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sich gleichfalls geäufsert hat. Ich meine das Bestreben Caesars, die Vermuthung oder Voraussetzung zu erregen, als hätten die von ihm eroberten Länder vor seiner dortigen Ankunft in irgend einer Weise eine politische Einheit, ein grofses Reich gebildet, welches. bereits einem fremden Eroberer als Beute zugefallen gewesen, diesem aber von ihm entrissen worden sei. Schon der Gesamtname, welchen er dem von drei verschiedenen Nationen bewohnten Lande beilegt, obgleich das Wort Gallia nach römischem Sprachgebrauch nur ein von Galli bewohntes oder doch beherrschtes Land bezeichnet 1), bereitet auf diese Darstellungsweise vor. Laut des zweiten Capitels haben die Helvetier den Anschlag gefafst und es für ein federleichtes Ding (perfacile) gehalten, totius Galliae imperio potiri. Dem Cap. 44 zufolge haben omnes Galliae civitates den Ariovist mit Krieg überzogen und sind sie in Einer Schlacht von ihm überwunden worden; seitdem erhebt derselbe von den Besiegten Tribut nach Kriegsrecht. Von gallischer Seite wird (1, 31) diesem Germanenführer ein superbe et crudeliter imperare" zur Last gelegt, wird an Caesar die Bitte gestellt, er möge Galliam omnem ab Ariovisti injuriis defendere; Ariovist selber ruft Caesarn zu: Quid sibi vellet? cur in suas possessiones veniret? Provinciam suam hanc esse Galliam, sicut illam nostram. Er bietet ihm eine grofse Belohnung an, wenn er, Caesar, decessisset et liberam possessionem Galliae sibi tradidisset. Deutlich genug wird mit dem Allen zu verstehen gegeben, dafs Ariovist bereits Oberherr und zwar ein recht gewaltthätig regierender Oberherr über ganz Gallien, mit Ausnahme der römischen Provinz, gewesen. Folgt nun nicht aus der Besiegung und Vertreibung dieses Machthabers durch Caesar, dafs nunmehr das römische Volk in der Beherrschung des gesamten Galliens an Ariovist's Stelle getreten sei? Caesar mufs diese Schlufsfolgerung im Sinne gehabt haben: denn wie hätte er sonst ein wider ihn kurz nach Beendigung seines Krieges gegen Ariovist zwischen den meisten nördlichen oder belgischen Völkerschaften geschlossenes Bündnifs eine Verschwörung nennen wie hätte er

1) Liv. 5, 44: non pati, haec omnia Galliam fieri. Es ist hier von der Gegend um Rom und überhaupt vom mittleren Italien die Rede.

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nach Erzählung seines zweiten gallischen Feldzugs sagen können, dafs nun,,omnis Gallia pacata" sei? 1) Was die Römer unter dem pacare eines Landes, unter der Romana pax verstanden, braucht ja wohl nicht mehr gesagt zu werden. All' seine weiteren gallischen Feldzüge mithin so suchte Caesar, gegenüber den wider ihn öfters im römischen Senat lautgewordenen Beschuldigungen mafslosen Ehrgeizes, seine Leser glauben zu machen hatten nur die Vertheidigung eines für Rom schon eroberten Landes gegen innere Empörungen und auswärtige Ueberfälle zum Zweck. derselben Zeit aber, wo die Helvetier nach dem imperium totius Galliae strebten, Ariovist dasselbe in der Wirklichkeit übte, lassen die Commentarien Caesar's noch eine andere Oberherrschaft über das nämliche Land auftauchen. Diese wird (1, 31 und 6, 11. 12) auf so dunkle Weise dargestellt, dafs es kein Wunder ist, wenn fast jeder Ausleger sich etwas Anderes dabei gedacht hat. Ich halte mich hauptsächlich an die ausführlichere und wohl etwas genauere Schilderung im sechsten Buche, wornach ganz Gallien in zwei Parteien (factiones) gespalten war und zwar in der Art, dafs die Spaltung durch alle Staaten und Gaue, ja beinahe durch alle Familien hindurchgieng. Es wird hierüber Folgendes ausgesagt: ",earumque factionum principes sunt, qui summam auctoritatem eorum judicio habere existimantur, quorum ad arbitrium judiciumque s um ma omnium rerum consiliorumque redeat, idque ejus rei causa antiquitus institutum videtur, ne quis ex plebe contra potentiorem auxilii egeret." Sollte man hiernach nicht glauben, es habe sich um eine rein staatsrechtliche Frage gehandelt, etwa wie früher in Rom bei dem Streite zwischen dem Patriciat und der plebs? Irre gemacht wird man aber an dieser Voraussetzung durch die bald folgenden Worte: Alterius factionis principes erant Aedui, alterius Sequani. Hi quum per se minus valerent, quod summa auctor

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1) Caes. 2, 1: Quum esset Caesar in citeriore Gallia in hibernis . . . crebri ad eum rumores afferebantur . . . omnes Belgas, quam tertiam esse Galliae partem dixeramus, contra populum Romanum conjurare . Conjurandi has esse causas, ne omni pacata Gallia ad eos exercitus noster adduceretur &c. Ders. 2, 35: His rebus gestis, omni Gallia pacata, tanta hujus belli ad barbaros opinio perlata est, uti &c.

