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Aufklärer-Assimilation bei der Beibehaltung substantieller Teile der eigenen Religion, so gut wie nichts.

Von Zeit zu Zeit tauchte wieder dieselbe Anpassungstendenz auf, oft von christlichen Aneiferungen begleitet, jedoch dem' Judenproblem brachte diese zuweilen sehr radikale Zustutzung des Judentums keine Lösung.

Jacobsohns Neuerung verhinderte nicht die nachnapoleonische Heppbewegung in Deutschland.

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Holdheim wollte den richtigen Reformator spielen, er lehrte: ,Was in der mosaischen Gesetzgebung auf das Verhältnis des Israeliten als Menschen zu Gott, als eines Kindes zu seinem himmlischen Vater Bezug hat, ist absolut religiös, daher ewig, was aber nur auf das Verhältnis der Israeliten als eines besonderen auserwählten Volkes zu seinem Gotte und Herrn sich bezieht, ist relativ religiös, und sobald der Israelit in das allgemeine menschliche Verhältnis zurückgekehrt ist, muß es für ihn aufhören 1." Holdheim verehrte dabei den Staat, in den er das Judentum inkorporieren wollte, nach preußisch-hegelianischer Art:,,Mir ist der Staat die Realisierung der höchsten Humanität, welche jedem Bekenntnis die volle Freiheit vergönnt. Den Zweck seiner Wohlfahrt im Auge zu haben, vindiziere ich für den Juden als religiöse Pflicht im besonderen Grade, da er schon aus der ehemaligen Theokratie den Begriff von der Heiligkeit des Staates als einer göttlichen Anstalt mitbringt 2."

Die Konferenz der Reformrabbiner zu Braunschweig im Jahre 1844 erklärte:,,In Beziehung auf das Religiöse bilden wir ein Zusammengehöriges nicht gegenüber dem Staate, sondern im Staate, in allem aber, was sich auf das rein Menschliche und Politische bezieht, erblicken wir in uns nichts anderes als Angehörige, als Glieder dieses Staates in aller und jeder Beziehung, ganz in diesem Sinne wollen wir unsere Jugend erziehen 3." Der sozial störende Ritualismus sollte über Bord geworfen werden, um ganz im Staate, d. h. in der christlichen Gesellschaft, ohne Haßmißtöne sich ausleben zu können.

1 Ritter III, 125.

Ritter III, 136, Holdheim: Das Religiöse in Politik und Judentum, Schwerin und Berlin 845.

3

3 Protokolle zur ersten Rabbiner-Versammlung, abgehalten in Braunschweig vom 12. bis 19. Juni 1844, S. 12. Braunschweig 1844.

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In Prag auf einer jüdischen Landeskonferenz im Jahre 1848 hören wir:,,Seit Jahren geht das Streben der israelitischen Glaubensgenossenschaft dahin, jede Sonderung zwischen sich und ihren christlichen Glaubensbrüdern aufzuheben und in allen nicht das religiöse Gebiet berührenden und in die bürgerliche Sphäre hineingreifenden Angelegenheiten ihren christlichen Mitbürgern gleich zu sein.". Weiter wird der Einfluß des gemeinsamen Schulunterrichts mit den christlichen Kindern, auf Sitte, Sprache und Manieren der jüdischen Kinder Nachdruck gelegt1.

Der Wiener Prediger Adolf Jellinek betonte zirka zwanzig Jahre später, daß das partikularistische Wesen des Judentums nur unter dem Regime der roten Flecken und blauen Zettel hervortreten mußte, in der frischen Luft der Freiheit erlange die universale Seite des Judentums das Übergewicht. Die Juden sind verständig und klug genug, werden sich gegen fremde Einflüsse nicht mehr absperren und das Gute nehmen, wo sie es finden 2.

Dem Ideengang Holdheims, durch Geiger etwas gemildert, huldigt noch jetzt der größte Teil der abendländischen Juden. Ihr Losungswort ist Assimilation.

