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Meint man, dem Judentum wäre eine Priesterherrschaft, eine Hierokratie eigen gewesen, und im Namen Gottes hätten Priester das Heft des Staates in der Hand gehabt, so ist dies höchst unrichtig. Im alten Israel hatten Priester politisch nie welche führende Rolle. Ebenso wenig im Mittelalter und in der 'Neuzeit besaßen die jüdischen Gemeinden zu politischen Oberhäuptern geistliche Funktionäre, es waren dies immer Laien. Daß in der Makkabäerzeit für einen kurzen Zeitabschnitt die Makkabäerpriester gleichzeitig auch Landesherrscher waren, war das Ergebnis eines äußeren Kriegszufalls und geschah gegen den Willen des Volkes, wie er im Talmud niedergelegt wurde. Die Pharisäer vertraten die Ansicht, die Makkabäer wären keine richtigen Priester gewesen und es hafte an ihnen ein Makel der Entweihung. Von dem Unmut des jüdischen Volkes über die Herrschaft dieser Priesterkönige berichtet auch Josephus 1.

Hierokratie, die eine vorübergehende Erscheinung im nachbiblischen Israel war, ist anderwärts viel häufiger bei Ariern und Nichtariern, dazu noch bei bedeutend größerer Dauer und Zähigkeit, anzutreffen. Eine Hierokratie bestand lange Zeiträume im Altertume in Äthiopien, in Napata, von ägyptischen Priestern errichtet, die dort unter Negern das vollbrachten, was ihnen in der hamitischen Heimat nicht gelingen wollte. Eine Hierokratie erhält sich seit vielen Jahrhunderten in Tibet. Im alten Griechenland gab es einen Priesterstaat in Eleusis, der für das Leben der antiken Hellenen von hervorragender Bedeutung war. Von den Mysterien dieses hierokratisch organisierten Hellenenstaates sprachen Pindar, Sophokles, Aristophanes mit Ehrfurcht, und noch in christlicher Zeit, bei Erlässen gegen nächtliche Feier, wurden diese vom Kaiser Valentinian respektiert. Hierokratische Staatenbildungen gab es bis unlängst auch im „,arischen“ neuzeitlichen Europa. So bestand ein formeller Kirchenstaat in Rom bis 1870, in mehreren deutschen Gebieten in Mainz, Trier, Salzburg bis Anfang des 19. Jahrhunderts. Im Mittelalter wurde oft die faktische Oberherrschaft der Päpste über Kaiser und Könige angestrebt.

Ein im Grunde hierokratischer Gedankengang war im 18. Jahrhundert selbst den „,arischen“ Theoretikern der Revolution und des Staatsvertrages eigen, wenn auch in umgekehrter Rich

1 Josephus: Antiquitates XIV, 3.

tung. Jean Jacques Rousseau, der im allgemeinen der Ansicht war, 'daß die Geistlichkeit als solche auf ihrem Gebiete nicht Herrin und Gebieterin sein darf, wollte das Staatsoberhaupt gleichzeitig als Oberpriester wissen. Der Staatschef-Oberpriester hätte zur Aufgabe die Festsetzung der Artikel des bürgerlichen Glaubensbekenntnisses1, also doch eine religiös-politische Patronanz, wenn auch das Politicum hier das Prius wäre.

Andere wollen unter Theokratie den Gedanken verstehen, daß der eigentliche Volksfürst Gott selber sei, der die Geschichte der Gemeinschaft als Art unsichtbarer Häuptling leitet, der Staat nichts anderes als eine Kultgemeinschaft darstellt.

Diese Theokratie stand mit geringen Ausnahmen im alten Israel im Widerstreit mit den profanen bürgerlichen Staatseinrichtungen. Aus theokratischer Überspanntheit sich ergebende wirklichkeitsfremde Forderungen blieben auch vom Volksganzen Israels unberücksichtigt. Die Rede des Propheten Samuel gegen die Errichtung eines Königtums, da Gott der König sein soll, fand taube Ohren. Ebenso blieben in später Makkabäerzeit die Anhänger Juda des Galiläers vereinzelt, die im Gegensatz zu Pharisäern, Sadduzäern und Essäern um keinen Preis von einem Herrscher wissen wollten und lieber den Tod vorzogen 2.

Der Gedanke der theoretischen Theokratie lag grundsätzlich allen antiken Staatswesen zugrunde und war keine Spezialität Israels. Der antike Staat ruhte auf religiöser Grundlage. Die Alten konnten sich die Familie, den Stamm, selbst künstlich gemachte Abteilungen, wie die Phylen des Kleisthenes, und auch den Staat nur als Kultgemeinschaft denken. ,,Es waren die Götter (so auch bei Solon und Lykurgos), welche die Staatsverfassungen gegeben haben und von denen die gesellschaftliche Ordnung abhing 3." Die Kultgemeinschaft ist der wichtigste Teil der Organisation der menschlichen Gesellschaft, erscheint uns mehr als deren Grund, denn als Folge. Das ganze Volk ward ,,als religiöse Gemeinschaft" gedacht, „zu der alle gehören“. ,,Dies war der Fall so bei den griechischen Staaten wie in Rom, in China, Ägypten wie bei den Semiten." In Rom gehörte das Sakralwesen zur Staatsverfassung. Staat und Religion waren

1 Rousseau: Contrat social IV. 8.

9 Josephus: Antt. XVIII.

Chantepie de Saussey: Vergl. Religionsgeschichte 193.

aufs innigste miteinander verbunden. Im kaiserlichen Rom war der Imperator eine kultische Gestalt, ein Gott, dem zu Ehren auf Altären geopfert wurde.

