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an die Front unserer Zivilisation vorrückten 1." Die Liste der polnischen Täuflinge bei Choinski wie auch bei Kraushaar in seinem Buche über die,,Frankisten" läßt eine Unzahl von dann angesehen gewordenen polnischen Familiennamen vor uns Revue passieren. Die patriotische Bewegung vom Jahre 1863 in Kongreßpolen rührte nach dem Bericht von Xavery Branicki hauptsächlich von getauften Juden her. Massentaufen fanden auch im frühen Mittelalter und im Altertum statt. Kein Mensch mag hier die jüdischen Elemente ausscheiden, herausschälen, erkennen. Jüdische Überläufer bildeten im Urchristentum überall den Kern der Gemeinden. Bekehrte Juden aus Cypern und Cyrene predigten das Christentum zuerst bei den Hellenen in Antiochien. Das Christentum Roms geht auf den bekehrten Juden aus Galiläa Simeon Petrus zurück. In Spanien verbreiteten nach christlicher Lokaltradtion zuerst Juden das Christentum. So waren noch Jahrhunderte später die jüdischen Zentren in der Diaspora die Ausgangspunkte der christlichen Propaganda. Der siebente Bischof von Metz, Simeon, zirka 350, war ein Mann jüdischer Herkunft 3. Noch in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters soll der Begründer der bayrischen Kirche St. Emmeran ein Jude gewesen sein. Einer der ersten Bischöfe der slawischen Kirche in Rußland, Lukas Zydiata, war nach manchen ein Jude der Abstammung nach.

Über Massentaufen im frühen Mittelalter berichten die Chroniken oftmals. So hören wir von der Christianisierung ganzer Judengemeinden auf den balearischen Inseln im 5. Jahrhundert. In Gallien-Frankreich bekehrten sich im 6. Jahrhundert zahlreiche Juden, es wirkten hierbei großzügig der Bischof von Uze1, wie auch der Heilige Germanus in Bourges, so auch der König Chilperich. In Clermon tauften sich im Jahre 576 auf einmal 500 Juden. Viele Juden wurden für das Christentum gewonnen durch den Heiligen Sulpicius im Jahre 644 in Bourges".

Die Taufen der Juden in den verschiedensten Zeiten drückten die Zahl der Juden im Verhältnis zu den Nichtjuden stark herab. Nach Einschätzung von Harnack bildeten die Juden im 1 Jeske-Choinski: Neofici polscy.

2 X. Branicki: La porte de penitence VII.

3 Aronius: Regesten zur Geschichte der Juden etc.

4 Aronius 1. c. 11.

5 Ib. 13.

Ib. 14.

7 Ib. 23.

Altertum im Römischen Reiche 7% der Bevölkerung1. Abgesehen davon lebten noch Myriaden Juden jenseits des Euphrat 2: Der Talmud befaßt sich mit der Frage, ob in Persien nicht mehr als 600 000 Juden leben3. Zu Beginn des Mittelalters wurden für das Judentum große Mengen von Proselyten in Südarabien, Abessynien, Armenien, Chasarenreich an der Wolga, Alpenländern usw. gewonnen. In der Gegenwart bilden die Juden gegenüber den 500 Millionen Europäern, 70 Millionen Westasiaten und weißen Afrikanern und den 200 Millionen Emigrantennachkommen in Amerika, Australien und Südafrika kaum 11%. Woher die Reduktion auf 1/5 der früheren Relation? Es betraten allerdings zahlreiche neue Völkerschaften den Schauplatz der Geschichte seit dem Verfalle des Römischen Reiches: Germanen, Slawen, Araber, aber diese machten doch keineswegs das Fünffache aus gegenüber jenen Völkern, die ehemals dem römischen Zepter gehorchten. Dann kommen bei Juden auch jene des Perserreiches und die Proselyten als plus in Betracht. Wenn est statt 7% heute nur 5% geben sollte, da wäre schon das Plus der Völkerwanderung längst wettgemacht. Die Differenz zwischen 5% und 12, also mehr als das Dreifache der heutigen Judenzahl, löste sich im Laufe der Zeit im arischen Europa auf.