Die christlichen Weltverbesserer bekannten sich im Zeitalter der Aufklärung zur selben Gedankenwelt. Durch Zustutzung des Judentums werde es sich in die Gesellschaft einfügen lassen, und dann schwindet aller Antagonismus gegen sie. Kaiser Josef II. glaubte dieses zu erreichen durch Abschaffung der jüdischen Jurisdiktion und der hebräischen Sprache, durch Inachterklärung aller jüdisch geschriebenen Urkunden und Schulzwang3. Während der französischen Revolution wurden laut Einwände gegen die Emanzipation der Judenschaft geltend gemacht, wogegen den jüdischen Einzelpersonen eine solche nicht abgesprochen wurden (Clermont-Tonnerre): il faut tout refuser aux Juifs comme nation, il faut tout leur accorder comme individus. Die Judenschaft als ,,Nation" war jene Kollektivität mit ihren geschichtlichen Riten, Bräuchen und Sonderformen der Kultur. Für die Einbürgerung wurde als not

1 Protokolle der Prager Konferenz 202.

2 A. Jellinek: Der jüdische Stamm 9, 184. Wien 1869.

3 Vergl. die Verordnung Josefs II. vom 31./III. 1783 die ungarischen Juden betreffend bei Bergl: Geschichte der Juden in Ungarn 76.

wendig die Beseitigung des eigenen historischen Wesens angesehen. Die eigentlichen französischen Juden von Avignon wie auch die von Bordeaux eigneten sich für dieses Entleibungsprogramm eher, die Juden von Bordeaux waren ja ehemalige Marannen, es wurde ihnen daher am frühesten die Gleichberechtigung noch am 20. Januar 1790 zuerkannt, die alsatischen Juden mußten sich noch gedulden.

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In Deutschland vertrat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Gedanken der Assimilation der Juden bei Beibehaltung der eigenen Religion im Prinzip unter andern z. B. der christliche Schriftsteller Streckfuß, er erklärt, daß, wenn ,,die Juden der christlichen Staatsgesellschaft sich wirklich angeschlossen, ihrer Absonderung und ihren nationalen Eigentümlichkeiten entsagt hätten, daß dann zwar noch deutsche Bekenner des mosaischen Glaubens vorhanden seien, nicht aber eine jüdische Nation, welche sich noch jetzt im Gegensatz zur deutschen Nation unter uns geltend macht und dadurch deutlich genug zu erkennen gibt, daß sie sich in Sitte und Gesinnung noch nicht mit uns verschmelzen will1". Streckfuß fühlte zwar, daß die Erfahrung lehrt, daß den der Landessitte angepaßten Juden auch nicht besser wie den rückständigen Altjuden passiert, doch erklärt dies dadurch, daß jene Juden, die durch ihre äußere Erscheinung, ihre Sitte und Sprache sogleich als Fremde, und zwar als widerliche und beschwerliche Fremde zu erkennen sind,,,bei der Menge, welche nicht zu unterscheiden pflegt, den Namen der Juden überhaupt verhaßt machen und gegen die Nation im allgemeinen eine Meinung erhalten, welche auch jene achtbare Klasse trifft".

Mehrere Dezennien später lehrt auch Treitschke diese Kompromißassimilation: „Mit der vollzogenen Emanzipation ist auch der alte Anspruch der Juden, eine Nation für sich zu sein, gänzlich hinfällig geworden. In diesem Jahrhundert der nationalen Staatsbildungen können die Juden nur dann eine friedliche und der Gesittung förderliche Rolle spielen, wenn sie sich entschließen, soweit Religion, Überlieferung und Stammesart dies erlaubt, in den Kulturvölkern, deren Sprachen sie reden, aufzugehen.“ Treitschke erhebt auch Einspruch gegen den Schluß der Grätzschen Geschichte, der auch in 1 Streckfuß 35.

2 Ib. 26.

den späteren Ausgaben fortgelassen wurde WO von der Anerkennung des Judentums die Rede ist:,,Niemals! Unser Staat hat in den Juden niemals etwas anderes als eine Glaubensgenossenschaft gesehen und kann von diesem allein haltbaren Rechtsbegriffe unter keinen Umständen abgehen. . . beansprucht das Judentum gar Anerkennung seiner Nationalität, so bricht der Rechtsboden zusammen, auf dem die Emanzipation ruht 2." Und doch wußte nicht dieser Historiker, daß es sich bei den Juden nicht um nationale, sondern allgemeine konfessionelle historisch-kulturelle Organisationsformen handelt, für die die nationale Devise etwas rein Äußeres ist.