Im mittelalterlichen Rußland stellten oft religiöse Gemeinden zugleich politische Gemeinschaften dar. Novgrod identifizierte sich mit der Gemeinde der Sophienkathedrale. Die Gemeindeversammlungen waren Brüderschaften 1.

Im protestantischen Europa, bei den Kalvinisten, durchsetzt den Staat die Religion. Das Ideal von Genf war die Vereinigung von Kirche und Staat. In Schottland entstand eine presbyterianische Staatskirche, die ihre Herrschaft auch weltlich durchführte. Der Staat in den Niederlanden war lange nur eine kirchliche Genossenschaft. In der Kraft dieser Verbrüderung lag lange die Größe der Sieben-Provinzen-Republik. Die amerikanische Union hatte einst theokratischen Charakter und ist bis heute ein offiziell christliches Land geblieben, dessen Verfassung im Aufblick zu Gott spricht und der Präsident Buß- und Bettage anordnet 2.

Neuzeitliche Gesellschaftsphilosophen stellten sich oft auf den Standpunkt der Theokratie. Schelling meinte: Das konstitutive Merkmal eines Volkes, die Gemeinschaft des Bewußtseins der Individuen habe ihren Grund in einer gemeinschaftlichen Weltanschauung, deren Ursprung in der Mythologie liegts. Hegel erklärte:,,Die Religion steht im engsten Zusammenhang mit dem Staatsprinzip; die Vorstellung von Gott macht die allgemeine Grundlage eines Volkes aus. Wie die Religion beschaffen, so auch der Staat und seine Verfassung "."

Die Tatsache, daß die Juden in den meisten Fällen mit den radikalen Parteien gehen, rührt daher, daß die Juden, von dem gegenwärtigen Regime unterdrückt, sehr oft von einer allgemein politischen Systemänderung ein Heil für sich erwarten. Ähnliches sehen wir auch bei andern konfessionellen Minoritäten. Zur Zeit der französischen Revolution waren in den deutschen Landesteilen Ostfrankreichs die „protestantischen Pfaffen und überhaupt Protestanten am ersten und meisten demokratisierten", dies lag,,teils an dem tiefen Gefühl, wie despotisch man sie

1 Pypin: Geschichte der slav. Literaturen I, 427. Troeltsch 338, 342.

3 Schelling: Philosophie der Mythol. 63 f. 4 Hegel: Phil. der Geschichte.

'immer und überall behandelte, und dann an der größeren Gewandtheit, sich in Zeit, Ort und Person zu schicken"1. Die Träger des Christentums in der Antike waren die Vorkämpfer einer Klassenumwälzung, der Beseitigung der Sklaverei. Die Luthersche Reformation ging zu Beginn Hand in Hand mit der Bauernbewegung. In England waren es die presbyterianischen Gegenden Schottlands und Wales', woher sich in der Hauptsache die demokratischen Whigs rekrutierten. In Persien stellt die religiöse Bewegung der Babisten eine Richtung dar, deren Lehren an die unserer Volksführer und Sozialisten gemahnen. Der Bolschewismus gewann in der allerjüngsten Zeit große Anhängerschaft im islamitischen Orient, einfach weil der unterdrückte Muslim im unterdrückten europäischen Arbeiter sich einen Genossen sucht, im Kampfe zur Befreiung vom gemeinsamen Joche. Es mag sein, daß in einzelnen Fällen wirtschaftliche Volksbewegungen bloß sekundär-religiösen Charakter tragen, aber Tatsache ist es, daß drangsalierte konfessionelle Minoritäten, gleichgültig welcher ökonomischen Struktur, sich an radikale Bewegungen rein wirtschaftlicher oder staatspolitischer Natur angliedern, um eine bessere Stellung im Rechtsleben der Landesgemeinschaft sich zu erfechten. Das ist auch, bewußt oder unbewußt, das Motiv der jüdischen Sympathien für die Radikalen.

1 Laukhard: Leben und Schicksale II, 104.
2 Vambery 367.

ACHTES KAPITEL.

Die militärische Veranlagung.

I.

Zwischen Semiten und Ariern gähnt doch eine wesenhafte Kluft, die sie voneinander scheiden muß und als deren Ergebnis der weltgeschichtliche Konflikt des Judentums mit der indoeuropäischen Welt anzusehen sei. Der Arier ist der geborene Krieger, Weltstürmer, Kavalier, ist heldisch veranlagt. Der Semite im Gegensatz dazu, ein in sich geschlossener selbstsüchtiger Genießer, ohne welche heroenhaften, soldatischen Velleitäten. Eine Argumentation dieser Art wird von antijüdischer Seite nicht selten gehört.

Der Psycholog des Semitentums, Renan, konstruierte eine ganze Theorie über die grundsätzliche dispositionelle Untüchtigkeit der semitischen Rasse vom militärischen Standpunkte, er begründete deren kriegerische Minderwertigkeit mit der Unfähigkeit derselben zu jeder Disziplin und Subordination. Die Semiten sollen sich immer bei ihren Feldzügen Söldnerheere aus der Fremde bedient haben, so die Phönizier, die Karthager, die Kalifen. Die muhammedanischen Eroberungen vollzogen sich ohne Organisation und Taktik 1. Diese Ausführungen Renans paraphrasierte auch Nöldeke. Die kriegerische Inferiorität des zum Handelsmann geschaffenen Juden ist Überzeugung vieler Zeitungsartikler und Broschürenmacher vom antisemitischen Lager.

An und für sich ist militärischer Enthusiasmus keine prononzierte Eigentümlichkeit des Ariertums. Das Kriegertum als

1 Renan: Système 14.

Nöldeke: Orientalische Skizzen 15.

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