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der Heimat fliehen. Die Mennoniten wurden im protestantischen Deutschland lange Zeit hindurch verfolgt, gehetzt, entrechtet. In Baden im Jahre 1809 wurde den Mennoniten bei ihrer Emanzipation nur das Schutzbürgerrecht eingeräumt, und nur einzelnen Mennoniten durfte wegen besonderer Verdienste das Ortsbürgerrecht für ihre Person verliehen werden, welch letzteres aber auf ihre Kinder nicht überging 1.

Die Gründer des Protestantismus bekundeten gegen kon-' fessionelle Abweichungen keine Milde. Melanchthon erklärte sich in einem Gutachten für die Todesstrafe für Ketzer, die Verurteilung von Servet durch Kalvin hielt er für „pium et memorabile ad omnem posteritatem exemplum" und lobte in einem Briefe an Kalvin die Hinrichtung des Blasphemanten".

Die katholische Kirche verfolgte seit jeher aufs rücksichtsloseste Häretiker, rottete die kleineren Sektenbildungen mit Feuer und Schwert aus. Mit Blut ist die Geschichte der Manichäer, Arianer, Albigenser, Waldenser usw. usw. geschrieben. Eine schaurige, objektive Darstellung ihrer Leiden findet sich in der Ketzergeschichte des Mittelalters bei Hahn. Kerker, Folter, Feuertod gehörten zum System der Ketzerinquisition. Die besten Geister Europas fielen ihr noch im 17. Jahrhundert zum Opfer. Giordano Bruno wurde dem Feuertode überliefert. Vanini wurde im Jahre 1619 zuerst seiner Zunge beraubt, dann stranguliert und schließlich dem Feuertode überliefert.

Die Idee der wahren gegenseitigen Respektierung fremder Religionsmeinungen war noch im 18. Jahrhundert selbst einem Rousseau fremd, der „,alle, die die Prinzipien seiner Naturreligion nicht anerkennen wollen, aus seinem Zukunftsstaate ausgewiesen wissen wollte", wie wir dies in seinem ,,Contrat social" lesen.

Grausam über alle Maßen war auch die Behandlung sektiererischer Minderheiten innerhalb der orthodoxen Kirche Rußlands. Die Verfolgungen der Altgläubigen in Rußland im 17. Jahrhundert suchen ihresgleichen in ihrer Schauderhaftigkeit in der Weltgeschichte. Ein Teil der Altgläubigen sah sich im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts sogar veranlaßt, nach der damals österreichischen Bukowina auszuwandern, andere begaben sich noch im 19. Jahrhundert nach Amerika, das

1 Hunzinger: Die Mennoniten 199.

2 Walter 123.

weite, große Rußland verlassend. In Rußland wurden noch im 18. Jahrhundert Haeresien mit Feuer bestraft1.

Ein schlagendes Beispiel für Religionshaß noch in den neuesten Zeit gegenüber einer im 19. Jahrhundert entstandenen konfessionellen Formation von biederem, rechtschaffenem, unanfechtbarem Charakter in einem ultramodernen Staate bietet das Schicksal der Mormonen. Wie oft wurden von ihnen in den ersten Jahrzehnten ihres Bestandes Massenüberfälle von Nachbarn, Verjagungen, Ermordungen ertragen. Einen Märtyrertod erduldete selbst ihr Stifter aus Händen guter, christlicher Amerikaner. Die Yankees fühlten sich,,von den Mormonen provoziert, nicht durch ihre religiösen Lehren, auch nicht durch ihre Lebensführung, so vielfach das dabei mitwirkte, sondern durch das Grundprinzip einer neuen Weltreligion... Die Ungläubigen mußten danach streben, die neue Kirche zu vernichten, wenn sie die eigene Selbständigkeit im Lande behaupten wollten". Noch im Jahre 1904, als längst die Mormonen einen ansehnlichen Teil ihrer Eigenart aufgaben, verursachte die Wahl eines Mormonen in den amerikanischen Senat eine lebhafte antimormonische Bewegung in der Presse der Union. „Die alten Beschuldigungen, der Polygamie, der Unterordnung unter eine despotische Kirche, des Verrats an der Union wurden gegen sie erhoben 3."

1 Walter 133.

• Eduard Meyer: Die Mormonen 102.

3 Ib. 276.

SECHZEHNTES KAPITEL.

Die Haẞmotive bei den alten Judenfeinden.

I.

Um eine Entwicklungserscheinung richtig zu erfassen, ist es notwendig, ihre älteren Formen zu erforschen. So geschieht es auf dem Gebiete der Naturwissenschaften, in der Deszendenztheorie. Auch auf dem Gebiete der Geisteswissenschaften ist diese Methode erforderlich.

Zum Verständnis des Judenhasses ist wenig sagend, was einzelne Theoretiker der Spätzeit, des neuesten antisemitischen Zeitalters sich zurechtlegen, zur Erklärung ihrer, ganz unpersönlichen Gefühle heranführen; für den wirklichen Sachverhalt ist allein maßgebend, was spontan in älterer Zeit, ganz unmittelbar, ohne weitgehende, nebelhafte, von außen zugestutzte Theoreme, bei Erwähnung der Abneigung gegenüber den Juden zu deren Begründung geäußert wurde.

Zwecks Bestätigung unserer Behauptung vom religiösen Ursprung des Judenhasses wäre eine Einsichtnahme in den Quellenstoff, den Judenhaß betreffend, aus älterer Zeit nötig. Dies läßt sich auch bewerkstelligen.

