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griff man wahrscheinlich in Archias seine Beschützer an; ‘es kann kaum gezweifelt werden, dass der Kläger auf Anstiften der Pompejanischen Partei handelte, welche im vorigen Jahre durch den Triumph des L. Lucullus eine Niederlage erlitten hatte'.

Die Vertheidigung des Dichters übernahm M. Tullius Cicero, und zwar mit um so grösserer Geneigtheit, als ihm jener die Hoffnung gemacht hatte, seine Thaten als Consul in einem Epos zu feiern 1); doch blieb das bereits begonnene Gedicht unvollendet 15). Da der Beweis für das Bürgerrecht des Archias unschwer zu führen war, und die Behauptung des Gegners durch das Zeugniss der Bürger von Heraclea und des M. Lucullus und durch die vom Praetor Q. Metellus Pius geführte Einzeichnungsliste widerlegt wurde 16), so hält sich Cicero nur wenig bei der eigentlichen Vertheidigung auf, und füllt den zweiten grösseren Theil seiner Rede 1) mit einer Lobpreisung der Poësie und der Wissenschaften überhaupt aus, die auch dazu dienen sollte, die Richter zu überzeugen, dass Archias, wenn die Rechtmässigkeit seines Bürgerrechts in irgend einer Beziehung noch im Zweifel stehen sollte, doch auch ohne gesetzliche Ansprüche dessen als 6 würdig erscheinen würde 18). Da die alten Redner in leichten Sachen die Beweisführung oft nur in der Disposition entworfen und blos das Exordium und die Peroratio sorgfältig in der Vorbereitung ausgearbeitet haben, so ist es wohl möglich, dass Cicero die in der Meditation nicht ausgearbeitete Beweisführung und Widerlegung des Gegners beim freien Vortrag weiter ausgesponnen, aber bei der späteren Herausgabe in nur flüchtiger Skizze hingeworfen hat; hingegen bedurfte derjenige Theil der Rede, der extra causam ist, eine genaue Vorbereitung für den Vortrag,

14) § 28. Dies war wohl mehr der Grund der Uebernahme der Vertheidigung, als der, den Cicero selbst am Eingang der Rede angibt, dass Archias sein Lehrer gewesen sei. Als solchen nennt er ihn sonst nirgends. Was der junge Cicero, der keine Gelegenheit zu seiner allseitigen Ausbildung versäumte, dem Archias verdankte, wird sich auf die Einflüsse persönlichen Umgangs beschränkt haben. 15) Ein Jahr später schreibt Cicero an Atticus (I, 16, 15): Archias nihil de me scripsit, ac vereor ne, Lucullis quoniam poëma condidit, nunc ad Caecilianam fabulam spectet, d. h. auf einen Stoff, der die gens Caecilia betraf, vielleicht Besingung der Thaten des Metellus Numidicus. In einem spätern Brief heisst es (ad Att. I, 20, 6): de meis scriptis misi ad te Graece perfectum consulatum meum: eum librum L. Cossinio dedi. Puto te Latinis meis delectari, huic autem Graeco Graecum invidere. Alii si scripserint, mittemus ad te, sed mihi crede, simul atque hoc nostrum legerunt, nescio quo pacto retardantur. 16) § 8 ff. und § 31. 17) von § 12 an. Diese Partie gehört dem genus demonstrativum oder ἐπιδεικτικόν an. 18) c. 2, § 4.

da seine Hauptwirkung von der schön gerundeten und sorgfältig ausgefeilten Darstellung (elocutio) abhing.