Das Aufgehen von ansehnlichen Judengruppen in den Wirtsvölkern war auch im antiken Orient keine seltene Erscheinung. Die israelitischen Nordstämme lösten sich in den fernen östlichen Randgebieten des alten assyrobabylonischen Reiches, wahrscheinlich irgendwo unter den Persern, auf. In Palästina selber, während einer Religionsverfolgung, berichtet ein Talmudlehrer aus dem 3. nachchristlichen Jahrhundert, gingen dreizehn Ortschaften in den Allophylen auf. Im Babylon jener Zeit, infolge Überspannung der Sabbatriten seitens einzelner Rabbinen, schied eine ganze jüdische Gemeinde vom Judentum3. Die weit nach Osten vorgeschobenen jüdischen Gemeinden des Sassanidenreiches galten in den ersten Jahrhunderten der christlichen Ära als der vollständigen Auflösung nahe.

1 Harnack: Die Mission und Ausbreitung des Christentums. Leipzig 1893. 2 Josephus: Antt. XV, 3.

3 Brachoth 58.

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VIERTES KAPITEL.

Semitische und arische Sprachen.

I.

Der Einfall, der Judenhaß wurzle in einem Gegensatz zwischen Ariern und Semiten, dünkt um so lächerlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, daß unter den Sprachsystemen des ganzen Erdrunds keines dem Sprachsystem der Arier so nahe steht gerade wie das der so viel verleumdeten Semiten. Die Sprachen der sogenannten europäischen Nichtarier, der Etrusker, Basken, Ugrofinnen stehen den Ariern linguistisch bei weitem ferner als die Idiome der Kinder Sems. Die arische und semitische Sprachfamilie müssen in der Urzeit der Geschichte viel später voneinander sich getrennt haben, als die sonstigen, Sprachsysteme der weißen Rasse.

Die semitischen und arischen Sprachen haben vor allem, einen gemeinsamen linguistischen Zug, den der Flexion, der sonst bei keiner Sprachfamilie des Erdrunds anzutreffen ist, dann bestehen zahlreiche lexikalische Gleichartigkeiten, die auf ursprüngliche Vokabeln, auch Für- und Zahlwörter sich oft beziehen.

Eine ganze Literatur existiert bereits über diese Frage, die jedoch von den berufsmäßigen ,,Rassenphilosophen" wie auch von manchem übereiligen Philologen hochmütig abgelehnt wird.

Thomas Young, der erste, der noch vor Schlegel den Termin einer indo-arischen Gruppe schuf, zählte im Jahre 1813 zu dieser auch die Semiten1. Lexikalische Übereinstimmungen zwischen Semitischem und Arischem hob in großer Anzahl Gesenius hervor. Die Verwandtschaft zwischen den semitischen und 1 Quarterly Review 1813 XIX 255.

2 Gesenius: Geschichte der hebr. Sprache und Schrift. Leipzig 1815.

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ta, indoeur. tu.

pers. o, keltisch han, him.

Sanskr. eka; 2. schne (arabisch tna) twa; 3 schlosch, thlath — indogerm. Sanskrit sas, &, sex; 7 sba, scheba

arischen Sprachen hielt Schlegel in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Sprachen (84) für selbstverständlich. Dies suchte auch auf Grund lexikalischen und grammatischen Materials Klaproth im Jahre 1828 nachzuweisen1. Derselben Ansicht über ariosemitische Spracheinheit waren auch Bopp, Norberg3, Lepsius. Die Argumente des letzteren sind besonders schwerwiegend. Er weist auf Parallelen bei den Personalpronomina hin: I. Pers. sing. sem. ani Sanskrit aham, böot, lov (statt yóv). ἐγών). II. Pers. sing. sem. an III. Pers. sing. sem. hu Zahlwörter: I echad Sanskrit dwi, gothisch tri, τpɛïç, tres; 6 schesch - Sanskrit saptam, septem, gothisch sibun. Mehr in lexikalischer Beziehung strebten an, die Urverwandtschaft des Semitischen mit dem Arischen Julius Fürst wie auch Franz Delitzsch nachzuweisen, indem sie vom Standpunkte ausgingen, die Grundwurzeln der semitischen Worte wären ursprünglich zwei- und nicht dreilettrig gewesen. Gleichzeitig schrieb auch etwas zu sehr weitgreifend Fr. Wüllner:,,Über die Verwandtschaft des Indogermanischen, Semitischen und Thibetanischen" (Münster 1838). Die Methode Fürst-Delitzsch setzten dann Ernst Meier 1845' und Boetticher fort. Studien über semitisch-arische Wort- und Flexionsanalogien veröffentlichte auch Dietrich 9.

