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Gericht der Fremdgläubigen wendet1. Ein bedeutender Gesetzeslehrer des ausgehenden, ersten nachchristlichen Jahrhundert, R. Tarphon, lehrte bereits: Überall wo du Gerichte (Agora) der Nichtjuden findest, deren Urteile sogar mit denen der Juden zusammentreffen mögen, darfst du nicht an diese dich wenden. Der große jüdische Kodifikator des 12. Jahrhunderts Maimonides verbietet das Sich-Prozessieren von Juden nach nichtjüdischem Recht oder vor nichtjüdischem Gericht als Gotteslästerung 3. In Ägypten beschlossen die Rabbinen im Jahre 1157, daß kein Jude ein muhammedanisches Gericht aufsuchen darf. Im Ritualbuch Kolbo (§114) aus dem 14. Jahrhundert wird ein großer Bann erwähnt gegen jeden Juden, der einen zweiten vor ein christliches Gericht zitiert. Den Bann beschlossen nach einer Beratung,,die Alten von Troyes und dessen Weisen, die Großen der Loire, die Weisen der Rheingrenze, unsere Rabbinen in Paris, die klugen Räte von Guyenne und Carpentras, der Lombardei und von Poitou und die Großen Lothringens."

Der Judeneid läßt sich bis auf Karl den Großen und Ludwig hinaufdatieren und schloß sich im Grunde an eine talmudische Eides formel an 6.

Das jüdische Verbot der Verehelichung mit Andersgläubigen findet sich schon im Pentateuch, wurde von Esra im 5. vorchristlichen Jahrhundert strengstens durchgeführt, und zur Vorbeugung der Möglichkeit von Mischehen wurde zur Hasmonäerzeit eine ganze Serie von separatistischen Gesetzen erlassen".

1 Mchiltha Exodus 31, 1.

Gittin 88.

Maimonides: Hilchoth Sanhedrin XXVI.

4 Neubauer: Anecdota I, 133.

Aronius: Regesten 77, 28.

Baba Mzia 44a.

'Sabbath 13a, Aboda Sara 35b.

ELFTES KAPITEL.

Konfession und Kultureigenart.

I.

Aus der separatistischen Kultureigenart der Juden kann noch kein Ausnahmscharakter der Judenheit gefolgert werden, dessen Konsequenz eine besondere Aversion aller Welt gegen sie sein müßte.

Das Rätselhafte an der Kultursonderart der Juden kommt daher, daß die Soziologen und Völkerkundler außer acht ließen, daß die Religion in ihrer angewandten Gestalt ein gesellschaftlicher Faktor von allererster Bedeutung ist.

Die ewige Kulturheterogenität der Juden liegt daran, daß sie immer von ihrer Umgebung konfessionell verschieden waren, und nicht an den Juden als solchen. Überall in aller Welt bewirkt die Verschiedenheit des Glaubens ein Auseinandergehen in allen Offenbarungen des geistigen, zivilisatorischen wie auch gesellschaftlichen Lebens ganz derselben Art wie bei den Juden. Selbst dort, wo die Religionsverschiedenheit durch gemeinsame Abstammung, Sprachgemeinschaft und politische Zusammengehörigkeit seit unvordenklichen Zeiten überbrückt wird, erzeugt immer und allenthalben die konfessionelle Differenz in unerbittlicher Konsequenz auch starke Abweichungen auf jedem Gebiete des Kultur- und Gesellschaftslebens.

Alle die bei den Juden festgestellten auffälligen, extraordinär scheinenden Kulturverschiedenheiten und perpetuellen Abweichungen in den Formen des alltäglichen Kollektivdaseins sind auch bei allen anderen Bekennergruppen der Erde, wenn diese nur historischen Charakter haben, zu beobachten.