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itas antiquitus erat in Ae duis magnaeque eorum erant clientelae, Germanos atque Ariovistum sibi adjunxerant." Also ganze Völkerschaften oder Staaten standen an der Spitze der Parteien, während doch jede Völkerschaft und jeder Staat selber in eben diese Parteien getheilt war. Nun wird weiter erzählt, wie es mit Hülfe germanischer Miethtruppen den Sequanen gelang, dafs sie Galliae totius. principatum obtinerent, und wie dieser Zustand erst von Caesar abgestellt worden sei. Inwiefern neben dem imperium des Ariovist der principatus der Sequanen bestehen konnte, dieser armen Sequanen, denen von Ariovist ein Drittel ihres Gebietes weggenommen und dann auch noch befohlen war, ein zweites Drittel herzugeben, ist eben so räthselhaft als wie diese Inhaber des Principats über ganz Gallien den Helvetiern, welche nach dem Imperium über eben dieses Land strebten '), den Durchmarsch durch ihr Gebiet bewilligen mochten, überdiefs ohne sich hierbei um Ariovist, ihren Imperator, zu kümmern (1, 9), von dessen Macht oder auch nur Dasein

1) Ein nicht geringes Mass von blindem Köhlerglauben muthet Caesar seinen Lesern mit der Erzählung dieses Unternehmens zu, wie die Helvetier zuerst dessen Urheber Orgetorix peinlich processirt, dann dasselbe gleichwohl sich angeeignet und die Ausführung damit eingeleitet haben, dass sie ihre sämtlichen Städte, Dörfer und Gebäude, auch all' ihre Fruchtvorräthe mit Ausnahme eines dreimonatlichen Proviants, verbrannt, wie sie erst hierauf bei Caesar um die Erlaubnifs zum Durchmarsch durch das Allobrogenland nachgesucht und von Caesar die Antwort erhalten haben: er wolle die Sache in Ueberlegung ziehen, ihre Gesandten sollten,,ad Idus Aprilis“ wiederkommen; wie die obdachtlose und eroberungslustige Menge und deren Führer ganz ruhig diese Bedenkzeit abwarteten und zusahen, als Caesar (der nur eine einzige Legion bei sich hatte) zur Absperrung ihres Weges eine sechzehn Fufs hohe Mauer samt Graben und Castellen zwischen dem Genfer See und dem Juragebirge aufführen liefs; wie sie nach empfangener abschlägiger Antwort Caesars den nun durch das Gebiet der Sequanen begonnenen Marsch so sehr verzögerten, dafs Caesar aus Italien und der Gegend von Aquileja noch fünf Legionen herbeiführen und mit seiner solchergestalt verstärkten Streitmacht die Helvetier erreichen konnte, bevor diese noch vollständig die Saone passirt hatten, wie, nachdem der vierte Theil ihrer Leute durch Caesars Heer getödtet oder versprengt war, ihr um Frieden nachsuchender Gesandter Divico sich in Grofssprechereien und Drohungen ergieng u. s. w. Es ist der Glaube der Römer an die,,stoliditas barbarica", welcher hier überall vorausgesetzt wird.

