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Gemüter. Vorkommende abergläubische Vorstellungen dämonischer Art lagen an der weiten Peripherie.

Die fortschreitende Kultur hat dem Judentum hier recht gegeben. Das Hexenwesen wurde beseitigt. Die Heilungen im Namen Jesu gehören schon lange der Vergangenheit an.

Moderne Theologen, die mit der christlichen Urzeit sich befassen, müssen mit Bedauern feststellen, daß die magische Wundertätigkeit und der niedere Aberglaube des Besessenheitswesens auch bereits ins Evangelium hineingehören. Harnack, der große Apologet des Urchristentums, bemerkt selber an einer Stelle:,,Mit welchen Koeffizienten das alte Christentum belastet gewesen ist, mögen die lernen, welche heute träumen, sie besäßen es, wenn sie einige alte Glaubensformeln in Kraft erhielten 1." Der ehemalige Jesuitenzögling, der schmiegsame Renan, glaubt, daß Christus nicht aus freiem Willen Wunder tat, sondern weil man diese von ihm verlangte. Es war eine Zeit, wo man ohne Wunderbeweis keinen Menschen überzeugen konnte, meint Renan und weist auf Simon Magus, Apollonios von Tyana, Plotinos hin. Renan vergißt aber, daß sowohl Simon Magus als Appolonios künstliche, absichtliche Gegengestalten Christi sind und auch die Bibliographie des neoplatonischen Denkers an der Lebensbeschreibung Jesu modelliert wurde. Das vornehme Heidentum kannte die niederen Formen des Spuk- und Besessenheitsmagismus in seinem Glaubensleben nicht. Der viel ehrlichere Strauß fühlt sich ausdrücklich von manchem Zug in der Jesusgeschichte unangenehm berührt, die weder Spinoza noch Marcus Aurelius verunzierten 3.

Die Wundertätigkeit und die exorzistischen Kunststücke Christi, die dann einen solchen verhängnisvollen Einfluß auf die Kulturgeschichte Europas ausübten, waren für das monotheistische exklusive Judentum nicht im geringsten eine Überzeugungsnotwendigkeit. Dies beweist der aufrechte, gradlinige Johannes der Täufer, dem keine antidämonischen Allotria, keine spiritistischen Kunststückchen nacherzählt wurden. Auch Paulus, der Schüler der Rabbinen, erwähnt keine Dämonenaustreibungen, nicht einmal als Werk der Person Jesu *.

1 Harnack: Die Mission etc. 98.

Renan: La Vie de Jesus, ch. XVI, XVII.

3 Strauß: Leben Jesu 265.

4 cf. aber I. Kor. 12, 18, II. Kor. 12, 12.

Die

Rabbinen der Talmudzeit gaben sich, mit einigen minimalen verschwindenden Ausnahmen, überhaupt nie mit welchen Teufelaustreibungen ab, um so weniger konnten sie den Exorzismus als ein Kennzeichen besonderer Heiligkeit ansehen. Ein Rabbiner des ersten christlichen Jahrhunderts von hervorragender Bedeutung1 spricht von Dämonenaustreibungen als einem heidnischen Brauch. Wer nur eine Beule beschwört, verliert nach rabbinischer Vorstellung seinen Anteil am Jenseits.

Die alten Rabbinen kannten das magische Heilungswerk im Namen Jesu als christliche Spezialität3, die auch verboten wurde1.

Die Rabbinen rechneten gerade das magische Wirken Jesu, das von Schülern und Anhängern so groß und viel gerühmt wurde, als eines der hauptsächlichsten Vergehen Jesu, „er zauberte, überredete und verleitete Israel 5". Jüdische Legenden des Mittelalters suchten die Gestalt Jesu dadurch zu verzerren, daß sie ihn als Zauberer darstellten. Schon in den evangelischen Berichten heißt es, daß, als die Juden das dämonenaustreibende Tun Jesus bemerkten, sie ihn für einen Verbündeten Beelzebubs erklärten ".

Auch die vornehmeren Heiden hatten für die Exorzismen, die in niederen Volkskreisen üblich waren, nur Verachtung. Marcus Aurelius dankte dem Philosophen Dogenetes dafür, daß er ihn lehrte, nicht an Magier und Dämonenaustreibungen zu glauben.

Hier wird auch der Grund sein, warum die Heiden die christlichen Vorstellungen, wie Minucius Felix selber berichtet, als vana und demens superstitio ansahen.

Magie und Geisterwesen im Mittelpunkte des christlichen Religionslebens haben ihre Parallele nur in den Naturreligionen primitiver Rassen noch, die mittels eines ursprünglichen Schamanismus ihren Kultusbedürfnissen Genüge leisten. Die heidnischen finnischen Völkerschaften des fernen europäischen Nordens zeigen noch derzeit einen offenkundigen Konnex in ihren Glaubenspraktiken zwischen Kultus und Geistervorstellungen. ,,Die finnischen religiösen Zeremonien haben keine mystische 1 Numeri Rabba.

Sanhedrin 90.