Unsere Schlußfolgerung wird erhärtet. Wo in den gesamten antiken wie auch älteren christlichen Quellen das Thema Jude angeschnitten wird, hören wir nichts von welchen Rassen-, Charakter- oder Kulturmängeln der Juden, es werden einzig und allein in allen Ächtungskommentaren Urteile über ihre religiöse Art wie auch über ihren Separatismus und ihre Speisegesetze gefällt, hier und da wird auch die Vergangenheit, die Auszugsgeschichte aus Ägypten verunglimpft. Die „,tolerante“ Antike war hier im Prinzip nicht anders als das finstere Mittelalter konfessionell orientiert.

Die erste individuelle Berührung von Juden mit griechischen Einzelmenschen fiel günstig aus, so bei Aristoteles und Megasthenes, wie dies bereits im 9. Kapitel dieses Buches ausgeführt wurde. Es handelte sich um hohe, über alle konfessionellen Kleinlichkeiten erhabene Geister.

Diese Beurteilung machte bald einer ganz anderen Raum, als die Juden und Griechen in größeren Mengen, wo Massenurteile zum Vorschein kamen miteinander zusammentrafen. Hekataios aus Abdera (306-283 v. Chr.) rühmt zwar die jüdische Gottesverehrung, aber bereits andere Töne schwingen mit, er berichtet nämlich von Moses, daß „aus Erinnerung an die Verbannung seines Volkes er eine Lebensart stiftete, die der Menschlichkeit und Gastfreundschaft entgegengesetzt sei“ 1.

Als judenfeindlicher Autor wirkte im 3.vorchristlichen Jahrhundert in Ägypten der dortige hellenisierte Priester Manethon. Was hat er konkret gegen die Juden? Moses ordnete den Juden an, die ägyptischen Götter nicht zu verehren, in Ägypten geheiligte Tiere zu verzehren, sich nur mit solchen zu vereinigen, die denselben Eid geleistet haben „er gab ihnen diese Vorschriften, wie auch viele andere, die den ägyptischen Bräuchen entgegengesetzt sind". Manethon tischte auch als erster, zweifellos aus Trotz gegen den diesbezüglich teilweise umgekehrten jüdischen Bibelbericht, die Geschichte auf, die Juden wären seinerzeit aus dem Nilland wegen Aussatzes verjagt worden.

In dem vermutlich zur Zeit der Makkabäerkämpfe verfaßten Buch Esther, das sicherlich die gehässigen Anschauungen der Griechen widerspiegelt, klagt Haman die Juden an als „ein unter den Völkern zerstreutes Volk, in allen Provinzen des Staates wohnhaft, ihre Gesetze sind von denen anderer Völker verschieden, und die Gesetze des Königs beobachten sie nicht“.

Poseidonios (133-51 v. Chr.) erzählt, daß bei Belagerung Jerusalems durch die Gräcosyrer im Jahre 135/134 v. Chr. viele Freunde Antiochos' der Ansicht waren, man müsse den Stamm der Juden ganz vernichten, „,denn der jüdische Stamm ist der einzige unter allen Nationen, der keine Beziehungen zu anderen Völkern haben will und sie alle als Feinde ansieht ““.

1 Reinach: Textes d'auteurs grecs et romains relatifs au Judaisme 16.

2 Josephus: Contra Apionem I, 21.

3 Esther 3, 8.

4 Reinach: 1. c. 56.

Einzelne spätere alexandrinische Autoren warfen den Juden manche Mängel an persönlichen Vorzügen vor, deren Abgehen niemandem schadet. Apollonios hält den Juden vor, sowohl Atheismus und Menschenhaß wie auch Feigheit, einigemal wieder", schreibt Josephus, „klagt er uns der Verwegenheit und des Wahnsinns an. Er sagt auch, wir wären die unfähigsten der Barbaren und davon rühre es her, daß die Juden als einzige unter den Barbaren keine Erfindung, die für das Leben nützlich wäre, machten 1.“ „Lysimachos, Molon und andere beschimpfen uns, als wären wir die letzten unter den Menschen," meint Josephus 2.

Speziell arbeitete im Judenhaß Apion, gegen den Josephus eine besondere Verteidigungsschrift zu verfassen sich veranlaßt sah. Aus den Entgegnungen Josephus' erfahren wir, was Hasser der Juden bei stärkster Ansammlung der Vorwürfe im Altertum konkretisieren konnten. Apion verunglimpft zuerst die Juden, daß sie aus Aussätzigen hervorgingen3, nimmt daran Anstoß, daß die Juden gleichzeitig Juden und Alexandriner sein wollen, indem sie doch keinen andern Religionskultus als die Alexandriner haben und die Kaiserstatuen nicht verehren, dagegen verehren sie einen Esel, opfern im Tempel Menschen' und schwören Haß gegen alle Menschen. Apion will beweisen, daß die Götter den Juden nicht gewogen seien, indem er hervorhebt, daß die Juden immer Knechte waren, in politischer Abhängigkeit lebten. Apion ironisiert die Enthaltsamkeit der Juden vom Schweinefleisch und die Beschneidung 10. Der einzige Vorwurf profanen Inhalts, den Apion macht, ist gegen die geistige Tüchtigkeit der jüdischen Alexandriner gerichtet, nur gegen diese zielt Apion, wenn er gehässig meint, die Juden' besaßen nie bedeutende Persönlichkeiten, Erfinder, Philosophen 11.

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