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unser Volk seinen Christenglauben für heilig hält." Moses Heß, der Anhänger Holdheims, erklärte, dessen tiefsinnigen Äußerungen über Ehen mit Nichtjuden nicht ganz folgen zu können, weil das streng kirchliche Christentum dem Judentum dogmatisch so fernstehe. Nichtsdestoweniger hat das Konnubium zwischen Juden und Christen in den letzten Jahrzehnten in den größeren, religiös indifferenten Städten West- und Mitteleuropas einen ungeheuren Umfang angenommen. Mischehen zwischen Juden und Christen bilden in manchen Städten des fortgeschrittenen Abendlands die Mehrzahl der von Juden geschlossenen Ehen.

Mischehen kamen zwischen Juden und Christen im Mittelalter zu dessen Beginn vor, als noch der Einfluß des Christentums in den europäischen Massen recht oberflächlich war und die vom Orient damals abgeschnittenen okzidentalischen Juden keine Fühlung mit der konfessionellen Überlieferung besaßen. Ein völkischer Antagonismus regte sich nicht. Erst die offizielle Kirche suchte damals dem Konnubium zwischen Juden und Christen zu steuern, wie auch fromme Könige gegen dieses Mischehewesen damals auftraten. Gondebald, König von Burgund untersagte im Jahre 500 Ehen zwischen Juden und Chri sten, desgleichen erließ diesbezügliche Verbote das Konzil von Orleans im Jahre 533, so auch das Konzil von Clermont. Das Konzil von Orleans bestimmte im Jahre 538 als Strafe für eine Ehe mit Juden Ausschluß von der Kommunion, bis die Ehe nicht getrennt ist1.

Das Verbot des jüdisch-christlichen Konnubiums zeitigte unter den Juden selber eine ganz eigenartige Wirkung, als ein Teil der Juden in Spanien aus Notwendigkeit sich in ein Scheinchristentum einlebte und unbewußt den außerkultischen Modus vivendi der Christen als den eigenen akzeptierten. Die Marranen mieden nach ihrer Flucht aus der pyrenäischen Zwangsanstalt jedes Konnubium mit jenen Juden, deren historisch-religiöse Kontinuität nie gestört wurde. Sephardim verbinden sich mit Aschkenasim noch heute nur sehr selten. Dies bemerkte schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein eng

1 Treitschke 9.

2 Ritter III, 219.

s Aronius: Regesten 6 ff. 10.

licher Autor Cracroft1 aus jenem britischen Eiland, wo die Sephardim aus ehemaligen Marranen sich rekrutieren.

Ebenso schwand bei der Mehrzahl der neueren Juden seit dem Aufklärungszeitalter der Gebrauch des eigenen Kalenders im Alltag, der Bestand eines eigenen Speisezettels, die eigenen Vornamen.

Der Sturz des Konfessionalismus zeitigte im Abendland überall den Zusammenbruch der jüdischen Kulturselbständigkeit.

1 Cracroft 92.

DREIZEHNTES KAPITEL.

Der jüdische Wucher und der Judenhaß.

I.

Also wo liegt die Wurzel des Judenhasses, wenn eine Herleitung desselben aus Rassen- oder kulturpsychologischen Gegensätzen nicht stichhaltig ist?

Der Judenhaß sei bloß eine Auflehnungsform der Massen gegen den jüdischen Wucher, gegen die geldwirtschaftliche Ausbeutung der Juden durch die Einheimischen, behauptet eine recht populäre Meinung.

Die Verteidiger dieser These müßten vor allem den Nachweis erbringen, daß der Wucherbetrieb der Juden so alt wie der Judenhaß ist und daß allenthalben, wo Judenverfolgungen stattfanden, eine exzessive Auswucherung des Volkes durch die Juden feststellbar ist und daß in allen judenfeindlichen Auslassungen seit jeher der Vorwurf des Wuchers an erster Stelle sich befindet.' Der Tatbestand ist jedoch in Wirklichkeit ein ganz anderer. Der Wucher ist bei den Juden eine relativ junge Erscheinung der zweiten Hälfte des Mittelalters.

Von Antiochus bis Hadrian und darüber waren die Leiden und die Verfolgungen der Juden in Alexandrien, Cypern und anderswo in den verschiedensten Ländern des Mittelmeerbeckens oft fürchterlich, grauenerregend, dem ganzen Stamme Israel schien zuweilen der Untergang bevorzustehen; griechische und römische Schriftsteller begleiteten diese Vernichtungsaktion mit Geifer und Gischt, doch findet sich nirgends in den gesamten judenfeindlichen Texten der antiken Autoren nur die geringste Erwähnung einer irgendwie zu bemängelnden wirtschaftlichen Tätigkeit der Juden. In keiner gehässigen Darstellung aus dem

klassischen Altertum wird mit einem Sterbenswörtchen eines etwaigen jüdischen Wuchers gedacht. Ebensowenig ist es der Fall in den gehässigen Anfechtungen der Juden bei den verschiedensten christlichen Autoren bis über das erste christliche Jahrtausend hinaus. Sowohl Amulo wie auch sein Zeitgenosse Agobard, die sich im 9. Jahrhundert alle mögliche Mühe gaben, um das westfränkische Judentum bloßzustellen, verächtlich zu machen, und zu diesem Zwecke verschiedene Lächerlichkeiten ersannen, wissen von einem Vorwurf des Wuchers nicht das mindeste.

