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ragendste und einflußreichste Gestalt in der römischen Literatur des 2. Jahrhunderts n. Chr. war der Rhetor Cornelius Fronto aus Cirta in Nordafrika, unter dessen Einfluß alle, die in Rom zur Zeit Marcus Aurelius' wirkten, standen1. Der angesehenste Vertreter der Gelehrsamkeit in jener Zeit war Sulpicius Apollinaris aus Carthago. Lucius Apuleius stammte ebenso aus Madaura in Afrika: „,Durch Lebendigkeit, Originalität und Leichtigkeit der Hervorbringung, nimmt er unter den Schriftstellern des Jahrhunderts einen hervorragenden Platz ein"". Aus Hadrumetum im punischen Afrika stammte auch Salvius Julianus, der einflußreiche Jurist, Sammler der Prätorenedikte aus der Zeit der Republik, Verfasser besonderer Digesten. Ein Afrikaner war auch der spätrömische Dichter Nemesianus.

Das metrische System, das Juba aus Mauritanien in seinem Handbuch entwickelte, ward das herrschende bei den römischen Metrikern. Aus Mauritanien stammte auch der Metriker Terentius.

Das romanisierte Puniertum war kein Abklatsch Roms. Es bewahrte unter römischer Hülle seine Eigenart. Dies kommt klar zum Vorschein, wenn man mit Nordafrika das literarisch ebenso tätige Spanien aus den ersten Jahrhunderten der christlichen Ära vergleicht. Im 2. Jahrhundert n. Chr. tritt Rom vor den Provinzen zurück. Spanien und Afrika übernehmen die Hegenomie. In beiden Provinzen hatten sich die Schulen mächtig entfaltet, dort war es Corduba usw., hier ist vor anderem Carthago ein Studiensitz, der Rom bald überflügelte. Aber,,während die Spanier größtenteils in der Hauptstadt leben und sich ihrem Wesen angleichen, bleiben die Afrikaner unabhängiger, sie bauen auf eigenem Boden". Die Eigenart des latinisierten Puniertums gelangt auch in der Sprache zum Ausdruck. Die nordafrikanischen Lateiner gebrauchen in ihren lateinischen Veröffentlichungen „vielfach Elemente aus der Volkssprache, daneben ahmen sie, namentlich die früheren Fronto, Apuleius, Gellus die vorciceronianischen Schriftsteller nach“, „in der Sprache der Afrikaner zeigen sich viele Züge der Vulgärsyntax früher als anderswo“.

1 Teuffel: Geschichte der röm. Literatur 826, 848.

2 Ib. 859.

• Wilhelm Meyer: Die lat. Sprache in den röm. Ländern. Gröber: Grundriß der röm. Philologie I, 379.

Der Einfluß des nordafrikanischen Puniertums langte gegen Ende des 2. vorchristlichen Jahrhunderts sogar zur zeitweisen Beherrschung des gesamten Römischen Reiches. Was Hannibal nicht erlangte, das vermochten Jahrhunderte später seine politisch entpersönlichten Nachkommen. Auf dem Cäsarenthron saß einige Jahrzehnte eine Dynastie punischen Stammes. Kein Rassenmißton störte. Das Szepter Roms wurde von diesen Imperatoren punischen Geblütes zumeist gerecht und edel geführt.

Kaiser Septimius Severus, der energische Soldat, der Barbarenniederringer, der Reorganisator der römischen Provinzadministration war Punier aus einer nicht einmal richtig romanisierten Familie. Seine Schwester konnte fast kein Latein sprechen und mußte darum nach Hause zurückgeschickt werden (,,cum soror sua Leptitana ad eum venisset vix latine loquens")1. Septimius Severus war ein römischer Kaiser, der noch immer national punisch empfand. Er, der Nachfolger der Cäsaren, errichtete in Libyssa in Bithynien dem punischen Nationalheros Hannibal ein Denkmal. Sein Sohn und Nachfolger Caracalla, ein Verehrer Alexanders, war trotz mancher kuriosen Eigentümlichkeiten der Liebling seines Heeres. Caracalla mit seinem semitischen Gerechtigkeitssinn brachte eine epochemachende Rechtsreform zustande, er verlieh das römische Bürgerrecht an alle freien Einwohner des römischen Reiches. Nicht umsonst bezeichnete ihn Augustinus:,,Lacte christiano educatus". Carcallas Söhne wurden in Syrien erzogen, im semitischen Ursprungslande der Punier, nicht im lateinischen Rom. Der verrückte Heliogabal war syrischer Hohepriester. Eine syrische Erziehung genoß auch der edle, vornehme Alexander Severus. Derselbe interessierte sich infolge seiner orientalischen Erziehung als einziger heidnischer Kaiser Roms für das Alte Testament, das er oft zitierte, und ist wahrscheinlich mit jenem Kaiser Antoninus identisch, den die jüdisch-talmudische Sage für einen Proselyten erklärt und mit dem Patriarchen Juda Hanassi befreundet sein läßt. Die Griechen schimpften ihn einen Archisynagogus. Alexander Severus unterbrachte in seinem Lararium neben den heidnischen Heroen Orpheus und Apollonios die im