Die deutschen Juden entledigten sich immer mehr ihrer religiösen Tradition, wuchsen immer mehr geistig, zivilisatorisch hinsichtlich der Lebensgewohnheiten in die christliche Gesellschaft hinein — das hindert jedoch nicht, daß seit dem Jahre 1880 eine immer kräftiger werdende antisemitische Bewegung das Zusammenleben der Christen mit den Juden immer mehr erschwert. Soviel Preisgabe und für nichts!

Seit Mendelssohn schrieb:,,Meine Nation ist in einer solchen Entfernung von Kultur gehalten, daß man an der Möglichkeit einer Verbesserung verzweifeln möchte 3", wobei Mendelssohn unter Kultur nur die christlich-abendländische verstand und das Geistesleben seiner Zeitgenossen nach Art Ezechiel Landau, Elias Wilner, Jacob Emden für null ansah - hat sich vieles geändert, das deutsche Judentum leidet einfach' an einer Hypertrophie deutschen Bildungswesens doch der Antagonismus gegen die Juden besteht wie einst.

Theodore Reinach, einer der repräsentativen Männer des westeuropäischen Judentums, meint, die Juden des europäischen Ostens können nicht emanzipiert werden infolge der Anhänglichkeit der Juden an ihre Bräuche, die mit dem modernen Leben sich nicht vertragen, durch ihr Kleben an ein jüdischdeutsches Patois, durch den Hochmut der Rabbinen und hauptsächlich der Rebbes. An einer Stelle hebt er hervor, daß die algerischen Juden durch Übung des Stimmrechts, Besuch der Schulen, Militärdienst glänzende französische Bürger

1 Lueder 184.

Treitschke 15.

M. Mendelssohn: Schreiben an Hennings bei Kayserling, Anhang 522.
Th. Reinach: Histoire des Israelites 367, 373, Paris 1884.

wurden1. Die algerischen Juden beeilten sich im Interesse der Emanzipation, im Gegensatz zu ihren muslimischen Mitbürgern, ihrer eigenen Jurisdiktion sich zu entäußern. Sind darum die algerischen Juden bei den Franzosen beliebt? Gibt es nicht gerade in Algier einen lodernden Haß gegenüber den Juden. Hat nicht der Dreyfusprozeß zutage gefördert, welche Kluft auch in Frankreich die dortigen, zumeist indifferenten Juden von den Christen trennt.

Der Zusammennbruch der Assimilation auch in der neueren Zeit brachte auch jetzt so manchen, auch Christen, auf den Gedanken, ein richtiges, mißtonfreies Zusammenleben zwischen Juden und Christen kann es nur geben, wenn die ersteren restlos, ohne jeden konfessionellen Vorbehalt in den letzteren aufzugehen sich entschließen. „Die Juden zum Genossen unserer Kultur machen, heißt ihm den Weg zum Christentum öffnen. Alle Mission vollzieht sich unter vorwärtsdringender Übermacht unserer wesentlich christlichen Kultur", schreibt ein neuzeitlicher christlicher Historiker des alten Israel. Von jüdischer Seite vertrat in neuerer Zeit diesen Standpunkt im Jahre 1885 ein Anonymus in seiner Schrift „Die wahre Erlösung vom Antisemitismus“.

Die Lösung der Judenfrage durch Taufe ist jedoch unmöglich. Das erdrückende Gros des Judentums wird nie sich seiner Religion zugunsten einer andern positiven Religion begeben.

Das Judentum kann zu einem reineren Deismus, Pantheismus oder sonstigem höheren philosophischen System über sich hinaus schreiten, nie aber seinen Platz einer andern Konfession räumen, mag noch so ein Glück winken. Israel läßt sich nicht durch noch so rosige Perspektiven bestechen. Trinität, Gottessohnschaft, Sakramentalmagismus höhlen eine Kluft, über die die überwiegende Mehrheit der Juden, im Hinblick auf eine Einbürgerung, sich nie hinwegsetzen wird.

Der religiöse Weg Israels geht nur in die Höhe.

B. Zionismus.

Wenn es mit einer restlosen Einfügung der Juden in die europäische Gesellschaft nicht geht, da gilt es, behauptet eine immer mehr an Einfluß gewinnende Partei im Judentum, das

1 Idem 344.

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