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VI.

Eins und Alles.

Zwei Grundeigenschaften der Entwicklung.

Und es ist das Ewig-Eine,

Das sich vielfach offenbart,
Klein das Graße, groß das Kleine,

Alles nach der eignen Art.
Immer wechselnd, fest sich haltend,
Nah und fern und fern und nah;
So gestaltend, umgestaltend,
Zum Erstaunen bin ich da.

Goethe.

Unter allen Wesen, die uns bekannt sind, ist keines, dem wir die Eigenschaft der Einheit, untheilbaren Einheitlichkeit in so hohem Maße zuschreiben, als unserem eigenen Ich, unserer Seele, wie wir uns ausdrücken.

Und doch ist gerade dieses Wesen ohne Frage das mannigfachst combinirte, wechselndste, vielgestaltigste, eigenthümlichst differenzirte von allen Dingen, die wir kennen.

Wie löst sich dieser Widerspruch und wie vereinigt er sich mit der Ansicht, daß ein einheitlicher, durchaus indifferenter, wechsel- und wandelloser Grundstoff uns als das wahre Symbol der Einheit erscheint, von welcher unser Denken so gerne ausgeht, auf welche es alle Erscheinungen zurückführen möchte und welche so sehr ein Bedürfniß unseres Denkens ist, daß die Menschen sie bald das Grundprincip der Schöpfung, bald Gott, das große All und Eins, causa sui, das Absolute, die Substanz, den Willen u. s. w. genannt haben?

Um zur Lösung dieses Widerspruchs zu gelangen, wollen wir von dem Gedanken ausgehen, daß die lehten und feinsten Unterscheidungen der Dinge die Form und Beschaffenheit des unendlich Kleinen, wie wir es der Kürze halber nennen wollen uns unbekannt sind, daß unsere Kenntniß an einer gewissen Grenze stehen. bleibt, wo die sogenannten chemischen Elemente beginnen, die wir nicht mehr scheiden können und die wir uns deshalb als durchaus homogene Wesen denken, von denen jeder kleinste Theil vollkommen

gleich dem anderen sei. Daß dem nicht so ist, beweisen die organischen Zusammensetzungen, welche aus durchaus gleichen Theilen von Elementen gebildet, doch verschiedene Erscheinungsformen darbieten. Der Chemiker meint freilich, wenn er zwei Stoffe hat eine Verbindung eingehen lassen und sie dann wieder trennt, er habe genau dieselben Stoffe, wie vorher; das ist aber nicht der Fall, denn eine jede Veränderung muß in dem inneren Zustand der Dinge eine Spur zurücklassen, welche fortwirkt, wenn sie auch für unsere Sinne nicht wahrnehmbar ist.

Wir wollen nun annehmen, es sei der Wissenschaft gelungen, viel tiefer voranzudringen in das Wesen der Dinge. Sie haben einen Grundstoff entdeckt nennen wir ihn Aether, dessen Aggregatzustand sich zu dem gasförmigen verhalte, wie dieser zum flüssigen. Dieser Aether sei so dünn, daß kein Verschluß ihn fassen, keine Wage ihn wägen kann. Er habe die Eigenschaft der Bewegung und der fortdauernden Abstoßzung der einzelnen Theilchen.

Wir müßten dann auch für den unorganischen Stoff und bei der Gleichartigkeit aller Naturwesen und alles Naturwerdens hat diese Ansicht viel Wahrscheinliches eine allmähliche Entwicklung aus dem einfachsten Grundstoffe annehmen. Daß ein solcher Grundstoff von ungeheuerer Feinheit und Verbreitung den Weltraum erfüllt, dafür sprechen die Lichterscheinungen, welche nur durch die Hypothese der Wellenbewegung des Aethers sich einfach erklären lassen. Daß die Kometen, werdende Weltkörper, aus solchem oder noch nicht viel verändertem Grundstoffe sich aufbauen, scheint auch zweifellos. Ebenso unzweifelhaft erscheint es für unser Denken, daß ein gewisses Volumen Gas oder Luft, von unserer Erde abgerissen, außerhalb ihres Anziehungsbereichs in den Weltraum verseßt, sich bei der Repulsion der Atome fort und fort ausdehnen und schließlich in dem Aether verlieren müßte.

Wenn nun in allmählicher Verdichtung sich eine Anzahl von höchst eigenthümlichen Combinationen des Stoffes gebildet haben, die für uns die Ur- und Grundformen aller irdischen Substanzen zu

sein scheinen, so erscheint es ebenso natürlich, daß diese Stofflagerungen, wenn einmal vorhanden durch welche Ursachen, lassen wir unerörtert*) als das Produkt einer äon langen Arbeit uns nicht mehr als bloße Form, sondern als wirkliche Substanzen erscheinen müssen. Es wäre nach dieser Anschauung dasselbe Naturgeseh, das verhindert, daß z. B. aus Natrium sich nicht Eisen bilden kann, und welches auch die scharfe Unterscheidung zwischen einer Pflanze und einem Thier aufrecht erhält. Daß jene nicht mehr ursprünglichen, sondern in unermeßlichen Zeiträumen gewordenen Ur- und Grundformen (für uns chemische Elemente) in ihrer Wirkung auf einander wieder eigenthümliche Combinationen bilden, die uns ebenso viel Aufschluß über die Natur des Grundprincips geben müssen, als jene Urformen, da in diesen Combinationen neue Zahlen- und Structurverhältnisse zum Vorschein kommen, die vielleicht der Grundstoff auch auf einfacherem Wege hätte erreichen können, ist wohl einleuchtend. Es ist demnach in der unorganischen Masse, gerade wie in der organischen die Structur d. h. das in unermeßlichen Zeit= räumen Gewordene das Unterscheidende.

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Wessen Geist bei diesen Abstractionen schwindelt, den bitte ich, folgende Betrachtungen anzustellen. Die Musik mit ihren unzähligen Werken alter und neuer Zeit, mit denen die uns noch erhalten sind, sowie der weitaus größeren Zahl, welche verloren gegangen ist kein Geist und wäre es der gewaltigste, keine Phantasie, und wäre sie die mächtigste vermag die Namen alle zu nennen und die Zahl sich auch nur vorzustellen. Und doch ist es ein ganz einfaches, natürliches Ding, was allen diesen Werken zu Grunde liegt, ein unglaublich einfaches Formelement, durch dessen Combinationen alle und jede Musik geworden ist es ist die bestimmte Anzahl von Schwingungen, welche unser Ohr zu fassen vermag. Die einzelne Schwingung ist also das einfache Element, die bestimmten Zahlen in der zeitlichen Aufeinanderfolge derselben bilden in den ungeheuer

*) Davon wird am Schlusse des Werkes die Rede sein.

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