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um die Wende des 18. Jahrhunderts so fest verankert, daß ein Napoleon es für nötig empfand, an das Synedrion die Frage zu richten, ob die Juden Frankreich als Vaterland ansehen 1 Napoleon bei seiner Anwesenheit in Ägypten proklamierte die Wiederaufrichtung eines jüdischen Palästina.

Der berühmte Polendichter Adam Mickiewicz war dagegen, daß der Jude Landbesitzer werden kann, da sie den Messias ständig erwarten und an den Boden sich nicht binden können:

Palästina als Vaterland der Juden erklärte auf eine diesbezügliche Anfrage der ungarischen Regierung das Preßburger Rabbinat im Jahre 1838.

Mit dem Völkerfrühling nahm die alte Sehnsucht der Juden nach Palästina moderne Formen an. Im Jahre 1848 veröffentlichte Jehuda ben Salomo Alkalai, der Chacham von Semlin, zwei Schriften bezüglich der Wiederbesiedlung Palästinas, Kol Kore und Pethach Chudo schel Machat, er machte auch eine Reise nach London, um Sir Montefiore für seinen Plan zu gewinnen 3.

Publizistisch traten für ein jüdisches Palästina dann Moses Heß ein, wie auch S. Kalischer und Smolenskin.

Während des Balkankrieges im Jahre 1877 agitierte für ein jüdisches Palästina der christliche Engländer Sir Oliphant Lawrence.

Die Geburtsstunde des Zionismus als einer Massenaktion ist das Jahr 1882. Die damaligen Judenpogrome in Rußland, der wiederauferstandene Judenhaß in Deutschland rüttelten weite Kreise aus dem Glückstraum der Einbürgerung auf, und man dachte, die nun beginnende Emigration von Juden aus Osteuropa, nach Palästina herüberzulenken.

Die Dreyfusaffäre, der Bankerott der Einbürgerungsidee auch in Frankreich, war die Geburtsstunde des diplomatischen Zionismus, dessen Führer Theodor Herzl ward.

Die Aufgabe, die sich der Emigrationszionismus stellte, mißlang. Bloß geringfügige Judengruppen siedelten sich im Ackerbau-Palästina an, während gleichzeitig Millionen osteuropäischer Juden in Amerika, Südafrika, London usw. vor dem rabiaten, blutdürstigen Judenhaß Zuflucht fanden. Schuld

1 Grätz II, 289.

2 Adam Mickiewicz: Literatury słowianskie III, 206.

3

Leopold Löw: Gesammelte Schriften I, 334. Szegedin 1889.

daran waren: die Mißwirtschaft der Türkei, die Feindseligkeit der einheimischen Nichtjuden Palästinas, wie auch die Armseligkeit an Naturschätzen im wüsten, brachliegenden, des Humus zum großen Teile beraubten Lande.

Das jetzige Palästina ist unter englischer Herrschaft, unter einem Juden als High-Commissaire. Es ist zu hoffen, daß die alten Miẞstände der Wirtschaft rasch weichen, das Land sich entwickelt und aufnahmefähig wird und dort größere Mengen von Juden Unterkunft finden und ein neues jüdisches Gemeinwesen, das dritte jüdische Reich, erblüht.

Ob dadurch auch im besten Falle die Judenfrage gelöst wird, ist weniger als wahrscheinlich. In Palästina kann nur ein kleiner Teil der Juden Raum finden. Cisjordanien kann maximal bei blühendster Industrie und intensivster Landwirtschaft die phantastische Ziffer von 3 bis 4 Millionen Juden beherbergen. Was macht dann der Rest von 10 Millionen, dem die Einbürgerung nach der bisherigen Methode kein Heil brachte, der seine Art nicht verleugnen will und in Palästina seinen Sitz einfach aus Raum-, Populations- und Ernährungsrücksichten nicht aufzuschlagen vermag?

Ein jüdisches Palästina kann für das Prestige des Judentums viel bedeuten, für die Judenfrage als solche aber recht wenig. Die große Tragödie der ewigen Minderheitslage der Juden kann durch den Zionismus auch im günstigsten Falle bei den idealsten Entwicklungsbedingungen nicht ihr Finale finden.

