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Dasselbe ließe sich auch von dem volkstümlichen Eulenspie gel sagen.

Daß die jüdische Geschäftsmoral besonderen Anstoß erregt haben sollte, ist gewiß unrichtig, da ein solcher Vorwurf in der gehässigen Literatur der Antike nie vorkommt. Dann gibt es auch andere Nationen, die den Ruf einer laxen Geschäftsmoral besitzen, und doch kehrte sich nie gegen ihre Minoritäten in der Fremde die Volkswut. Im Orient heißt es, ein Armenier kann zwei Juden betrügen, ein Grieche zwei Armenier. Die armenischen und griechischen Kolonien in Osteuropa haben noch nie Massakers über sich ergehen lassen. Die in Europa umherstreifenden Zigeuner sind zum Synonym des Betruges in den verschiedensten Ländern geworden. Im Polnischen bedeutet ,,bezigeunern" soviel wie „betrügen“, und doch, schwere Zigeunerverfolgungen sind niemals vorgekommen. Die deutschen Händler in Osteuropa genießen auch nicht den Ruf der Ehrlichkeit. Das Verbum,,schwaben" bedeutet im Polnischen soviel wie betrügen. Hat je in normalen Zeiten der Zorn des Volkes in Osteuropa gegen sie gewütet? In Mittelitalien und auch im Süden der Apenninischen Halbinsel blüht in hohem Maße der betrügerische Zwischenhandel (begannagio) und der Wucher. Ist je Emigranten aus Mittel- und Süditalien für ihre laxe Geschäftspraxis in der Fremde etwas Ernsthaftes zugestoßen?

Den Vorwurf einer geschäftlichen Moral insanity den Juden gegenüber in ihrer Gesamtheit kann nur der machen, welcher nicht weiß, daß der Geschäftssinn ihnen erst recht spät in der Geschichte beigebracht wurde und daß die Erziehung der Kinder bei den Juden nimmer eine kaufmännische Orientierung hatte. Bei den integralen Juden bedeutete die geschäftliche Erwerbstätigkeit etwas Aufgenötigtes. Als Ideal leuchtete ihnen immer das Wissen, die religiöse Veredelung, das geistig: sittliche Bildungswesen der kanonischen Literatur entgegen. Der Horror vor dem Handel aus der Psychologie des Landwirts und kleinen Handwerkers blieb auch nach der vollständigen wirtschaftlichen Umwälzung des jüdischen Lebens im späten Mittelalter und der Neuzeit den Juden eigen. Nur keine kaufmännische Erziehungsorientierung! Ein Kenner der Ver

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hältnisse bei der Posener Judenschaft noch Anfang des 19. Jahrhunderts schreibt:,,Die jüdischen Eltern sorgen (in Posen) einzig und allein dafür, den Sohn mit dem Verständnis der hebräischen Bibel und der hebräischen chaldäischen Gebete bekannt machen zu lassen, ihn an die Beobachtung der von den Urvätern überkommenen Observanzen zu gewöhnen und den so Ausgerüsteten, wenn er irgend fähig schien, in eine tüchtige Talmudschule zu bringen. . . ." Die Erlernung der für das Geschäftsleben nötigen Kenntnisse ward nur sehr dürftig betrieben und der Praxis selbst überlassen. Derselbe Sachverhalt läßt sich in ganz Osteuropa bei den integralen, ihre Art und Tradi-, tion bewahrenden Juden, bis heute feststellen. Über die im Volksbewußtsein verankerte Erziehungsorientierung der integralen Judenschaft gibt uns eine Bemerkung in einem Briefe aus dem Jahre 1619 in jüdisch-deutscher Sprache interessanten Aufschluß. Da schreibt ein Vater an seinen in einer Talmudschule lernenden Sohn, er möge fleißig lernen, da das Studium doch der einzige Lebenszweck ist und alle andere kaufmännische Betätigung ja doch eitel Nichts sei?.