1 Spartianus: Sev. 19, 9.
• Historia Augusta c. 56.
Aboda Sara 10b.

ganzen Orient verehrten Gestalten Abrahams und Christi. Alexander Severus blieb im Gedächtnis der Römer als einer der besten und vernünftigsten Herrscher, der gerecht und milde regierte und dem überhandnehmenden Verfall, der Unzucht und dem Räubertum einer zügellosen Soldateska zu steuern suchte. Ein Abkömmling von Nordafrikanern war auch der Kaiser Didius Julianus, der von dem in Hadrumetum geborenen Juristen Salvius Julianus stammte. Die phönizischen Kaiser punischer Herkunft waren ihrem angestammten Nationalglauben treu geblieben. Septimius Severus und Caracalla gefielen sich darin, Hercules und Bakchos, die Sieger des Orients, als die Götter ihres Hauses zu verehren 1.

In Nordafrika formte sich auch die sogenannte lateinische Kirche. Die christliche konfessionelle Selbständigkeit Roms des Mittelalters und der Neuzeit war ein Geschenk des punischen Nordafrika. Fast alle großen Bannerträger der alten römischen Kirche waren Nordafrikaner, so Tertullian wie auch Augustinus, der sogar national afrikanisch fühlte (Apuleius, ut de illo potissimum loquimur, qui nobis afris, afer notior est), so auch Laktanz, Cyprian usw. Aus Sicca in Numidien stammte Arnobius. Ein Nordafrikaner war auch der christliche Dichter Dracontius, wie auch der Urheber der vergleichenden christlichen Chronologie, Julius Africanus.

Das geistige Leben regte sich in Nordafrika noch zur Zeit, als schon in allen Teilen der römischen Westhälfte ein fürchterlicher kultureller Niedergang sich breitmachte und das Ariertum in einer wüsten Stupidität hindämmerte. Im 6. Jahrhundert waren alle nennenswerten christlichen Schriftsteller, mit der einzigen Ausnahme des Eugippius, der Provinz Afrika und Nordspanien angehörig 3.

Über die Teilnahme an der römischen Literatur vergaßen auch die Punier nicht das eigene geistige Heim. Es werden christliche Psalmen in punischer Sprache von Augustinus erwähnt.

Die Punier, die der lateinischen Kultur solche Dienste leisteten, besaßen zur Zeit der arabischen Invasion noch die geistige Kapazität, um auch den Arabern Kulturinhalt zu liefern.

1 Preller: Römische Mythol. 57.

. Augustinius: Epistolae CXXXVIII.

'Teuffel: Geschichte der römischen Literatur 476.

Die Phönizier dürften auch die nichtrömischen Italiker noch in der vorrömischen Blütezeit beeinflußt haben. Dafür spricht so manches bei den Etruskern, das an assyrobabylonische Vorbilder erinnert und nur über phönizische Vermittlung gekommen sein konnte. Gegenstände in assyrischem Stil wurden in etruskischen Gräbern bei Regulini-Galassi in Cerveteri gefunden. In der Isis-Grotte in Vulvi wurden sogar Hieroglypheninschriften festgestellt1. Die etruskische berühmte Bronzeleber von Piacenza weist eine auffallende Ähnlichkeit mit den babylonischen Abbildungen auf. Die ganze etruskische Divinationslehre zeigt sich von der assyrischen Vorbedeutungslehre stark beeinflußt. Übereinstimmungen lassen sich nachweisen in bezug auf den ungünstigen Charakter von Kometen, so auch bei den Deutungen hinsichtlich der Geräusche und Töne, die aus der Erde kommen, dann auch bei einer Anzahl gleichartiger Tier- und Geburtsomina. Cicero berichtet, daß die etruskischen Haruspices das Sichwinden einer Schlange um ein schlafendes Kind auf künftigen Ruhm deuteten ; dasselbe findet sich ausdrücklich in assyrischen Texten 5. Der Gott Atunis, dessen Name auf etruskischen Spiegeln unterhalb von Darstellungen eines Götterpaares vorkommt und mit Adonis identifiziert wird, soll jedoch über griechische Vermittlung nach Etrurien gekommen sein".

