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SIEBZEHNTES KAPITEL.

Der Judenhaẞ als Religionshaß.

I.

Der Bestand eines von allen anderen Beweggründen unabhängigen Religions hasses ist nachgewiesen worden. Ebenso steht fest, daß die älteren Judenfeinde nie den Juden andere Vorwürfe machten als die konfessioneller Art.

Für den Glaubensursprung des Judenhasses spricht noch ein positives Moment: das der allgemein religionsgeschichtlichen Koordination des Judenhasses, das viel beweiskräftiger als alle Extrapolation gegensätzlicher Möglichkeiten ist, viel mehr, als Analogien und judenfeindlicher Literaturstoff besagen.

So oft in einem Lande neben den Juden auch die Bekenner einer anderen konfessionellen Minderheit lebten, teilten auch diese ein ähnliches Schicksal wie die Angehörigen der mosaischen Religionsgemeinschaft; auch sie litten unter der Unduldsamkeit, dem Haß, der wilden Blutgier, die sich den Juden oft so schmerzhaft fühlbar machten.

Das polytheistische Rom, das den Zentraltempel zu Jerusalem einäscherte, das palästinensische wie auch das Diasporajudentum zertrümmerte und niederstampfte, mit besonderen Steuern belegte und argen Entrechtungen aussetzte, wütete auch gegen das Christentum. Von Nero bis Diokletian hatten die Christen des römischen Reiches zumeist ein viel grausameres Schicksal noch als die Bekenner des wörtlichen Mosaismus zu erdulden. Viel christliches Märtyrerblut sog der Sand der römischen Zirkusse in sich auf. So manche südländische Nacht Italiens wurde durch angezündete, mit Wachs übergossene christliche Dulder illuminiert.

Der Fanatismus des erwachenden mazdeischen Persien1 wie auch dann zur Zeit der Reform Mazdaks rückte scharf dem Judentum an den Leib, erforderte von ihnen so manches blutige Opfer, ließ aber diese Intoleranz auch die damaligen persischen Christen fühlen, und das unvergleichlich strenger. Die Zahl der syrischen Glaubenszeugen in Persien ist sehr groß.

Das zur Herrschaft gelangte Christentum, das eine halbe Judaisierung der antiken Welt darstellte und wegen der Disparität der zweiten Hälfte gegen die Juden eine besondere gehässige Stellung einnahm, richtete gleichzeitig seine Gegnerschaft wider allerhand Ketzer und die noch fortexistierenden Heiden. Die Verordnungen des Theodosius wandten sich gleich. zeitig gegen die Juden wie auch gegen die Manichäer. Als das westgotische Spanien katholisch wurde, loderte aggressiver Religionshaẞ sowohl gegen die Juden wie gegen die Arianer. Die Kreuzzüge, die gegen den Islam gerichtet waren und gegen die Schismatiker im Vorbeigehen sich arg kehrten, wandten sich auch beim Durchmarsch wiederholt gegen die Juden.

Das erstarkte Papsttum seit dem 11. Jahrhundert betrachtete als Aufgabe nicht nur die Ausschaltung des Judentums aus dem öffentlichen Leben, sondern auch die vollständige Beseitigung aller zentrifugalen Kräfte innerhalb der katholischen Welt, wie auch die gänzliche Ausrottung aller Häresien. Innozenz III., der die Constitutio Judaeorum zur Schande der Menschheit herausgab, veranlaßte auch den Kreuzzug gegen die Albigenser.