Gerade aus diesem Mangel an kaufmännischer Orientierung der Erziehung rührte das oft ungewöhnlich hohe ethische Niveau jüdischer Kaufleute her. Im Jenseits gilt, nach rabbinischer Ansicht, als erste Frage an die vor dem Richterstuhl stehende Seele: Hast du ehrlich gehandelt? Über die hohe Ethik jüdischer Geschäftstreibender hören wir gerade recht oft von verschiedener Seite günstiges darüber näher im Abschnitt: „Über jüdische und christliche Ethik." (Kapitel XX, Abschnitt A.)

i Ritter III, 9.

Wachstein und Landau: Jüdische Privatbriefe.

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FÜNFZEHNTES KAPITEL.

Der Religionshaß.

I.

Der Judenhaß ist weder aus dem Charakter der Juden als Rasse noch aus deren Gestaltung als psychologische Kultureinheit noch aus deren wirtschaftlicher Art zu erklären. Die kausale Verkettung des Judenhasses muß anderswo gesucht werden.

Die Juden sind auch und in den Augen vieler hauptsächlich eine Bekennergruppe, eine Religionsgenossenschaft. Wir haben eine ganze Reihe Kultureigentümlichkeiten der Juden und selbst ihren physiognomischen Ausdruck aus ihrer konfessionellen Eigenart abgeleitet, als typische Folge der Religionsverschiedenheit erklärt. Nun, wäre nicht zu erwägen, ob nicht der welthistorische Haß, der die Juden seit Jahrtausenden verfolgt, auch nichts anderes als ein typisches Ergebnis ihrer glaubensgenossenschaftlichen Heterogenität sei?

Wie ist das Verhältnis der Konfessionen zueinander? Könnte nicht vielleicht nachgewiesen werden, daß, geradeso wie die Juden, auch alle anderen Glaubenssozietäten, die in der Minderheit sich befinden, verfolgt und drangsaliert, gehetzt, entrechtet und gemordet werden, der Judenhaß demnach Religionshaß wäre?

Es ist auch tatsächlich so der Fall. Genau wie die jüdischen Minoritäten werden auch alle anderen Glaubensminderheiten oft unterdrückt, zuweilen auch den grausamsten Verfolgungen ausgesetzt.

Jede Religionsgemeinschaft hat ihre Leidensgeschichte, aus der Zeit ihrer Anfänge, wo sie überall eine Minderheit noch war, und aus späterer Zeit, aus jenen Ländern, wo sie numerisch schwach vertreten ist.

Die Christen wurden zu allen Zeiten von allen Nichtchristen gehaßt und bei sich darbietender Möglichkeit schauerlich verfolgt. Die Urgeschichte des Christentums in Rom beginnt mit fürchterlichen Drangsalierungen seitens der römischen Polytheisten. Die ruhigen, unschuldigen Christen wurden wilden Tieren vorgeworfen, öffentlich gefoltert, des Kindermords (infanticidia) angeklagt, man beschuldigte sie der gemeinsten Verbrechen, ödypischer Geschlechtsverirrung, der Verzehrung von Kindern, der Eselskopfverehrung, der Anbetung der Geschlechtsteile von Priestern1.,,Ihr werdet von allen Menschen gehaßt werden!" klingt es als Echo der ursprünglichen Christenheit aus dem Evangelium Matthäi (10, 22) entgegen. „Alle Welt wird euch hassen!" lautet es im 1. Briefe des Johannes (3, 13). Die Christen wurden nach Minucius Felix von den Römern ärger als die Juden angesehen.