Mitglieder getrennter religiöser Organismen haben auch überall ein eigenes gesondertes Kleiderideal. In Bosnien kann bei dem dortigen Bauernstand an der Kleidung sofort die Konfession erkannt werden1. Bei den bosnischen Frauen besteht je nach der Religionsverschiedenheit eine besondere Haartracht bei den Katholiken, Orthodoxen und Muslims.

In muhammedanischen Ländern war seit jeher eine besondere Tracht der Christen Vorschrift der Regierung.

Sultan Hakim erließ in Ägypten noch im 11. Jahrhundert Kleidergesetze, sowohl Juden wie Christen betreffend. Noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts durfte kein Rajah im Nillande einen weißen oder grünen Turban tragen. Rajahweibern war es nicht gestattet, weiße Pantoffeln wie die Türkinnen zu tragen, sondern sie mußten sich mit roten, blauen oder schwarzen begnügen, je nachdem sie Griechinnen, Armenierinnen oder Jüdinnen waren. Die grüne Farbe als Farbe des Propheten war allen jenen verboten, die nicht Anhänger der Religion des Propheten sind. Dagegen mußte jeder Rajah als Untertan des Sultans den Fez tragen. Im 18. Jahrhundert durften in Ägypten keine Nichtmuhammedaner gelbe Pantoffeln tragen 5.

In der Türkei war die Verschiedenheit der gesamten Kleidung der Christen wie der Juden seit Jahrhunderten gesetzlich normiert. Sobelmützen gestattete Suleiman der Große christlichen Ärzten als besonderes Vorrecht, das jedoch von Muhammed II. aufgehoben wurde. In Syrien trugen im 16. Jahrhundert die syrischen Christen besondere Wollgürtel'. In Nablus tragen in der Gegenwart die wenigen Samaritaner, zum Unterschied von Christen und Muslims, rote Turbane 8. Im frühen Mittelalter, als es in Syrien noch Heiden gab, trugen diese für sie charakteristisches, langes, herabwallendes Haar und enge

1 Renner: Bosnien 3, 94.

Mitteilungen des bosn. Instituts für Balkanforschung II, 506.

3 Wolff: Geschichte der Drusen 235.

Alethes 32 f.

5 Niebuhr: Reise nach Arabien I, 159.

Herbelot: Bibliotheque orientale 440. Fegnon: Arabo Judaica in Mélanges Dernbourg 103, Paris 1909.

'Brocardus: Locorum terrae sanctae descriptio: Orbis etc. 324.

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Leibröcke, solche, die zum Islam übertraten, gaben diese Tracht sofort auf 1.

Desgleichen sehen wir auch außerhalb des gegenwärtigen oder ehemaligen Herrschaftsgebietes des Türkentums. In Persien müssen die dortigen winzigen Reste der Feueranbeter Kleider von bestimmter Farbe und bestimmtem Schnitt tragen". Scheinbar wird zuweilen die besondere Tracht der andersgläubigen Minorität von der herrschenden Religionsmehrheit zu Ächtungszwecken angeordnet. Die Anordnungen sind jedoch überflüssiges Begleitorchester. In Bombay wurden die Parsen nie zu bürgerlichen Außenseitern gestempelt, nichtsdestoweniger fallen diese sofort durch ihre Tracht auf: alle gleichmäßig in schwarzen Röcken, weißen oder gelben Beinkleidern aus Rohseide, in der Hand, auch bei schönem Wetter, den schwarzen Schirm, auf der Nase eine Brille und auf dem Kopfe eine niedrige schwarze Kappe3. In Afrika hält die Kleidermode ebenso mit der religiösen Ausbreitung Schritt. In diesem schwarzen, von religiösen Unterdrückungen im Innern freien Weltteile kleiden sich die muhammedanischen Neger überall anders als die heidnischen. In der Türkei unter den Rajah selbst besteht keine einheitliche Tracht, sondern jede Konfession sucht einen besonderen Ausdruck in der Kleidung. Die Regierungserlässe bezüglich der Rajahtracht hatten keine neuen Zustände zu schaffen, sondern von der Natur der Religionsformationen gegebene Verhältnisse zu überwachen. In Cochin unterscheiden sich die Muslims von den Hindus, daß sie Beinkleider tragen.

