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her1. Der Geschlechtsverkehr als solcher war ja schon eine Sünde. Der sexuelle Indifferentismus, für den das Eheleben gar keine Tugend war, führte dazu, daß schon in der Gesellschaft Jesu eine ehemalige Prostituierte verkehren konnte und bereits in altchristlicher Zeit der Vorwurf eines ungewöhnlichen unzüchtigen Treibens in den Kreisen der Christen, auch christlicherseits erhoben wurde. Später, als eben das Christentum Staatsreligion wurde, konnte es vorkommen, daß eine Konkubine zu einer großen christlichen Heiligen wurde, weil ihr Sohn im Interesse der Kirche wirkte, dies ist nämlich der Fall mit Helene, der Mutter Konstantin des Großen. Es berichtet ein frühmittelalterlicher Chronist: Constantinus ex concubina Helena procreatur, regnum vadit." Unter den christlichen Heiligen gab es ehemalige Prostituierte außer Maria Magdalena noch: Maria aus Ägypten, Afra, Pelagia, Thais, Theodosia, Margaretha aus Cortona, Clara aus Rimini.

Die Verabscheuung der Frau durch die altchristliche Askese wurde durch alle Jahrhunderte der Fortdauer des integralen Christentums fortgesetzt. Tertullian apostrophierte die Frau: „Tu es diaboli ianua3.“ Im 6. Jahrhundert verbot ein Konzil von Auxerre, daß die Frau die Hostie mit unbedeckten Händen berühre. Das Konzil zu Maçon erklärte, die Frau habe keine Seele. In feudaler Zeit war die Lage der Frau, wenn auch nicht der Dame, niedriger als in römischer Zeit.

Über die asketische Verachtung der Frau half nicht hinweg, daß in der alten Kirche die Witwe als Diakonissin 5 wie auch die Jungfrauen eine große Rolle spielten und dank ihren Müttern viele hervorragende Männer Christen wurden und in der Kirchengeschichte große Bedeutung erlangten, SO Augustinus, Chrysostomos, Basilios, Gregor von Nazianz.

Das Judentum in seiner harmonischen Weltauffassung behandelte die Frau, die Mutter, die Eltern ganz anders als das ehehasserische Christentum.

Die Frau soll nach rabbinischer Ansicht geschätzt werden. Der Talmud erklärt, es sei jeder mit der Ehre seiner Frau

1 Lecky 505 ff.

2 Joh. 8, 5.

3 Prosperus Aquitanus: Chronicon integrum, Migne CI, 724.

Tertullianus: De cult. fem. I, 1.

vorsichtig1, jeder habe seine Frau wie sich selber zu lieben, jedoch mehr als sich selber zu ehren. Raba erklärte den Bewohnern von Mchusa: ehret eure Frauen, damit ihr reich werdet. Ist die Frau klein, beuge dich zu ihr herunter und frage sie um Rat. Rab lehrte, es sei jeder vor dem Quälen seiner Frau gewarnt, um so eher, daß Frauen wehleidig sind und rasch weinen".

Die Frau gilt bei den alten Rabbinen als gleichwertiges Individuum. Frauen kommen ins Jenseits. Gott gab der Frau sogar mehr Vernunft als dem Manne". Gott stellte der Frau bessere Aussichten für den zukünftigen Äon als dem Mann®. Die Frauen verdienen sich ihren Anteil im Jenseits dadurch, daß sie ihre Kinder in die Schule begleiten.

Die Ehe ist etwas Göttliches. Die erste Ehe wurde von Gott im Paradies zwischen 'Adam und Eva festgesetzt, die Arrangeure der Hochzeit waren Engel 10. Vierzig Tage vor Geburt eines Kindes ruft eine himmlische Stimme, wen es heiraten wird". Wer sich von seiner ersten Frau scheidet, über den weint der Altar Tränen 12. Die oft von Gegnern des Judentum angeführte Stelle in der Mischna, daß ein Gesetzeslehrer behauptete eine Ansicht, die als vereinzelt und nicht maßgebend galt —, man dürfe sich von seiner Frau scheiden, wenn sie nur schlecht gekocht hat 13, wird mißverständlich aufgefaßt. Schlecht kochen" ist im Talmud ein figürlicher Ausdruck für: auf religiöse Abwege geraten. Ein Schüler ,,der schlecht gekocht hat" bedeutet soviel wie „der Ketzer wurde 14", bei einer Frau wurde dies gewiß auf sexuellen Unfug bezogen.

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Geschlechtliche Reinheit wurde strengstens von den Rabbinen verlangt. Nicht nur grober Ehebruch war verboten, aber auch den kleinen Finger einer Frau darf man nicht lüstern anblicken1. Das Beschauen von weiblichen Interieurs wurde untersagt. Selbst das viele Reden mit der eigenen Frau wurde nicht gerne von den Rabbinen gesehen 3. Sexuell gesehen ist. die Frau ein Geschirr voll Kot, dem alle nachrennen 1. Die Hochachtung der Eltern wird von den Rabbinen nach biblischem Muster an sehr vielen Stellen verlangt. Zahlreiche Beispiele werden zur Illustration angeführt. Die eigene Mutter wurde der göttlichen Glorie gleich geehrt. R. Josef sagte, als er die Schritte seiner Mutter hörte:,,Ich will vor der Schchina aufstehen 5."

D. Die Selbstopferung Jesu.

I.