Einen kräftigen Ruck erhielt die ariosemitische Sprachverwandtschaftsforschung durch Rudolf von Raumer, der diesem Problem eine ganze Anzahl von Publikationen widmete 10. 1 Klaproth: Observations sur les racines des langues sém. 1828.

2 Bopp: Wiener Jahrbücher XLII, 242. Wien 1828.

Norberg: Nova Acta Reg. Societatis scientiarium. Upsala IX, 207. Idem: Opuscula II, XV, XVI.

4 Lepsius: Palaeographie als Mittel für Sprachforschung. Berlin 1837.

5 Julius Fürst: Lehrgebäude der aramäischen Sprache. Leipzig 1835.
Franz Delitzsch: Issurun sive Isagoge in grammaticam et lexicographiam

linguae hebraicae. Grimmae 1838.

'Ernst Meier: Hebräisches Wurzelwörterbuch. Mannheim 1845.

8

• Boetticher: Wurzelforschungen. Halle 1852.

Dietrich: Abhandlungen für semit. Wortforschung. Leipzig 1844. Abhandlungen zur hebr. Gramm. Leipzig 1846.

10 Rudolf von Raumer: Gesammelte sprachwissenschaftliche Studien 460-539, Frankfurt und Erlau 1863, idem: Prof. Schleicher in Jena und die Urverwandtschaft der sem. und indoar. Spr. Frankfurt a. M. 1864. idem: Fortsetzung der Untersuchungen etc. 1867. idem: II. Fortsetzung etc. Frankfurt a. M. 1868.

Raumer weist auf die Übereinstimmung hin des semitischen Pronomens hu mit dem lateinischen hic, gotischen his, macht aufmerksam, daß die indogermanischen Sprachen ihre Verbalflexion durch Anfügung der Personalpronomina bilden, ähnlich soll es auch im Semitischen sein, dann vergleicht er den 2. Dualis des arabischen ,,tuma" mit derselben Person des Sanskrit ,,tam", dann die 2. Person Pluralis des Semitischen (arabisch „,tam", hebräisch „,tem") mit dem sanskritischen ,,ta". Raumer bestrebt sich nicht ohne einen gewissen Erfolg, Gesetze des semitisch-indogermanischen Lautwandels festzustellen, wobei er manches Verblüffende zutage fördert (semitisch g=arisch k, semitisch gewisse Verschlußlaute arisch Reibelaute usw.). Viele von ihm angeführte Wortparallelen sind unleugbar ursprünglich (gara xɛipw, derech = tpέxw, osen (udna) οὖς = ὠτώς, kebel = copula, ab barech praecor, ¿gab ἀγαπᾶν, sabor ¿уαлãν, sаbог sperare, pathachpateo, karaжnpcow, keren - cornu, mischkan (Zelt) κηρύσσω, = oxŋvý, kol = xaλéo, masach = misco, nawe = vaiw, arar = ἀράομαι, jom = hu-épa, amam = umbra, ¿mal = moles, esch = ush (Sanskrit, brennendes, lat. uro).

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pa-ter,

Als enthusiastischer Anhänger des Semitoarismus trat im Jahre 1871 Hermann Grotemeyer auf: „Die gemeinsame Abstammung ergibt sich nicht bloß aus zahlreichen Wörtern, die in beiderlei Sprachen so nahe liegen, daß sie augenscheinlich auf dieselbe Urform zurückweisen, sondern ebensosehr aus den durchgreifenden grammatischen Analogien beider. Um so mehr ist es zu verwundern, daß in der neueren Sprachforschung diese Wechselbeziehungen beider so außer acht gelassen werden." Grotemeyer führt auch zahlreiche Gleichartigkeiten an. Seine Methode war jedoch eine veraltete. ,,Studien über indogermanische und semitische Wurzelverwandtschaft" veröffentlichte im Jahre 1873 (Leipzig) Friedrich Delitzsch, der auf dem Standpunkt des Biliterismus der semitischen Wurzel, gleich seinem Vater stehend, den Nachweis führen wollte, der dritte Konsonant des semitischen Verbs wäre ein angegliedertes Suffix, ein hineingewachsenes Wurzel determinativ, in Analogie zu dem Wurzelsachverhalte des Indogermanischen nach Fick und Curtius

1 Hermann Grotemeyer: Über die Verwandtschaft des Indogermanischen und Semitischen (Beilage zum 15. Jahresbericht über das Gymnasium Thomasum zu Kempen 1874).

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