E. Die Syrer und das Römertum.

Hervorragenden Anteil hatten auch die Syrer, die nach Rom in der späteren Antike übersiedelten, am Geistesleben des Okzidents. Juvenal gedenkt in einer seiner Satiren, wenn auch unzufrieden, des Einflusses, den die Syrer in Rom auf Sprache, Sitten und Musik ausüben, er meint, der syrische Orontes habe sich schon längst in den Tiber ergossen. Der bedeutendste römische Grammatiker war Valerian Probus aus Berytus. Als römischer Dichter tat sich Publius Syrus aus Antiochien her

1 G. Ebers: Annali dell' Institute LV, 76–132 cf. Pietschmann: Die Phōnizier 289.

Jastrow: Religion Assyriens II, 49.

3 Ib. II, 744.

• Cicero: De Divinatione I, 36.

"Jastrow II, 942.

• Baudissin: Adonis 361.

vor, ein Theaterschriftsteller, dessen Dramen einen reichen Schatz von Sprüchen der Lebensweisheit enthielten, die im Auszug sich bis auf unsere Zeit herüberretteten. Im 4. Jahrhundert n. Chr. war der Historiker Ammianus Marcellinus aus Antiochien der bedeutendste Repräsentant des noch heidnisch gebliebenen Römertums. Das römische Recht wurde in der Hauptsache von Syrern kodifiziert. Gaius, dessen Institutiones als Grundlage für die Institutiones Justinians dienten, stammte aus dem Osten, desgleichen war Papinian, ,,bei dem sich das kosmopolitische Genie der Rasse zeigt", ein Syrer, „zeichnet sich aus nicht bloß durch juristische Genialität, durch die Sicherheit und Klarheit, womit er einen einzelnen Fall beurteilt, sondern auch durch das lebendige Gefühl für Recht und Sittlichkeit, wodurch er über die Schranken des Nationalen sich vielfach erhebt"1. Juristen aus Syrien waren auch Julius Paulus und Herrenius Modestinus.

Auch die römische Technik wurde in der Kaiserzeit von Syrern beherrscht. Der größte Architekt der römischen Kaiserzeit war Apollodor aus Damaskus.

Die Zahl der Syrer, die für die lateinische Kulturart wirkten, war gewiß noch bedeutend größer. Abkömmlinge von nach Italien eingewanderten Syrern, die längst romanisiert wurden, können auf ihre Abstammung nicht mehr geprüft werden. Auch so mancher Sohn eines Freigelassenen war sicherlich der Nachkomme von aus Syrien eingeführten, im kaiserlichen Rom zahlreich vorhanden gewesenen Sklaven, nur kann dies heute nicht mehr festgestellt werden. Söhne von Freigelassenen waren Horaz, Juvenalis wie auch der Historiker Julius Hyginus, die waren als solche gewiß keine Römer, keine Italiker, sondern aus der Fremde hergestammt. Woher? Dies kann mit den heutigen Mitteln nicht mehr eruiert werden.

Mit dem Falle Roms und dem Verfalle Westeuropas ließen die im Abendland ansässigen Syrer ihre Hände nicht sinken, sie bestrebten sich, hier, wie weit möglich, die Reste der Zivilisation zu retten, in den von den arischen Germanen überfluteten Gebieten Ansätze zu einem neuen Kulturleben zu schaffen. Die syrischen Kolonisten Westeuropas zu Beginn des Mittelalters spielten dort eine Zeitlang eine dominierende Rolle. Im 5. Jahr

1 Teuffel 868.

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