Seit dem 12. Jahrhundert, als das siegreiche Zurückdrängen der maurischen Flut in Spanien und Sizilien bedeutende Fortschritte zu machen begann und christliche Staaten nebst der jüdischen Minderheit, auch eine zweite nichtchristliche Minorität, die der Muslims bekam, trafen lange Zeit hindurch, oft gleichzeitig, die auf die Herabwürdigung der Juden zielenden Entscheidungen und Beschlüsse der Konzile auch die Muslims. Der Beschluß des dritten Lateranischen Konzils (Canon XXVI) vom Jahre 1179 untersagte sowohl den Juden wie den Sarazenen das Unterhalten christlicher Dienstboten 3. Am vierten Lateranischen Konzil (Canon LXVIII) wurde die ausnahmslose Unterscheidung der Juden und der Sarazenen von den Christen

1 Grätz: Geschichte der Juden IV, 292.

2 Ib. V, 12.

Mansi XXII, 231, Hahn, Geschichte der Ketzer im M. A. III, 217.

hinsichtlich der Kleidung statuiert, damit keine geschlechtlichen Vermischungen vorkommen1. Das Konzil zu Tarracona im Jahre 1239 (Kanon IV) wiederholte die Anordnung des Kleiderunterschieds wie auch untersagte das Halten von Frauen oder Ammen christlichen Glaubens sowohl den Juden wie den Sarazenen *. Das Konzil zu Tarracona vom Jahre 1329 (Canon LXII) verbot gleichzeitig den Juden und Sarazenen das Arbeiten öffentlich an einem christlichen Festtage3. Dasselbe Konzil (Canon LXXV) bezeichnete es als für den christlichen Namen schändlich, daß manche Christen an Hochzeiten, Begräbnissen, Beschneidungen von Juden und Muslims teilnehmen und an den Mahlzeiten mitessen. Dies wird unter der Strafe des Kirchenbannes untersagt1. Die Kleiderverschiedenheit und Dienerverbot wiederholten auch die Synodalbeschlüsse von Hugo,,Biterrensis Episcopus" zugleich für Juden und Sarazenen 5.

Die Überhandnahme des katholischen Klerikalismus im christlich gewordenen Spanien machte den Juden und den Mauren das Leben gleichmäßig immer schwerer. Die Verfolgung vom Jahre 1391, die unzählige jüdische Opfer forderte, nötigte auch zehntausend Muhammedaner zur Annahme des Christentums, wenn es auch den Muslims diesmal relativ sanfter erging, weil das Volk Repressalien seitens der Mauren an den Christen Nordafrikas befürchtete. Nicht lange nach der Vertreibung der Juden aus Spanien mußten auch die schwer heimgesuchten edlen Mauren Spaniens an den Wanderstab greifen und die Weite suchen. Die spanische Inquisition, der soviel Juden zum Opfer fielen, verbrannte auf ihren Scheiterhaufen als Glaubensakt sowohl Muhammedaner wie auch sonstige Ketzer, Protestanten und hysterische Frauen, sogenannte Hexen.

Auch in Mitteleuropa, um die Wende des Mittelalters, läßt sich, inwiefern neben Juden Andersgläubige bestanden, dasselbe Junctim feststellen. Die polnischen Kreuzzügler, die im Jahre 1463 gegen die Türken sich sammelten, mordeten Juden und Schismatiker. Zur Zeit der Hussitenkriege machte das deutsche

1 Mansi XXII, 1054-1058, Hahn III, 218.

2 Mansi XIII, 513, Hahn III, 222.

3 Marténe IV, 307, 311, Hahn III, 233.

• Ib.

5 Marténe IV, 656. Hahn III, 232.

Lea: The Moriscos 12.

Reichsheer überall die Juden nieder, wenn sie sich nicht zum Katholizismus bekehrten1, geradeso, wie sie es bei den Hussiten taten. Im polnischen Lemberg richteten sich im Jahre 1527 die Handelseinschränkungen sowohl gegen die Juden wie gegen die gregorianischen Armenier?.

In der Nachreformationszeit litten die Juden in deutschen Landen gleichzeitig mit den christlichen Dissidenten. Unter Leopold I. von Österreich richtete sich die von seiner Gemahlin Margarete, einer Spanierin, angestiftete Hetze sowohl gegen Juden wie Protestanten3. Im alten Litauen konnte nach dem Statut vom Jahre 1588 weder Jude noch Muslim Beamter werden, durften gleichmäßig keine christlichen Ammen halten und mußten Kopfsteuer zahlen.

