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Eid zu leisten, daß sie nach ihren eigenen religiösen Normen diesen als heilig ansehen 1.

Da die Ehe in der Geschichte bis auf die Neuzeit überall eine rechtlich-religiöse Institution war und auch derzeit bloß eine Minderheit von Staaten profane bürgerliche, sogenannte Zivilehen kennt, ergab sich daraus, daß Ehen unter Bekennern verschiedener Religionen in religiös konsolidierten Verhältnissen niemals zulässig waren.

Die alten Christen weigerten sich, mit Heiden Eheverbindungen einzugehen, obwohl sie desselben Blutes waren. Cyprian schreibt:,,Jungere cum infidelibus vinculum matrimonii, prostituere gentilibus membra Christi“ (=Mit Ungläubigen ein Ehebündnis schließen, heißt, den Heiden zur Schändung die Glieder Christi ausliefern). Tertullian widmete eine ganze Schrift der Warnung, daß seine Frau nach seinem Tode keinen Heiden heirate (Ad uxorem). Zwischen Juden und andern autochthonen blutsverwandten Ungläubigen wurde kein Unterschied gemacht. Der 16. Kanon der Synode zu Elvira beschloß: ,,Neque Judaeis neque haeriticis (filias) dare placuit, eo quod nulla possit esse societas fideli cum infidele" (= Keinem Juden oder Ketzer sei eine Tochter zu geben, da keine Gemeinschaft zwischen einem Gläubigen und Ungläubigen bestehen kann). Heiraten zwischen den einzelnen Religionsparteien des abendländischen Christentums galten bis ins 19. Jahrhundert hinein als verpönt, oft als strafbar. In England wurde im Jahre 1746 ein Priester aufgehängt, der eine Ehe zwischen einem Katholiken und Protestanten schloß. In seinen Memoiren aus der Wende des 18. Jahrhunderts schreibt Laukhard, daß ein Katholik ihm seine Tochter verweigerte, „ich wäre lutherisch und er würde nimmermehr zugeben, daß seine Tochter sich mit einem Menschen beringe, der nicht ihres Glaubens ist "". Die Zahl der katholisch-protestantischen Mischehen ist noch heute in Deutschland keine übergroße. Die süddeutschen katholischen Fürstenhäuser, einschließlich der Habsburger, halten sich von jeder Verehelichung mit ihren protestantischen Konnationalen fern.

Unter den Protestanten selber enthielten sich einzelne Unter1 Revue des Études juives XLVI, 1.

Cyprianus: De lapsis.

3 F. Chr. Laukhard: Leben und Schicksale I, 35. Stuttgart 1908.

sekten voneinander hinsichtlich des Konnubiums. In England wurden gleichmäßig wie die Juden auch die Quäker von dem alten Clandestine Marriage Acte ausgeschlossen. Im Jahre 1836, als die ersten Gesetze betreffs der Registration der Ehen erlassen wurden, erging die Bestimmung, daß jeder Geistliche der englischen Kirche auch Zivilregistrator für Mitglieder dieser Kirche sein soll. Die Dissenters und Juden bekamen eigene Registratoren. Die frommen Anglikaner wollten keine Andersgläubigen ins Eheregister aufnehmen1. Die Mennoniten in Preußen, Baden, Württemberg halten an dem Verbot fest, sich mit andern Religionsverwandten zu verheiraten, und bestrafen jetzt noch jede Übertretung mit dem Ausschluß aus der Gemeinschaft. Bei den Unitariern darf der zum Geistlichen Beordnete nur mit einem Frauenzimmer seiner Religion sich ehelich verbinden 3.

Katholische, protestantische Christen dürfen von Schismatikern nicht geehelicht werden, es sei denn, daß jene den Glauben wechseln. Deutsche Fürstinnen, die russische Mitglieder der Dynastie heirateten, vertauschten immer ihre Konfession mit der Byzanz'. Christen durften Muslims selbst im Orient noch im 18. Jahrhundert,,nach dem Befehl des französischen Königs nicht heiraten" ".

Eheschließungen kommen nicht auch im russischen Süden zwischen den dortigen Kryptomuhammedanern und den Russen vor, obwohl erstere seit dem Jahre 1740 formell als Christen leben. Zu bemerken sei, daß Verbindungen zwischen Russen und echt christlichen, getauften Wotjaken, Mordwinen usw. nicht zu den Seltenheiten gehören3.

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ZWÖLFTES KAPITEL.

Die jüdischen Kultureigentümlichkeiten und der moderne Interkonfessionalismus.

I.

Daß tatsächlich die jüdische Kulturverschiedenheit innerhalb fremder Landesmajoritäten einzig und allein im jüdischen Konfessionalismus wurzelte und es sich hier nicht um einen essentiell am Charakter, am plasmatischen Wesen des Judentums hängenden spezifischen Grundzug handelt, geht klar aus der Tatsache hervor, daß, als mit der Verweltlichung des europäischen Geisteswesens seit der Abnahme des Glaubenseifers in den Kreisen der Intelligenz und auch großer Volksteile seit dem 18. Jahrhundert, die konfessionellen Kulturverschieden. heiten und Gesellschaftstrennungen innerhalb der diversen Glaubensgruppen Europas sich schwächten oder gar vollständig fortfielen, auch die auffälligen jüdischen Kultureigentümlichkeiten, die so lange den Stürmen der Verfolgungen des Mittelalters und dem Zahne einer mehrtausendjährigen Zeit zu trotzen wußten, im ganzen westlichen und zum Teil auch im östlichen Europa ihr Ende fanden.