C. Humanität.

Errare humanum est,
perserverare diabolicum.

Der Judenhaẞ kann weder durch eine einseitige Assimilation sein Ende finden, noch ist die Entfernung sämtlicher jüdischer Minoritäten aus der ganzen Welt in ein besonderes Territorium, mag es das heißersehnte Palästina sein, nur denkbar. Die Juden bleiben dort, wo sie sind, und auch im großen und ganzen, wie sie sind. Zustutzung der eigenen Art führt zu nichts. Die völlige Vernichtung der eigenen Religionsart will nicht die erdrückende Mehrheit.

Doch so mit dem Golus und dem Haß kann es und darf es nicht weitergehen.

Ein Haß konfessionellen Ursprungs ist im Zeitalter der Naturwissenschaften und der Verweltlichung der Schule eine schaurige Erbschaft, ein psychisches Überbleibsel, ein schädlicher geistiger Blinddarmfortsatz, der, je rascher, desto besser, wegoperiert werden muß.

Diesen Judenhaß nachträglich mittels Hirngespinste allerhand irrlichternder Rassenmonomanen oder durch kindische Theoreme einseitiger, phrasendreschender Wirtschaftler zu petrifizieren, wie es jetzt in manchen Kreisen beliebt ist, und als wissenschaftlichen Antisemitismus fortzusetzen, wäre ein

Kulturunglück.

Mit dem vorzeitigen mittelalterlich geformten Konfessionalismus muß auch dessen Anhang ins Reich der Schatten abgeschafft werden.

Der einzige Weg, der zur Lösung der Judenfrage führt, geht nur über vernünftige Aufklärung und Klarlegung der tatsächlichen Causae rerum des Judenhasses. Männer der geistigen Unbefangenheit, des kulturellen Fortschritts, des interkonfessionellen Blicks, ein großes, menschliches Werk ist hier jetzt zu vollbringen! Auf zur Tat!

Jedem christlichen Intelligenzler muß die Tatsache bewußt gemacht werden, der Judenhaß ist ein Überbleibsel anderer Kulturzustände, eine Wirkung von bei den meisten Gebildeten nicht mehr bestehenden Motiven religionsgenossenschaftlicher Unduldsamkeit, alle andern populären, von Hetzern vorgebrachten Gründe der Aversion sind Beiwerk.

Ein jeder denkender Europäer muß die Überzeugung bekommen: der Judenhaß ist etwas Häßliches, Verwerfliches, nicht mehr Zeitgemäßes und zu Billigendes. Der Antisemitismus ist der größte Schandfleck des Jahrhunderts, sagte vor einigen Jahrzehnten ein guter, prächtiger, politisch hochgestellter Stammesdeutscher.

Wenn die Menschen edler denken lernen, wenn die menschliche Gefühlswelt mit dem Wissen gleichen Schritt halten wird, dann rötet sich ein neues Morgenrot des Erdenglückes, und die Qual der Juden schwindet.

Es gilt, die Menschen zur Humanität zu erziehen.

Die Wilden verzehren die Fremden. Die konfessionellen Menschen leiden nicht die Andersgläubigen. Die Staatsgebilde

zerfleischen einander. Menschengruppen werden von Menschengruppen geknechtet. Das alles muß anders werden. Wir laborieren alle an der dunklen Erbschaft zurückliegender niederer Entwicklungsphasen. „Der Mensch war einst Affe und noch lange ist in ihm mehr vom Affen als vom Menschen."

Einst brannte man Hexen, Ketzer und Juden. Es geschah zum Wohlgefallen Gottes. Menschenfleisch wurde als,,Glaubensakt" geschmort. Dies ist gar nicht so lange her, als daß man schon sagen könnte, es ist viel Zeit verflossen, als Europa barbarisch war. Das Echo der Barbarei hallt noch immer im Instinkt. In Deutschland wurde noch im Jahre 1776 der Studiosus Nikel, ein Freund des Dichters Schubert, als Ketzer enthauptet, verbrannt und in die Ille geworfen1. In Spanien loderte ein Autodafé noch kurz vor Ausgang des ersten Viertels des 19. Jahrhunderts. Ein armer freigeistiger Schullehrer wurde verbrannt.