Die schrecklichen Massakers von Juden in der Ukraina im Jahre 1648 waren mit einer Niedermachung des katholischpolnischen Adels und einer Abschlachtung der Jesuiten in diesem Herrschaftsgebiete der ökumenischen Rechtgläubigkeit verbunden. In den Friedensverhandlungen mit der polnischen Regierung betonten damals die Ukrainer Landesverweis für Juden und katholische Geistliche.

In dem Reiche der Ottomanen waren Raja sowohl Juden wie Christen aller möglichen Konfessionen und genossen allesamt dasselbe Vergnügen, Bürger letzter Ordnung zu sein.

Das Zeitalter der Aufklärung, das die Fesseln der Kirche sprengte und der konfessionellen Intoleranz, mindest formell, ihre schärfsten Spitzen brach, und die Sonne der Duldung für alle verfolgten Religionsminderheiten aufgehen ließ, erleichterte auch den Juden ihr schweres Schicksal. Die Juden wechselten weder ihre Rasse noch ihre wirtschaftliche Eigenart, doch mußte die Entkonfessionalisierung der Gesellschaft und der siegreiche Anzug des Grundsatzes der religiösen Freiheit einen großen Teil ihrer Erniedrigung beseitigen. Geradeso wie seit damals das Schicksal aller anderen religiösen Minderheiten besser wurde. Das Emanzipationsdekret Kaiser Josefs II. verbesserte gleichzeitig die Lage der Juden und der Protestanten in Österreich. Die französische konstituierende Versammlung behandelte in einer ihrer ersten Sitzungen die Frage, ob Schauspieler (die'

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als exkommuniziert und keines kirchlichen Begräbnisses würdig galten), Juden und Protestanten für ein bürgerliches oder militärisches Amt wählbar sein sollen1. In England, wo die Acts of Test bestanden, die sowohl „Juden wie Katholiken wie auch andere Nonkonformisten" von öffentlichen Ämtern ausschlossen, wurde nach der Katholikenemanzipation auch den Juden die Gleichberechtigung verliehen. Die Juden bildeten keine Ausnahme. Das Junctim zwischen Judenfreiheit und der Freiheit aller andern Andersgläubigen war den Members of Parliament bewußt. Das englische Parlamentsmitglied Spring Rice bemerkte bei den Verhandlungen über die Gleichberechtigung der Juden, daß die Gründe, die gegen die Emanzipation der Juden angeführt wurden, dieselben sind, die gegen die Katholikenemanzipation vorgebracht wurden 3.

In Deutschland, wo noch im Jahre 1719 Juden und Mennoniten derselben jurisdiktionellen Ausnahmsstellung teilhaftig waren, begann es sowohl für sie wie für andere konfessionelle Bruchteile erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts verschiedenenorts politisch aufzudämmern. Die Katholiken erhielten auf 'dem Wiener Kongreß erst ihre volle Gleichberechtigung in protestantischen Staaten und vice versa. Die Juden erhielten in Preußen im Jahre 1811 die teilweise bürgerliche Emanzipation. In Preußen galten noch nach dem Gesetze vom Jahre 1847 sowohl die Juden wie die Griechisch-Orthodoxen als tolerierte Religionsgenossenschaften mit Privatkult. Der Judenfeind und Ahnherr des modernen Antisemitismus in Deutschland, Stöcker, war auch ein Gegner der Katholiken; Rohling, der Judenfresser, hetzte auch gegen die Protestanten 1.

In der allerneuesten Zeit, noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, brachte die Tiroler Landesregierung der Gründung geordneter Kultstätten der Juden und auch der Protestanten Schwierigkeiten entgegen. Die seit Jahrzehnten in Wien wirkende antisemitische christlich-soziale Partei wendet sich in ihrem Klerikalismus oft auch gegen die Protestanten. Die öster

1 Bernard Cracfort: Geschichte der Juden im westlichen Europa, übersetzt von L. Klausner 68, London 1893.

2 Reinach: Histoire de Juifs 146.

Parliamentary history and reviews during the session of 1825-1826.

Rohling: Der Katechismus des 19. Jahrhunderts für Juden und Protestanten, Mainz 1877.

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