Geradeso wie in muslimischen Ländern Christen und sonstige Andersgläubige, hingen auch in christlichen Ländern Anhänger verschiedener Religionen dem eigenen Kleidergeschmacke nach. Als die Bulgaren im 9. Jahrhundert sich zum Christentum bekehrten, richteten sie an den Papst eine Anfrage, ob ihnen das Tragen der bisherigen Tracht gestattet ist. Die Kurie unter Innozenz III. im Jahre 1215 untersagte nicht nur den Juden, aber auch den Muslims das Tragen derselben Klei

1 Chwolson: Die Ssabier I, 459.

Geiger: Grundzüge der iran. Philologie I, 2, 380.
Richard E. Spitz: Begegnungen 30. Wien 1909.
Ratzel: Völkerkunde I, 639.

5 G. Oppert: Semitic Studies in memory of Kohut.

6

Epistola Papae Nicolai ad Bulgaros. Migne Patrol. lat. LXXXVI.

dung wie die Christen. Unter dem Einfluß dieser Entscheidung wurde im Jahre 1300 der Versuch gemacht, die Muhammedaner Arragons zu einer besonderen Haartracht zu zwingen. Im Jahre 1371 wurde in Kastilien gleichzeitig den Muhammedanern und Juden zur Pflicht gemacht, „a badge“ zu tragen. Die Sekte der Waldenser in Piemont im 13. Jahrhundert fiel durch ihre ungewöhnliche Kleidung auf. Von der christlichen Sekte der Duncards in Pennsylvanien wird im 18. Jahrhundert berichtet, ,,sie sind fast wie die Kapuziner, oder die italienischen Bauern gekleidet, sie tragen eine lange weiße Robe, die ein Kamisol bedeckt und von einer Kapuze überdeckt wird, die als Hut dient." Auch die Frauen tragen dieselbe Tracht3. Die mittelalterlichen Bogumilen trugen eine besondere Mönchskleidung. Die protestantische Sekte der Mennoniten behält in ihren galizischen Ansiedlungen zähe ihre Kleidung bei. Die streng konservativen Mennoniten fallen auch noch dadurch mit ihrer Tracht auf, daß sie statt Knöpfe Drahthafteln tragen3. Die pravoslave Sekte der Lippowaner in der Bukowina zeichnet sich durch ihre eigenartige buntfarbige Tracht aus. August Compte's soziologische Religion schlug ihren Anhängern besondere Kleidungsformen vor. Im modernen Europa ist der orientalisch-pravoslave Einwohner Rußlands durch die flache Kappe mit dem Schild, durch das sogenannte Kaschket, charakteristisch. Der kalvinistisch-anglikanische Brite nimmt durch seinen Dreß eine gewisse eigenartige Stellung ein. Die Muslims Bosniens verfechten in ihren Zeitungen das Festhalten' am Fez als Kennzeichen der muhammedanischen Glaubenszugehörigkeit.

Zu den symbolischen Handlungen des Kultus gehört überall in der christlichen Welt eine besondere Uniform, ein Ornat. Auch bei den heidnischen Völkern des Altertums, bei den Ägyptern, Syrern, Phöniziern, Phrygern und auch griechischen Orphikern kann eine besondere gottesdienstliche Kleidung festgestellt werden.

1

1 Henry Charles Lea: The Moriscos of Spain 8. London 1901. Hahn: Ketzergeschichte des M. A. II, 296.

• Surgy 225.

• Hahn I, 49.

5 J. Vinz. Goehlert: Die Karäer und Mennoniten in Galizien 14. Wien 1862. • Chwolson: Die Ssabäer II, 713.

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