Die Feuerbrände für Anders- und Schlechtgläubige erloschen, aber in den Schlupfwinkeln der schwarzen Internationale, der Vertreter einer tristen Vergangenheit der Menschheit, glimmt es noch immer und schwelt und verpestet die Luft. Modernisten werden angerannt, Juden befehdet, Muslims um ihre Souveränität gebracht.

Wie lange noch?

Armes Menschenkind, besinne dich! Kurzfristig ist das Leben, huscht wie ein Schatten unter Mühsal vorbei, und dieses einander vergällen!?

Tränen gequälter, hingemordeter, durch Pogrombestien geschändeter Menschen träufeln, rinnen auf die Erde, Ströme roten Saftes fluten, Israel blutet bildlich und buchstäblich aus tausend Wunden, eine mehrtausendjährige Feme drückt, daß den Edelsten der Atem vergeht, der Genius der Menschheit verhüllt tieftraurig das Gesicht, und das alles wegen eines Wahnes, einer psychischen Belastung, eines Überrestes von einem für die Intelligenzler längst überwundenen Entwicklungszeitalter der Menschheit.

Einst träumten die Besten der Menschen einen schönen Traum. Der Prophet Jesaias (2, 11) kündete ein Zeitalter der Glückseligkeit, WO die Völker einander einander nicht befehden,

1 Schuberts Leben, Einleitung zu Schuberts Gedichten. Ausgabe Reclams 13.

Schwerter in Pflüge umgearbeitet, Schaf und Wolf nebeneinander weiden werden.

Bei Philon weiß sich der Weise auf keinen besonderen Staat beschränkt, er fühlt sich als Glied des ganzen Menschengeschlechts und als Teil der Welt überhaupt1. Der Talmud erklärt, Adam wurde als einziger erschaffen, damit die Stämme miteinander nicht streiten, mein Urahne war größer als der deinige 2.

Das Feldherrngenie Mazedoniens, der große Alexander, strebte die Beseitigung des Unterschiedes zwischen Hellenen und Barbaren an. Es lobte ihn Eratosthenes dafür, weil es besser sei, die Menschen nur nach der åpέtη und xaxía (nach der Tugend und Schlechtigkeit) zu teilen. Plutarch lehrte, das Vaterland der Menschen sei nicht ein einzelnes Land, sondern die Welt, alle stehen unter demselben Gesetze (der Natur) und unter demselben Herrscher (der Gottheit), und fand es als etwas Großes an Alexander, daß er Hellenen und Barbaren verschmolzen habe. Seneca meinte, wir wären Glieder eines großen Körpers. Die Natur schuf uns als Verwandte aus demselben Stoff und mit derselben Endbestimmung... Es sei daher dieser Vers in deinem Herzen und in deinem Munde: Ich bin Mensch, keinen Bruchteil der Menschheit betrachte ich als fremd (Membra sumus corporis magni, Natura nos cognatos edidit, quum ex iisdem et ad eadem gigneret... Ita versus et in ore et in pectore sit: Homo sum; humani nihil a me alienum puto) 5. Die Weisen nach Seneca sind solche, die die ganze Erdkugel als eine Stadt ansehen (qui omnem orbem terrarum unam urbem esse ducunt). Mit Stolz spricht zu uns Seneca, sein Vaterland sei die Welt und die Götter deren Oberhäupter (patriam meam mundum sciam et praesides deos). Plinius ergötzte sich am Gedanken, Italien erfülle die Sendung, die Menschen zu veredeln, die Streitigkeiten der Völker zu beseitigen, es werde bald das Vaterland aller Menschen des Erdenrunds (breviter una cunctarum gentium in toto orbe

1 Zeller III B, 353.

2 Sanhedrin 46.

3 Zeller IIIB, 168.

Plutarch: De exil. 7 Zeller ib.

5 Seneca: Epistolae XCV.

Idem: Parad. 4.

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