Das altrabbinische Schrifttum war gegen jeden Wucher. Nach talmudischer Vorstellung darf selbst an Heiden kein Geld zu Wucherzwecken geliehen werden1, Zinsennehmer galten nach dem Midrasch als Sünder. Auf die Bemerkung eines Heiden, daß ein bestimmter Jude entweder wie ein Schweinezüchter oder wie ein Wucherer ausschaut, erwidert der Jude nach dem talmudischen Bericht: Beides ist den Juden nicht gestattet. Die altrabbinische Sage erzählt, daß von den Toten des Tales Dura, die Ezechiel belebte, nur einer nicht auferstanden sei, nämlich ein solcher, der zu seinen Lebzeiten Wucher trieb. Ausnahmsweise gestattet der jerusalemitische Talmud, Zinsen bei den Samaritanern zu Cäsarea zu nehmen, zweifellos, weil die Juden mit ihnen damals in arger Fehde lebten. Eine Ausnahme statuiert der Talmud auch, wo es sich um Lebensnotwendigkeiten handelt.

Die Juden haben die Geldwirtschaft nicht als erbliche Anlage im Blute, nicht einmal in Handelsform. In biblischer Zeit erscheinen uns die Israeliten zuerst als Viehzüchter, dann als Ackerbauer. Der Händler gilt kurz vor dem Verfall des nordisraelitschen Staates beim Propheten Hoseas als Synonym des Phöniziers. Den Exulanten aus Judäa erteilt anderthalb Jahrhunderte später Jeremias die Weisung, sich im Lande des Exils ansässig zu machen und Gärten anzulegen, von Geschäften

1 Makkoth 22a.

Exodus Rabba XXIX.

3 Ndarim 19b.

Pirke R. Elieser XXXIII.

5 Jer. Aboda Sara V, 4.

• Baba Mzia 71b.

Hoseas 12, 9.
• Jeremias 29, 5.

hören wir nichts. Als Esra die Verhältnisse im restaurierten Judäa neu ordneten wollte, fand er tyrische Kaufleute als Händler in Jerusalem 1.

Im altrabbinischen Judentum erscheint der Durchschnittsjude als Feldbauer: „Ein Mensch kommt vom Felde abends, geht in die Synagoge." „Wer Brot vom Markt kauft, ist wie begraben." Eine talmudische Verordnung lautet: „An Messen dürfen Juden Vieh, Sklaven, Häuser, Gärten, Felder einkaufen"." Von einem Handelsverkehr mit Artikeln der Kaufmannswelt, des städtischen Geschäftslebens hören wir dabei nichts.

Die wirtschaftliche Weltanschauung, die sich im Talmud widerspiegelt, ist eine durchaus bäuerliche, keine freihändlerische, städtische. Der Talmud ist gegen die kaufmännische Freizügigkeit, ein Kaufmann darf in keiner fremden Stadt ein Geschäft betreiben 5. Lebensmittel dürfen aus Palästina nicht ausgeführt werden. In Lebensmitteln darf es keinen Zwischenhandel geben. Der Landwirt soll diese unmittelbar an den Konsumenten verkaufen. Kein Händler darf an Wein, Öl, Mehl etwas verdienen. Nur wenn dabei etwas geleistet wird, wenn jemand den Weizen vermahlt und zu Brot verbäckt, ist Profit gestattet".

Der Handel wurde auf verschiedene Weise erschwert. Damals, wenn der Heide am meisten zu kaufen liebt, drei Tage vor und drei Tage nach seinen Feiertagen, darf ihm ein Jude nichts verkaufen. Reklame für Waren ist nach talmudischer Anschauung unstatthaft. Bei Übervorteilung von über ein Sechstel wird das Geschäft rückgängig gemacht 10. Das römische Recht sieht eine analoge Läsio enormis bei Übervorteilung um die Hälfte des wahren Wertes.

Das Krämerwesen wurde als verächtlicher Beruf von den

1 Nehem. 13, 16.

Brachoth 4b.

Aboth R. Nathan XXXI. Mnachoth 103 b.

Aboda Sara 13 a.

5 Baba Batha 22a.

• Ib. 90b.

7 Ib. 91.
Aboda Sara 22.

Baba Mzia 60a.

10 Baba Bathra 50.

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