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Auf allen Gebieten sehen wir also die Entwicklung der Sprache und der durch sie erzogenen Vernunft den großen Entwicklungsgang der Natur widerspiegeln. Und dies ist nicht zu verwundern; denn abgesehen davon, daß der beständige Contact mit der Naturentwicklung unserem Denken Norm und Richtung verleiht, sind unsere Worte, Begriffe und Gedanken selbst Produkte einer natürlichen Entwicklungsreihe, in welcher die beiden Gegensähe des Dauernden und fortgesezt Wechselnden in der Erscheinung die Grundkräfte bilden.

Zum Schlusse noch eine recapitulirende Bemerkung über das Wesen der Sprache. Wenn das Wort zuerst die menschliche Bewegung (Geberde) fixirte, so packte es, wie ich bereits bemerkte, den Schlußpunkt einer Entwicklungsreihe; denn dieser Geberde ging eine Vorstellung, dieser Vorstellung eine Empfindung vorher und mit dieser Empfindung ist der dunkle Untergrund des Willens, welcher auf einen anderen Willen wirken will, verwachsen. Dieser Wille, den wir bei allem bewußten Leben annehmen müssen, sucht seine Offenbarung in der Sprache; die Geberde selbst ist aber das einzig Verständliche und findet darum zuerst im Worte ihren weiteren Repräsentanten.

Wenn wir uns diese stetige Umjehung vergegenwärtigen, welche offenbar dem Drang entquillt, mit welchem der Wille auf den Willen wirken möchte, müssen wir auch hier des hohen Vorzugs der Sprache recht bewußt werden.

Die große Ueberlegenheit, welche die Thiere mit Eintritt des Vorstellungslebens gegenüber den von bloßer Empfindung beherrschten gewinnen, besteht in der colossalen Erweiterung ihrer Wirkungssphäre. Freilich tritt auch eine gewisse Unvollkommenheit zugleich mit auf; noch leiten viel sicherer zum Theil die niederen Sinne Geruch und Geschmack; aber wenn Gesicht und Gehör auch hie und da täuschen, wie enorm ist nicht die Auswahl der Lebensbedingungen gesteigert, und wie vermag das Thier neue Elemente zu seiner Vervollkommnung herbeizuziehen!

Mit Geberde und Sprache treten zunächst alle Vorstellungen in

einen direkten Rapport; das Einzelleben steigert und erhöht sich durch seinen Antheil am Gemeinleben; alle Vorstellungen gewinnen eine viel größere Sicherheit, Klarheit und Bewußtheit; es ermöglicht sich die bewußte Tradition, die jede Erfahrung verwerthen kann; die Gesammtheit der Erfahrungen hellt wieder jede Vorstellung zu außerordentlicher Klarheit auf; das Gedächtniß wird erhöht durch Uebung und die Einfachheit des Mittels; die Vorstellungen erweitern sich, gruppiren sich zu wunderbarer Ordnung. Mittels dieser Welt von klaren Vorstellungen leuchten wir dann auch in das dunklere Empfindungsleben hinein, mittels der Symbolik, der Analogie, der häufigsten Beziehung zu ihren Objekten differenzirt, bestimmt, klärt sich auch die Einzelempfindung soweit, daß sie sogar ihren eigenen, einfachen Ausdruck findet: lieben, freuen, schmerzen. Und nun tritt der Wille endlich dem Willen mit einer Klarheit und Sicherheit in Zielen, Mitteln und Stärke entgegen, welche auf einem anderen Wege nicht zu erreichen gewesen wäre.

Die Sprache ist also dem Menschen zugleich das Mittel zu höchster Klarheit und Bereicherung seiner Erkenntniß, welche die ganze Welt soweit sie seinen Organen zugänglich ist, umfaßt (Wissenschaft); zur Mittheilung und stetiger Vervollkommnung seines Empfindungslebens, dem endlich jede Saite der Natur sympathischerklingt und welches einen stets geistigeren Gehalt und größere Ausdrucksfähigkeit gewinnt (Kunst); zu stets sicherer und bewußterer Aeußerung seines Willens, der sich von immer zahlreicheren Motiven die zugleich an Reinheit und Adel gewinnen, bestimmen lassen kann (Ethit).

So ist denn die Sprache wirklich und wahrhaftig der Mensch jelbst.

X.

Zusammenlegung und Gegensay.

Rerum concordia discors.

Horaz.

Natur und Kunst sind zu groß, um auf Zwecke auszugehen und haben's auch nicht nöthig, denn Bezüge gibt es überall und Bezüge sind das Leben.

Goethe.

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