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Gold'ne Herrn und Frau'n, ins Grab

Müssen zu dir sie all hinab.

Daß die Aussicht auf künftige Belohnung und Bestrafung ein niederes Motiv des sittlichen Handelns ist, wird selbst von den religiösen Systemen nicht geleugnet. Das Gute um seiner selbst willen thun, weil es das Edle, das Schöne, das Menschenwürdige ist, das ist das wahre Ziel aller sittlichen Vervollkommnung. Und was ist das untrügliche Kennzeichen alles edlen Handelns? Niemand wird im Zweifel sein, wie er diese Frage zu beantworten hat. Es ist das Unterordnen des augenblicklichen Genusses unter den höheren Werth des Daseins, es ist das Aufgeben der beschränkten, egoistischen Lebensauffassung, das Leben im Großen und Ganzen, das Theilbewußtsein, wie ich es nannte.

Unter allen Wesen dieser Erde ist der Mensch das einzige, welches den allgewaltigen Trieb der Selbsterhaltung bezwingt und Millionen haben es bewiesen sein Leben hingibt für einen höheren Zweck. Doch ich täusche mich, die Löwin opfert auch ihr Leben für ihr Junges, aber nur so lange es eben auf ihre Hilfe angewiesen, so lange es ein Theil ihrer selbst ist. Dem Menschen aber ist, seitdem er Mensch ist, dieses Theilbewußtsein angeboren, er fühlt, daß er nur in dem Ganzen lebt und webt und an der Stelle, wo er steht, schüßt er das Ganze, so lang in ihm ein Athemzug ist. Auf allen Stufen der Bildung ist dieses Bewußtsein lebendig und es äußert sich stets da, wo der Mensch in einen gefahrdrohenden Gegensatz zu den niederen Formen des Lebens tritt, da erwacht das Gefühl der Gemeinsamkeit der Menschheit und

Der Sekten Feindschaft, der Parteien Wuth,
Der alte Neid, die Eifersucht macht Friede,
Was noch so wüthend ringt, sich zu zerstören,
Verträgt, vergleicht sich, den gemeinen Feind
Der Menschlichkeit, das wilde Thier zu jagen,
Das mordend einbricht in die sich're Hürde,
Worin der Mensch geborgen wohnt.

Und wenn nun die Liebe zum Vaterlande den Menschen entflammt und jedes Opfer, auch das größte, ihm gering scheint in der

Stunde der Gefahr, ist denn da nicht der edelste Antrieb des sitt lichen Handelns leuchtend und groß in die Herzen der auserwählten Streiter eingezogen und haben sie an einen anderen Lohn gedacht, die Helden der Spartaner, als der ihnen zu Theil ward in der unsterblichen Grabschrift:

Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest

Uns hier liegen geseh'n wie das Geseß es befahl!

.

Oder die Helden des amerikanischen Riesenkampfes, konnte die Gesinnung, die sie erfüllte, schöner und rührender ausgesprochen werden, als es Lincoln auch ein Martyr der großen Sache der Menschheit in seiner Grabrede für die Gefallenen von Gettysburg gethan:

,,Sieben und achtzig Jahre sind es her, da gründeten unsere Väter auf diesem Continent ein neues Volk, das aus der Freiheit geboren unter den Schuß des Princips der menschlichen Gleichberechtigung gestellt wurde. Ein furchtbarer Krieg ist entbrannt, welcher die Probe ablegen wird, ob dieses. Volk, ob jedes andre unter gleichen Verhältnissen gewordene Volk die Kraft hat zu leben. Wir stehen hier auf einem großen Schlachtfelde, vereinigt um einen Theil desselben der lezten Ruhe derer zu widmen, welche ihr Leben dahingegeben, damit das Volk leben konnte. Das ist recht, das ist gut, aber in einem höheren Sinne vermögen wir nicht dieses Feld zu weihen, zu segnen, zu heiligen. Die braven Männer, Lebende oder Todte, welche hier gekämpft, haben es geweiht und geheiligt viel mehr als wir vermögen, weit über unser Lob oder unseren Tadel. Die Welt wird wenig achten auf das was wir hier sagen, und nicht lange sich dessen erinnern; aber sie wird niemals vergessen können, was jene hier gethan haben. Uns den Lebenden kommt es vielmehr zu, uns der großen Aufgabe zu weihen, die sie uns hinterlassen haben: auf daß diese geehrten Todten uns eine neue Opferwilligkeit einhauchen für die Sache, der sie das leßte, das höchste Opfer gebracht das ein Mensch zu bringen vermag; daß wir hier laut und feierlich geloben, daß diese Todten nicht vergeblich gestorben sein sollen, daß die freie Verfassung, die Regierung des Volkes durch das Volk, nicht untergehen soll auf dieser Erde."

Das lehte, das höchste Opfer, das ein Mensch zu bringen vermag! Sie haben ihr Leben dahingegeben, damit das Volk leben konnte!

Es war eine Zeit, da opferten die Menschen ihre Kinder, welche sie dem Moloch in die feurigen Arme legten, da tödtete Joram den eigenen Sohn und Jephta die Tochter als Dankopfer für den er

rungenen Sieg. Mit Befremden, mit Schauder und Grausen blicken wir auf diese Zeit zurück.

Und wieder kam eine Zeit, da frohlockten die Martyrer in Todesqualen, da ergoß sich die europäische Menschheit in gewaltigen Fluten nach den Orten wo ihr Erlöser gewandelt, freudig ihr Leben den Gefahren und Todesstreichen der Ungläubigen preisgebend — sie brachten das Opfer, um der Freuden des Paradieses theilhaftig zu werden.

Die Männer von Gettysburg aber, sie sind ruhig und still dem Tode entgegengegangen für die heilige Sache der Menschheit; sie brachten das lezte Opfer, das ein Mensch zu bringen vermag, sie opferten ihr eigenes Selbst — ganz und unverkürzt, sie opferten es freudig und verlangten keinen anderen Lohn, als daß das Volk lebe.

XV.

Die Ideale und der Idealismus.

Zittr' o Erde, dunkle Macht,
Bis zum Abgrund nieder,
Der Gedank' ist aufgewacht,
Schüttelt sein Gefieder,

Will geflügelt dir entfliehn,
Wenn du nicht wirst fesseln ihn,
Sprich, ob du's wirst können?

Wie im Arm der Buhlerin
Einer liegt versunken,

Ihm durch den berauschten Sinn
Plöglich zuckt ein Funken,

Daß er dort, wo Engel geh'n,
Sieht die reine Liebe steh'n,

Die ihm aufwärts winket.

Rückert.

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