3 Aboda Sara 28, Koheleth Rabba III, 5.

4 Sanhedrin 90a.

5 Ib. 104b.

6 Mt. 9, 34.

Bedeutung und sind zum größten Teil eher magische Riten, die den Einfluß böser Geister abwenden und die Menschen von unwillkommenen Besuchen ihrer dahingeschiedenen Voreltern befreien sollen. Die Finnen halten diese Religion für die beste, welche die wirksamsten Zauberformeln hat 1." Die alten gallischen Druiden waren eigentlich keine Seelsorger, nur Zauberer. Geisteropfer als Ehesakrament bestehen noch heute im modernen Volksglauben des Orients. Bei den Arabern wie auch bei den Kopten in Ägypten besteht eine Volkssitte, ein Schaf zu opfern, als die Braut ins Zimmer des Bräutigams tritt 2.

Dieser Rückfall des den Juden entnommenen Messianismus und Heilsglaubens in einen schamanischen Aberglaubenskreis konnte nur möglich gewesen sein, weil die Wiege des Christentums nicht auf den Höhen der zeitgenössischen Bildung, sondern in den Niederungen der rohen Plebs, rückständiger Volkskreise stand. Es war ein Glaube des Ochlos. Der Christologe Volz, der die Beobachtung machte, welche Verschiedenheit zwischen der Satan- und Dämonenvorstellung in den Evangelien einerseits und dem altrabbinischen Schrifttum andererseits besteht, gab die richtige Erklärung, daß in den Evangelien die Ansichten der Volksmassen, dagegen in der jüdischen Literatur die Anschauungen der Gelehrten und Gebildeten zutage tritt. Das Losungswort der Bergpredigt war auch: Gesegnet sind die Armen am Geiste, denn derer ist das Himmels. reich. Die gebildete Sprachform und das Wort vom Kreuze wurden vom Denker des Urchristentums, von Paulus als Gegensatz angesehen. Die Galiläer, aus deren Kreis das Urchristentum hervorging, galten bei den Juden als ungebildet und Narren. (Vgl. oben im selben Kapitel, Abschnitt B, gegen Ende.)

Ebenso waren die Verhältnisse auf der Apenninischen Halbinsel. Das Christentum gewann in Rom zuerst nur Sklaven und Frauen. Auch die Soldateska fand in der Antike bald in verschiedenen Gebieten des römischen Reiches am Christen

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tum Geschmack und setzte die Kirchensprache des Abendlandes mit zahlreichen charakteristischen Soldatenausdrücken durch. Die Kirche wurde zu einer ecclesia militans, die Gebete wurden als stationes, die Gläubigen als Soldaten Christi, die Taufe als Fahneneid bezeichnet.

Celsus verlacht die Christen: wer gelehrt, weise, gescheit ist, der komme nicht zu uns, sagen nach ihm die Christen, denn solche Eigenschaften sind uns zum Trotz, nur die Toren, Ignoranten und Ungebildeten mögen zu uns kommen. Die Christen müssen nach Celsus selber gestehen, daß sie Menschen ohne Geist, Ansehen und Vernunft sind und nur Sklaven, Frauen und Kinder bekehren können1. Lukian verspottet die listigen Augenblender, die die Torheit der Christen ausnützen, zu ihnen kommen, um reich zu werden. Laktanz bezeugt, daß die Christen von den Heiden für Trottel (stulti) gehalten werden. Den eigenbrödelnden Mystikern des alten Christentums, den Gnostikern, warf der neoplatonische Denker Plotinos vor, daß sie von der alten Philosophie der Griechen nichts verstünden 3.

1 Origenes: Contra Celsum III, 44.

2 Lactantius: Inst. V.

3 Plotinus: Ad gnosticos liber c. 6, Ratisbonae 1832, vgl. J. Chr. Baur: Die Gnosis 431, Tübingen 1835.

ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Die Schuld der Intoleranz.

Wenn die Juden durch Jahrtausende das Opfer religiöser Unduldsamkeit waren, verdienten sie es auch, bemerkt mancher Widersacher. Die Juden haben das Prinzip religiöser Unduldsamkeit in die Welt gebracht. Ihr Gott ist ein Eiferer, exklusiv, er duldet keine andern Götter neben sich. Voltaire in seinem philosophischen Dictionnaire, Art. Juifs, erklärte die Juden für das intoleranteste Volk des Altertums. Renan schreibt: „Die indoeuropäischen Völker vor ihrer Bekehrung zu semitischen Ideen haben ihre Religion nicht als absolute Wahrheit aufgefaßt, sondern als eine Art Familienerbschaft, daher besaßen sie die Freiheit des Denkens und den Geist des Prüfens und der individuellen Forschung. Die Semiten dagegen hofften einen Kultus zu verwirklichen, unabhängig von allen provinziellen Unterschiedenheiten, mußten daher alle von ihrer Religion abweichenden Bekenntnisse als schlecht erklären. Die Intoleranz ist in diesem Sinne tatsächlich ein Werk der semitischen Rasse." Nöldeke meint:,,Freilich hat es auch anderswo Fanatismus (scil. Intoleranz) gegeben, namentlich wo es mächtige Priesterklassen gab, wie bei den Indern, aber charakteristisch ist der Fanatismus für die semitischen Religionen. Bei den persischen Priestern der Sassanidenzeit ist der Fanatismus unter semitischem Einfluß und im Kampfe mit der semitischen Religion mächtig geworden. So tritt auch dieser Zug im Islam stärker hervor. Hat er unter den Muslims auch kaum je eine so entsetzliche Gestalt angenommen, so ist er dafür viel tiefer gewurzelt und innerlich notwendiger." Die

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