasses aus einem Rassenantagonismus ist um so eher verfehlt, als die Prämisse, daß es innerhalb der kaukasischen Rasse ,,Rassengegensätze“ geben kann, die ständige Völkerkonflikte hervorrufen müssen und die Verfehmung ganzer Kollektivitäten zu veranlassen vermögen, nicht im geringsten feststeht.

Wir hören nie und nirgends davon, daß die andern Nichtarier Europas, die keine Semiten sind, vom arischen Bewußtsein

1 Mendelssohn: Gesammelte Schriften III, 212.

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