Vielleicht ist die sich opfernde Leidensgestalt Christi etwas so Großartiges, Übermenschliches, Ideales, daß sie den integralen Juden unzugänglich war und diese daher das Christentum ablehnten. Selbstaufopferung als Ideal soll den Juden fremd sein. „Eine förmliche Bibliothek jüdischer Bücher habe ich durchgesucht", schreibt der geistige Hochstapler Chamberlain, ,,in der Erwartung, das rein menschliche Gefühl für die Bedeutung eines leidenden Heilands zu finden, doch vergebens "".

Den Juden Selbstopferung etwas Fremdes! Gibt es ein Volk auf Erden, das. so viel Märtyrer wie das Judentum kennt? Schon Spinoza erwiderte in einem seiner Briefe auf den Vorschlag, das Christentum anzunehmen, wobei der Anreger auf den übermenschlichen Tod Jesu hinwies, daß Märtyrertod für ihn kein besonderes Zeugnis sei, da doch keine Religion so vieler Märtyrer sich rühmen kann gerade wie die der Pharisäer, er führt auch dabei den Verbrennungstod eines Juden an, dessen Zeuge er selbst war.

1 Brachoth 24a.

Ndarim 20 a.

3 Aboth I.

+ Sanhedrin I.

5 Kidduschin 31b.

• Chamberlain: Grundlagen des 19. Jahrhunderts I, 329, München 1904.

Der Tod als solcher galt den Juden als wichtiger Sühnakt1. Der Tod der Gerechten wurde als Sühne für die Sünden der ganzen Generation von den Talmudlehrern angesehen. Der Tod des Hohenpriesters ist eine Sühne für jene, die irrtümlich töteten und nach biblischer Vorschrift in ein Asyl flüchten mußten 3.

Die Juden machten nicht aus der Not eines Märtyrertodes eine Tugend und nahmen nicht das Unabwendbare bloß passiv hin. Es gibt auch zahlreiche Beispiele aus dem jüdischen Schrifttum der späten Antike und des Mittelalters, wo, um ein Verbrechen zu sühnen oder um religiösem Zwang zu entgehen, die Juden aktiv sich opferten, indem sie Selbstmord, eine Art Harakiri begingen. Selbstmörder-Märtyrer, das sind die richtigen Selbstopferer.

Der Selbstmord als solcher wird im allgemeinen bei den Juden verpönt, so nach Josephus, dem Talmud, dem Midrasch Maimonides, R. Jakob dem Verfasser des Turs. Nichtsdestoweniger war Selbstmord zwecks Wahrung seiner eigenen religiösen Integrität etwas Gottgefälliges. Es wird im Jerusalemit. Talmud berichtet, wie zur Zeit der Zerstörung des ersten Tempels, als die Schlüssel des Tempels in den Himmel zurückgenommen wurden, die Fürsten Judäas vom Dach sich stürzten. Ein Schwestersohn des Gesetzeslehrers R. Jose ben Joëser, der sich in hellenistischer Vormakkabäerzeit schwer versündigte, beging Selbstmord auf viererlei Weise, um den vier bei Juden üblichen Todesstrafen zu entsprechen, und kam dafür ins Paradies 10. Die Mutter der sieben Kinder, die für die Religion den Märtyrertod erlitten, stürzte sich selber vom Dache herunter, erzählt der Talmud; da rief eine Stimme vom Himmel: die Mutter der Kinder hat Freude "

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Ein Wäscher, der zum Begräbnis R. Juda des Fürsten nicht kam und vor Schmerz Selbstmord beging, gelangte ins Paradies, wie dies eine Stimme vom Himmel mitteilte1. Von Kindern, die zur Päderastie geschleppt wurden und darum Selbstmord durch Stürzen ins Meer verübten, berichtet selbstgefällig der Talmud. Im 13. Jahrhundert lehrten die die französischen Rabbinen, wenn die Fremden einen Juden zur Sünde nötigen wollen und der fürchtet, er werde der Tortur nicht standhalten können, so ist Selbstmord eine gute Tat3.

Mittelalterliche christliche Quellen berichten zahlreiche Fälle, wo Juden, um bei Verfolgungen nicht von christlichen Händen niedergemetzelt zu werden, einen Märtyrertod aus eigenen Händen vorzogen. Im Jahre 1096 beim ersten Kreuzzug, als die Juden von Worms, vor ihren Verfolgern flüchtend, beim Bischof Schutz suchten und dieser ihnen seinen Schutz für den Fall der Taufe versprach, töteten sie sich selber (... apud Wormatiam Judaei persequentes fugiendo Christianos ad episcopum properabant, qui cum non aliter illis salutem. nisi baptizerantur promitteret... diabolo et propria duritia persuadente, se ipsos interfecerunt). Im Jahre 1190 wird ähnlich bei einer Verfolgung zu York von einem Selbstmord vieler Juden mitgeteilt, ,,da sie eher von eigenen Leuten als von von den Händen Unbeschnittener umkommen wollten" (apud Eboracum sicut dicitur, fere quingenti neci traditi sunt, multis sese vulneribus appetentes; malebant enim a propria gente percuti, quam manibus incirumcisorum perire) 5.

Bei der Judenverfolgung von Rintfleisch im Jahre 1298 zu Nürnberg, als das Kastell, in dem sich die Juden verteidigten, von den Exzedenten erobert und ins Feuer gesteckt wurde, da warfen zuerst die älteren' Juden ihre eigenen Kinder und Frauen ins Feuer, aus Angst, daß diese nicht nachgeben, und sprangen dann selbst ins Feuer (Judaei seniores timentes, ne pueri et foeminae Baptisma, ut ignem evaderent, peterent, eos propriis manibus ante se ignibus subjecerunt, et ipsimet postmodum insiluerunt in ignem). Während der Verfolgungen

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