auch die eroberungslustigen Helvetier nicht die geringste Notiz genommen zu haben scheinen. Caesar aber fährt also fort: „Adventu Caesaris facta commutatione rerum, obsidibus Aeduis redditis, veteribus clientelis restitutis, novis per Caesarem comparatis (quod hi, qui se ad eorum amicitiam aggregaverant, meliore conditione atque aequiore imperio se uti videbant), reliquis rebus eorum, gratia, dignitate amplificata, Sequani principatum dimiserant. In eorum locum Remi successerant; quos quod adaequare apud Caesarem gratia intelligebatur, ii, qui propter veteres inimicitias nullo modo cum Aeduis eonjungi poterant, se Remis in clientelam dicabant. Hos illi diligenter tuebantur; ita et novam et repente collectam auctoritatem tenebant. Eo tum statu res erat, ut longe principes haberentur Aedui, secundum locum dignitatis Remi obtinerent." - Die angebliche successio der (belgischen) Remen an die Stelle der Sequanen ist also in nichts weniger als strictem Sinne zu nehmen. Diese hatten ja totius Galliae principatum gehabt, Jene nahmen nachher nur die zweite Stelle ein in der dignitas. Aber was unter principatus, dignitas, amicitia, clientela, summa omnium rerum consiliorumque, summa auctoritas, imperium zu verstehen sei und wie dieses Verhältnifs denn all' die angeführten Worte bezeichnen doch wohl Eins und Dasselbe sich wieder zur Spaltung der gallischen Staaten, Gaue und Familien in zwei factiones verhalte? auf diese Frage bleibt Caesar die Antwort schuldig. Noch flackernder wird das Licht, welches er seinen Lesern vorhält, durch das (2, 4) von den belgischen Suessiones Gesagte: apud eos fuisse regem nostra etiam memoria Divitiacum, totius Galliae potentissimum, qui quum magnae partis harum regionum tum etiam Britanniae imperium obtinuerit. Wenn es also nicht in derjenigen Zeit war, wo zugleich die Sequanen und Ariovist SO war es doch damals, wo von Alters her die Aeduer das Imperium über ganz Gallien hatten, dafs Divitiacus das Imperium über einen beträchtlichen Theil Galliens führte und in ganz Gallien die gröfste Macht besafs. Endlich wird (7, 4) bezüglich des Vaters des Arvernen Vercingetorix, Namens Celtillus, angeführt: principatum Galliae totius obtinuerat et ob eam causam, quod regnum appetebat, ab civitate erat interfectus. Sofern man nicht annehmen und in

den Schulen die Lehre verbreitet wissen will, dafs das alte Gallien ein Reich gewesen sei beiläufig wie das mittelalterliche Deutschland, wo nach einander ein Nassauer, ein Habsburger, ein Lützelburger und ein Wittelsbacher zu Königen gewählt wurden, hin und wieder auch gleichzeitige Gegenkönige bestanden - nur dafs dort das Herrscherrecht nicht sowol einer gewählten Person, als je einem bestimmten Volk oder Staate eingeräumt gewesen so wird schwerlich das Anerkenntnifs vermieden werden können, dass ein Buch, wie das Caesarische, nicht sehr geeignet ist, Schülern in die Hand gegeben und empfohlen zu werden, denen man den Sinn für logisches Denken nicht versehren will 1). Nicht einmal Livius, der im Uebrigen sich gänzlich der Darstellung Caesars anbequemt zu haben scheint, hat sich zu dem Glauben an eine ehemalige politische Einheit des gesamten Galliens emporschwingen können 2).

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1) Man vergleiche auch mit einander die auf die Kimbern und Teuten sich beziehenden Angaben. B. G. 1, 33: quum (barbari) omnem Galliam occupavissent, ut ante Cimbri Teutonique fecissent - und 2, 4: solosque (Belgas) esse, qui patrum nostrorum memoria omni Gallia vexata Teutones Cimbrosque intra fines suos ingredi prohibuerint. Nach 2, 29 hatte aber dennoch ein in Gallien zurückgelassener Theil dieser Völker nach vieljährigen Kriegen mit den Eingeborenen feste Niederlassungen gerade im belgischen Gallien erlangt und daselbst den Staat der Advatuken gegründet. Nach 7, 77 endlich scheinen auch die Bewohner des südlichen Galliens sich in den Städten gegen die Kimbern und Teuten behauptet zu haben, während das platte Lnnd von diesen geplündert wurde.

Als neuestes Beispiel, wie man sich plagt, um Caesars Angaben zusammenstimmen zu machen, mag der zweite Anhang zu der oben angeführten Schrift von Brandes dienen. Hiernach sollen die,,factiones" Staatengruppen oder Bünde gewesen sein, soll dem Ausdruck omnis Gallia, tota Gallia wenigstens eine viel engere Bedeutung zukommen, als die in dem ersten Satze der Caesar'schen Schrift gegebene Declaration besagt, und soll das Bundessystem, welches einem einzelnen Staate das imperium totius Galliae verschaffte, zwar im keltischen Gallien zu einer gröfseren und allgemeineren Ausbildung gelangt sein, als in Belgien," dieses imperium jedoch ,,wahrscheinlich auf kriegerischer Uebermacht beruht haben, die durch gesetzliche Bestimmungen sich selten beschränken läfst.". In einem späteren Abschnitte werde ich auf diese gallischen Verhältnisse zurückkommen.

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2) Liv. 5, 34: Prisco Tarquinio Romae regnante Celtarum, quae pars Galliae tertia est, penes Bituriges summa imperii fuit; ii regem Celtico dabant. Das,,quae pars Galliae tertia est" ist offenbar aus Caesar

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