Der Process endete mit der Freisprechung des Archias; ihm 7 verdankt es der Dichter, dass sein Name auf die Nachwelt gekommen ist. Denn ausser dem, was wir aus der Rede von ihm erfahren, haben sich von seinen Werken nur spärliche Notizen erhalten. Noch als Jüngling besang er den cimbrischen Krieg, und wusste selbst dem jungen Marius Beifall abzulocken 19). Ein späteres episches Gedicht über den Mithridatischen Krieg 20) verherrlichte die Thaten seines Gönners L. Lucullus. Ob er seine Absicht, auch die Familie der Meteller durch eine Dichtung zu feiern 21), zur Ausführung gebracht hat, ist unbekannt. Man weiss nur noch von der poëtischen Erzählung eines bedeutungsvollen Ereignisses, das den Schauspieler Q. Roscius als unmündiges Kind betroffen hatte 22). Keines seiner Werke hat sich. erhalten, wohl aber eine Anzahl von Epigrammen in der griechischen Anthologie, die den Namen Archias tragen, aber keines ausdrücklich den des Antiocheners 23), so dass es völlig unbestimmbar ist, ob eines dieser mittelmässigen Producte unsern Archias zum Verfasser gehabt hat.

Ohne Grund wurde die Echtheit der Rede von mehreren neueren Kritikern, als Schröter, Büchner und Stahr angefochten. Gehört sie auch ihrem Werthe nach zu den Reden zweiten Rangs 24), so sprechen doch alle äusseren und inneren. Gründe für Cicero als Verfasser, wie Julius Lattmann in einer gediegenen Abhandlung (Göttingen 1847) überzeugend nachgewiesen hat.

19) § 19. 20) 21.

21) s. Anm. 15. 22) Cic. de divin. I, § 79: Roscius cum esset in cunabulis educareturque in Selonio, qui est campus agri Lanuvini, noctu lumine adposito experrecta nutrix animadvertit puerum dormientem circumplicatum serpentis amplexu, quo aspectu exterrita clamorem sustulit. Pater autem Roscii ad haruspices rettulit, qui responderunt nihil illo puero clarius, nihil nobilius fore. Atque hanc speciem Pasiteles caelavit argento et noster expressit Archias versibus. 23) Einige dieser Epigramme werden einem Archias aus Macedonien, andere einem aus Byzanz beigelegt; bei einigen findet sich der Beisatz 'des Grammatikers oder des jüngeren', so dass man höchstens blos jene Epigramme, welche die Aufschrift Aoxiov tragen, unserm Dichter beilegen könnte. 24) Tacitus dial. de orat. c. 37: non, opinor, Demosthenem orationes inlustrant, quas adversus tutores suos composuit, nec Ciceronem magnum oratorem P. Quinctius defensus aut Licinius Archias faciunt: Catilina et Milo et Verres et Antonius hanc illi famam circumdederunt.

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1. Si quid est in me ingenii, iudices, quod sentio quam sit exiguum, aut si qua exercitatio dicendi, in qua me non infitior mediocriter esse versatum, aut si huiusce rei ratio aliqua ab optimarum artium studiis ac disciplina profecta, a qua ego nul-. lum confiteor aetatis meae tempus abhorruisse, earum rerum 5 omnium vel in primis hic A. Licinius fructum a me repetere prope suo iure debet. Nam quoad longissime potest mens mea respicere spatium praeteriti temporis et pueritiae memoriam recordari ultimam, inde usque repetens hunc video mihi principem

1. Si quid etc. d. h. wenn ich die Erfordernisse besitze, die zur Bildung eines Redners gehören; Quintil. I. O. 3, 5, 1: facultas orandi consummatur natura, arte, exercitatione: cui quartam partem adiciunt quidam imitationis (so der Auct. ad Her. I, § 3), quam nos arti subicimus. Im Griech. φύσις, μάθησις (ἐπιστήμη), μελέτη.

2. exercitatio dicendi heisst nicht nur 'Uebung im Reden', sondern auch 'Geübtheit, Fertigkeit. So hier zu erklären verlangt das zu ergänzende_est in me, wie gerade so auch Demosthenes de cor. § 277 sagt: el ovv έστi naì лаo ἐμοί τις ἐμπειρία τοιαύτη. Nicht stört der Infinitiv esse versatum, bei dem man exerc. dicendi eher als 'Uebung im Reden' fassen möchte; aber versatus steht hier adjectivisch im Sinne von 'bewandert, routiniert', wie de orat. 3, 78: hac dicendi exercitatione, in qua Velleius est rudis, unus quisque nostrum versatus.