Dasselbe Schicksal begegnete den Christen seit jeher im sassanidischen Persien. Volosges II., Gouverneur zu Rakschas in Babylonien (120-148), wurde von den dortigen Magiern getötet, weil er sich heimlich zum Christentum bekehrte. Nach dessen Tod erhoben sich die Zoroastrianer gegen die Christen Babyloniens, plünderten ihr Vermögen und folterten sie grausam. Die Christen suchten dann durch Geschenke den auf den Thron gelangten Volosges III. zu gewinnen. Es half nicht viel. Der Bischof Noh wurde fünfmal ins Gefängnis geworfen, zwölfmal mit Ruten und Peitschen geschlagen, bis Blut hervortrat. Nach dem Jahre 179 brach in Persien eine neue Christenverfolgung aus, deren Häuser wurden geplündert, deren Kinder lebend verschleppt und sie selbst hart geschlagen, ein guter Teil der persischen Christen verließ damals seinen Glauben. Eine schwere Verfolgungszeit brach für das Christentum im Perserreiche ein im Jahre 656 der Seleuzidenära (= 344 n. Chr.), die christlichen Kirchen wurden zerstört und eine große Anzahl von Märtyrern geschaffen 3. Dann wieder machte das Christentum auf dem Herrschaftsgebiete des Mazdeismus sehr schwere Zeiten mit, als im 6. Jahrhundert unter Kobad eine Neubelebung des Feuerkultus dort erfolgte.

1 Tertullian: Apol. 6.

2 Msiha Zhha: Histoire de l'eglise d'Adiabene 83, 87, 90, 95. (Sources syriaques Mangana).

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Nicht günstiger lautet die Geschichte der Christenheit unter muhammedanischem Zepter. Dieselbe Kette von Qual, Erniedrigungen, Verfolgungen. Der Bischof Stroßmayer, der Wortführer der Kroaten, schrieb an Gladstone am 10. Februar 1877:,,Wie ist es möglich, daß Christen unter der Regierung des Korans und seines Fanatismus bleiben sollen. . . . Der Koran befiehlt in Gottes Namen, daß die christlichen Hunde durch das Schwert ausgerottet werden sollen 1." „Der Koran hat vor Gott und Mensch seine absolute Unfähigkeit erwiesen, Christen zu regieren, da er sich selbst als Grundlage nicht bloß des religiösen, aber auch des sozialen und politischen Lebens bezeichnet. Sein fatales Ziel ist, entweder denen den Islam aufzunötigen oder sie der politischen Rechte für immer zu berauben und sie in einen unerträglichen Druck zu stoßen“ (Brief von Stroẞmayer, 1. Oktober 1876). Die Rechtlosigkeit der Christen im türkischen Staate wurde trotz des Bestandes großer christlicher Reiche noch im Zeitalter der Emanzipation verschärft. Im Jahre 1786 schloß die Pforte in den schärfsten Edikten die Christen von allem Anteil an der Verwaltung aus. Noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Christen der Türkei mit einer viel höheren Steuermasse als die Muslims belastet, durften gegen Muhammedaner keine Zeugenschaft ablegen, wurden bei Besetzung von Staatsämtern zurückgesetzt. ,,Noch viel schwerer waren die Erniedrigungen zu ertragen, denen sie noch damals im täglichen Leben ausgesetzt waren." „Das Kamel als dem Propheten geheiligtes Tier darf in Kleinasien kein Christ besteigen." Daneben bestand noch ein Verbot, Glocken im türkischen Reiche zu läuten, Kränze äußerlich anzubringen, Zypressen an Kirchhöfen zu pflanzen. Im sechsten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts durfte sich kein Christ in der Nähe von Moscheen, Derwischklöstern und selbst in manchen Quartieren von Stambul blicken lassen, ,,will er nicht Gefahr laufen, von der Straßenjugend gesteinigt zu werden".

Zu den schrecklichsten Kapiteln der Geschichte des menschlichen Wahns gehören die noch im letzten Dezennium des 19. Jahrhunderts stattgefundenen Metzeleien christlicher Armenier durch die muhammedanischen Kurden. Einen sehr traurigen Abschnitt der islamitischen Geschichte bietet die in früheren Jahrhunderten übliche Aushebung christlicher Kinder in der 1 Watson: The south slave question 429.

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