Das 18. Jahrhundert bedeutet einen der wichtigsten Einschnitte in der Geschichte der Menschheit. Das Zügenglöcklein läutete für das Zeitalter konfessioneller Kulturen. Die erwachenden Wissenschaften versetzten dem Fanatismus einen Todesstoß. Es erlosch das Feuer der Autodafés. Ketzergerichte verstummten. Religionskriege hörten in Europa so gut wie auf. Gleichzeitig begann auch die scheidende Kluft zwischen den

Protestanten und den Katholiken im Alltagsleben überbrückt zu werden. Die Protestanten gaben allenthalben ihren Sonderkalender auf, ein großer Teil der Protestanten nahm auch von der Fraktur Abschied. Die Literatur wurde eine bürgerliche Angelegenheit. Die deutschen Katholiken leisteten auf ihre besondere oberdeutsche Schriftsprache Verzicht. Die Schule wurde ein Politicum, dem Patronat der Kirche, dem Angewiesensein auf Kleriker-Lehrkräfte entzogen, und vielerorts entstanden auch interkonfessionelle Schulen. Den Messebesuch kontrolliert keiner mehr. Beichte ist keine Zwangsangelegenheit mehr. Dem Papst wie den deutschen Kirchenfürsten wurden ihre Patrimonien und Fürstentümer entzogen. Das kanonische Recht verlor jede Bedeutung für die bürgerliche Gesellschaft. Das Gericht gestaltete sich restlos in eine Institution, die über den Konfessionen steht. Die Ehe bekam in vielen west- und mitteleuropäischen Ländern einen zivilen Charakter. Die Mischehe zwischen Katholiken und Protestanten wie auch zwischen den einzelnen protestantischen Sekten ist zulässig geworden und gewann immermehr Widerhall. Die Speiseriten der alten Christenheit, so hinsichtlich des Pferdefleisches wie auch der Fastenzeit, wurden obsolet, gerieten zumeist in Vergessenheit., Kunststile durchbrachen die Schranken konfessioneller Gruppen. Das Heer, wurde im ganzen Abendlande interkonfessionell.

Dem die protestantisch-katholische Interkonfessionalisierung anbahnenden Abendland trat seit Peter dem Großen über die Leichen der konservativen reformfeindlichen Strelzi, auch das durch die gähnende Kluft des Schisma bis nun vom Okzident meilenweit geschiedene griechisch-orthodoxe Rußland langsam bei. Peter der Große ernannte sich zum administrativen Oberhaupt der prawoslawen Kirche und näherte das moskowitische Volk wie möglich an die westlichen Nationen. Die frommen, zeitgenössischen Rechtgläubigen Rußlands schalten den reformierenden, profanisierenden Peter den Antichrist. Rußland gab nun seine Ära und den bei ihm üblichen Jahresbeginn zugunsten deren der katholisch-protestantischen Welt auf. Der Ductus der Kyrillitza wurde auch dem Lateinalphabet angeähnelt. Europäische Literatur- und Kunstmuster wurden den Russen zum Vorbild. Die alte Kirchensprache wurde aus dem lebendigen Schrifttum verscheucht. Die russischen Schulen nahmen in ihrer Mehrzahl von ihrer Verbindung mit der Kirche

Abschied. Europäisches Wissen wurde zum Lehrgegenstand bei ihnen. Die Kleider der Intelligenz wurden dieselben wie im Abendlande. Mischehen mit Andersgläubigen wurden gestattet. Von konfessionellen Gerichten verschwand jede Spur.

Diese interkonfessionalisierende Kulturbewegung schlug im 19. Jahrhundert auch nach der muslimischen Türkei Wellen herüber, wenn auch hier die Opposition der Traditionsgläubigen wegen des tieferen Religionsunterschiedes zwischen dem Koran und dem Evangelium und auch infolge der Tatsache, daß das logisch-klare Dogma des Islam nicht so leicht in Erschütterung durch das moderne Wissen gebracht werden konnte als der christliche Trinitäts-Menschenwerdung- und Eucharistie- Gottessensglaube, das credo quod absurdum est. „Die Veränderung im Schnitt eines Kleidungsstückes, die Annahme einer neuen Kopfbedeckung und die Einführung eines modernen Wissenszweiges hat überall in der Islamwelt die Geister empört und zum Widerstand gereizt. Sultan Mahmud mußte die antireformatorischen Leidenschaften der Türken im Blute der Janitscharen ertrinken." Ähnlich war es auch in Ägypten; hier mußte den Reformen Mehemeds der Massenmord der Mameluken vorangehen. Teilweise verbürgerlicht wurde das Recht in der Türkei erst vor einigen Jahren, als dort das Scheriatgericht dem Justizministerium mit dem Gesetze vom 12. März 1917 unterstellt wurde. Versuche, das Heer zu interkonfessionalisieren, gab es im Ottomanischen Reiche während des Weltkrieges.

Der Luftzug der Enzyklopädisten gelangte im 18. Jahrhundert auch zu den Juden. Der jüdische Religionseifer nahm ab. Immer größere Teile des deutschen und weiter westlich gelegenen Judentums verloren für die Riten, Wahrheiten und Einrichtungen der Synagoge jedwedes Interesse. Noch im Jahre 1740 konnte es vorkommen, daß ein Jude Abraham Posner durch einen von der Berliner jüdischen Gemeinde erwirkten königlichen Befehl gezwungen werden konnte, den Bart wachsen zu lassen. Der Großvater von Bleichröder wurde aus Berlin für das Lesen eines deutschen Buches von der jüdischen Gemeinde ausgewiesen. In einigen Jahrzehnten später begann es mit Sturmschritten anders zu werden. Der jüdische Glaube, bis nun dauerhafter als Erz, konnte dem Einfluß der modernen Freigeisterei keinen Widerstand bieten.

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