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Organisches Leben

Pflanze und Thier ; Geistesleben des Menschen in allen seinen Entfaltungen; Sprache, Cultur, Sitte, Kunst; Erzeugnisse dieser Geistesthätigkeit von den rohesten Artefacten an bis zu den höchsten Werken der bildenden Kunst, den vollkommensten Sprachen, den herrlichsten Dichterwerken, den edelsten Geboten der Sittlichkeit: das sind die drei großen Gebiete, auf welchen wir ein stets voranschreitendes Werden, d. h. eine Entwicklung wahrnehmen. Das Eigenthümliche derselben ist, daß das in den vorausgehenden Zeilen Gewonnene bleibt und die im Laufe der Zeiten eintretende Differenzirung Neues und Vollkommneres hinzufügt; während in der unorganischen Welt nur eine fortwährende Veränderung stattfindet, indem der feste Stoff hier durch den Einfluß der Atmosphäre und des auflösenden Wassers abnimmt und dort durch den Niederschlag des Fluß- oder Meerwassers sich wieder anseyt.

Die unscheinbare Flechte, der noch pflanzenartig gestaltete Polyp verglichen mit der tausendjährigen Eiche, dem wunderbaren Bau des Säugethiers; der rohe Papu, der thierähnliche Buschmann im Vergleich mit dem hochgebildeten Europäer, dem Geistesadel der Martyrer für Wahrheit und Menschenrecht; die mühsam gearbeitete Steinart, der krächzende Empfindungslaut der Hottentotten gegenübergestellt den Berge durchbohrenden, gleichsam mit menschlicher Intelligenz arbeitenden Maschinen, einem Liede von Goethe, das Beethoven mit seinen

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Zauberklängen umwoben: sie mögen als Beispiele von Extremen gelten, zwischen denen ein vernünftiges Denken eine Verbindung herzustellen sich genöthigt sieht, die einzig und allein durch das Geset der allmählichen Entwicklung möglich erscheint.

Zuerst habe ich darüber Rechenschaft abzulegen, warum ich drei Gebiete angenommen habe; warum neben der Entwicklungslehre der ungeheuren Zahl von Naturwesen das Leben und die Erzeugnisse des Menschengeistes, jedes für sich den Anspruch einer besonderen Darstellung und Betrachtung zu machen berechtigt ist.

Die natürliche Schöpfungsgeschichte verzeichnet ein vielhunderttausendjähriges Werden, innerhalb dessen sich die Organismen von den einfachsten Urformen zu stets größerer Vollkommenheit heranentwickelten. Substrat dieses Schaffens war der unorganische Stoff; der Kampf ums Dasein, die Fähigkeit der Anpassung, die Möglichkeit der Weiterentwicklung waren die schaffenden Principien und die Gründe der Vervollkommnung, der Erhaltung oder des Untergangs der einzelnen Formen. Bei jedem Gliede der ungeheueren Kette haben wir demnach das Werdende in seiner Gegenüberstellung zu dem bereits Gewordenen zu beachten; je nachdem lezteres feindlich oder günstig, anregend oder indifferent sich verhält, muß ersteres eine Weiterentwicklung, ein Verharren oder eine Vernichtung aufweisen.

In der kurzen Spanne Zeit, seit der selbstbewußte Menschengeist zur unbedingten Herrschaft über die anderen Naturwesen gelangt ist, haben wir neben den Schöpfungen der Natur eine eigenartige Schöpfung des Menschengeistes, welche nur im Interesse, im Dienste des Menschen und seiner steten Fortentwicklung stattgefunden hat, anzuerkennen. Diese Schöpfungen, welche die feindlichen Naturgewalten zu unterjochen, zu seinem Nuzen zu verwerthen, mit einem Worte, alles Gewordene in ein möglichst günstiges Entwicklungsgebiet zu verwandeln bestimmt sind, sind keineswegs identisch mit der stets voranschreitenden Vervollkommnung der menschlichen Geisteskraft oder seines eigenen Wesens. Hier ist jener Unterschied zu machen, mit welchem Mephistopheles spielt, wenn er sagt:

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