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her es richtig heisst: est in me ratio. Sie steht hier bedeutungsvoll zuletzt, weil ihr Cic. wegen des Einflusses, den Archias auf seine geistige Ausbildung gehabt habe, das grösste Gewicht einräumen will, wie schon die Steigerung in den Verba sentio, non infitior und confiteor zeigt.

4. a qua scil. ratione, d. i, um sie zu erwerben. Was für ein Accusativ ist tempus?

6. A. Licinius. Mit diesem römischen Namen nennt Cic. überall den Archias, wo Zeitverhältnisse berührt werden, die nach der Erlangung der Civität fallen. Peregrinen, die zur Civität gelangten, führten das nomen und in der Regel auch das praenomen des Römers, dem sie die Civität mitteloder unmittelbar verdankten: so Archias das Nomen Licinius von den Lucullern; das Praenomen Aulus ist von keinem Lucullus bekannt, wohl aber in der Familie Murena, die auch zur gens Licinia gehörte.

fructum: worin besteht dieser? 7. prope suo iure, d. h. er hat fast ein Eigenthumsrecht auf den fructus (daher auch repetere), da er zumeist aus dem Samen seines Unterrichts entsprossen ist.

8. memoriam, die im Gedächtniss lebende Zeit.

9. inde usque repetens 'bis von da an zurückholend', d. h. so weit zurückgehend. — principem exstitisse ad 'die grösste Anregung ge

et ad suscipiendam et ad ingrediendam rationem horum studiorum exstitisse. Quodsi haec vox huius hortatu praeceptisque conformata nonnullis aliquando saluti fuit, a quo id accepimus, quo ceteris opitulari et alios servare possemus, huic profecto ipsi, 5 quantum est situm in nobis, et opem et salutem ferre debemus. Ac ne quis a nobis hoc ita dici forte miretur, quod alia quaedam 2 in hoc facultas sit ingenii neque haec dicendi ratio aut disciplina, ne nos quidem huic uni studio penitus umquam dediti fuimus. Etenim omnes artes, quae ad humanitatem pertinent, habent 10 quoddam commune vinculum et quasi cognatione quadam inter se continentur. 2. Sed ne cui vestrum mirum esse videatur, me 3 in quaestione legitima et in iudicio publico, cum res agatur apud praetorem populi Romani, lectissimum virum, et apud severissimos iudices, tanto conventu hominum ac frequentia hoc uti ge15 nere dicendi, quod non modo a consuetudine iudiciorum, verum etiam a forensi sermone abhorreat, quaeso a vobis ut in hac geben hat', vgl. p. Sulla 9 neque enim ego tunc princeps ad salutem esse potuissem, si etc.

1. suscipere im Gegensatz von ingredi 'wählen'; rationem 'Richtung, Bahn', wie vitae rationes de imp. Pomp. 1.

2. praeceptisque, nicht institutione, weil Cic. vom Archias nicht einen methodischen Unterricht erhalten hat; Einl. Anm. 14.

3. a quo: hier beginnt die Apodosis.

4. ceteris opitulari et alios servare: ceteri und alii stehen beide proleptisch (vgl. 10. 12. 13. 16. 18) im Gegensatz von huic ipsi, d. h. ceteri sind die übrigen ausser Archias, alii andere als er. Hilfe kann Cic. jedem andern als Redner leisten, daher ceteri, Rettung nicht allen, aber doch manchen, daher alii; vgl. bes. § 13.

5. est situm in nobis. Cic. de fin. b. et m. I, 57: est situm in nobis, ut et adversa quasi perpetua oblivione obruamus et secunda iucunde ac suaviter meminerimus. 6. hoc ita dici mit kleiner Abundanz des Ausdrucks, wie Cic. de Divin. II, 21 quod certe vobis ita dicendum est, de Nat. d. I, 84 istud

quidem ita vobis dicere necesse est.

7. facultas 'Befähigung; ratio aut disciplina 'Kenntniss und Wissenschaft. Aut heisst es, nicht ac, wegen des negativen Gedankens.

8. huic uni studio, mit Anspielung auf seine eigenen poëtischen Versuche, auf die sich Cic. nicht wenig zu gute thut. - penitus, d. i. hier ausschliesslich'.

10. commune vinculum: de Orat. III, 21: est illa Platonis vera vox, omnem doctrinam harum ingenuarum et humanarum artium uno quodam societatis vinculo contineri.

12. in quaestione legitima, die auf den Grund einer lex geführt wird, s. Einl. A. 12; in iudicio publico, in einem Staatsprocess, im Gegensatz zu causa privata.

13. praetorem, s. Einl. Anm. 11. severissimos. Ihre severitas ist hervorgehoben, weil ein Eingehn auf die studia humanitatis ac litterarum, die noch so vielen Römern als res leves ac nugatoriae vorkamen, dem strengen Ernst des Gerichts Eintrag zu thun schien.

16. quaeso a vobis. 'Mit streng logischer Darstellung hätte Cic. auf den Vordersatz ne cui mirum esse videatur me hoc uti genere dicen

reo,

vobis,

causa mihi detis hanc veniam, accommodatam huic quem ad modum spero, non molestam, ut me pro summo poëta atque eruditissimo homine dicentem, hoc concursu hominum litteratissimorum, hac vestra humanitate, hoc denique praetore exercente iudicium, patiamini de studiis humanitatis ac litterarum 5 paulo loqui liberius et in eius modi persona, quae propter otium ac studium minime in iudiciis periculisque tractata est, uti prope 4 novo quodam et inusitato genere dicendi. Quod si mihi a vobis tribui concedique sentiam, perficiam profecto ut hunc A. Licinium non modo non segregandum, cum sit civis, a numero civium, 10 verum etiam, si non esset, putetis adsciscendum fuisse.

nam ibi

3. Nam ut primum ex pueris excessit Archias atque ab iis artibus, quibus aetas puerilis ad humanitatem informari solet, se ad scribendi studium contulit, primum Antiochiae natus est loco nobili -, celebri quondam urbe et copiosa atque 15 eruditissimis hominibus liberalissimisque studiis adfluenti, cele

di so fortfahren müssen: accommodatum est huic reo, vobis, quem ad modum spero, non molestum. Die Zuversicht aber, womit dann Cic. den Gedanken 'diese Redeweise passt zu der Person, die ich vertheidige' ausgesprochen hätte, wäre für den Richter verletzend gewesen, indem diesen das Urtheil über das schickliche oder nichtschickliche scheinbar genommen wäre. So wählte der Redner eine zwar nicht streng logische, aber feine Wendung; denn gewähren die Richter die gestellte Bitte, so haben sie dadurch auch ihr Urtheil über das schickliche genugsam angedeutet.' Stürenburg.

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öffentlichen Leben; studium, wissenschaftliche Thätigkeit.

7. tractata est 'herumgezogen ward'. Das Wort im Sinne von versata est zu fassen erlaubt seine Bedeutung nicht. Cic. hat einen starken Ausdruck gewählt, um Missgunst gegen den Ankläger zu erwecken.

10. segregandum scil. esse, was aus dem folgenden fuisse zu ergänzen ist. Segregandum esse bezeichnet das wirkliche Verhältniss, da es sich im Sinne des Redners nur darum handeln kann, ob Archias aus der Zahl der Bürger auszuscheiden sei oder nicht: adsciscendum fuisse das nicht wirkliche Verhältniss, das nach antiker Auffassung dem Bereich der Vergangenheit angehört. In directer Rede lautete der Gegensatz: non modo non segregandus est, sed etiam adsciscendus erat.

12. ex pueris excessit. Cic. bedient sich als von einem Griechen der griech. Redensart ἐκ παίδων ἐξελθεῖν. Vgl. dagegen § 5 prae

textatus.

13. artes 'theoretische Studien, Wissenschaften'.

16. urbs liberalissimis studiis adfluens ist eine Stadt, in der ein reges

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