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Ausser Catilina und Antonius waren für das J. 63 noch fünf 8 Bewerber um das Consulat aufgetreten 27), von denen der bedeutendste M. Tullius Cicero war. Ihn vor allen zu verdrängen hatten sich jene beiden verbunden und dabei beschlossen, kein erlaubtes und unerlaubtes Mittel der Bewerbung unversucht zu lassen. So schlecht auch ihr Ruf war 28), so günstig standen doch ihre Aussichten, da auch Caesar und Crassus ihre Bewerbung gegen Cicero unterstützten. Dagegen hatte dieser nur schwache Hoffnung eines Siegs. Denn wie grossen Ruhm er sich auch als Redner und Sachwalter erworben hatte, wie sehr er von der Liebe des Volks, um dessen Gunst er bisher mit allem Eifer gebuhlt hatte, getragen wurde, wie hoch auch sein Charakter trotz mancher Schwächen aus dem sittlichen Schlamme seiner Zeit hervorragte, so sah doch die Partei der Optimaten scheel auf ihn als einen homo novus 29) und hatte auch frühere bittere Angriffe gegen ihre Standesgenossen nicht vergessen; ausserdem hegte sie die Besorgniss, dass er auch ferner im demokratischen Interesse wirken und den ehrgeizigen Absichten des Pompeius dienen werde. Da je- 9 doch die Wahlumtriebe des Antonius und Catilina alle gesetzlichen Grenzen überschritten, beschloss der Senat durch eine Verschärfung der lex Calpurnia de ambitu dem wüsten Treiben ein Ziel zu setzen, aber dagegen erhob der Volkstribun Q. Mucius Orestinus Einsprache. Diese gab dem Cicero Gelegenheit wenige Tage vor den Comitien die frechen Wahlumtriebe und offenen Bestechungen des Catilina und Antonius in einer kräftigen Rede30) (oratio in toga candida habita) vor dem Senat zu enthüllen und auf die noch gefährlichern Gegner, die im Hintergrunde standen, hinzudeuten. Diese Enthüllungen und die Rücksicht auf die der eigenen Sicherheit drohenden Gefahren brachen den Stolz der Optimaten, so dass sie ihre Stimmen für Cicero vereinigten. Mit ihm wurde Antonius gewählt, gegen den jedoch Catilina nur mit einer Minderheit von wenigen Stimmen unterlag 31).

27) Ihre Namen und Charakteristik bei Asconius p. 72. 28) or. in toga cand. p. 79: te vero, Catilina, consulatum sperare aut cogitare non prodigium atque portentum est? 29) Sall. 23.

30) Asc. Argum. p. 74: causa orationis huius modi in senatu habendae Ciceroni fuit, quod, cum in dies licentia ambitus augeretur propter praecipuam Catilinae et Antonii audaciam, censuerat senatus ut lex ambitus aucta etiam cum poena ferretur; eique rei Q. Mucius Orestinus tribunus pl. intercesserat. Tum Cicero, graviter senatu intercessionem ferente, surrexit atque in coitionem Catilinae et Antonii invectus est ante dies comitiorum paucos. Von der Rede selbst haben sich leider nur Bruchstücke erhalten, die Asconius bei Gelegenheit seines Commentars anführt. 31) Asc. p. 84 Cicero consul omnium consensu

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Um dieselbe Zeit waren mehrere Vollstrecker der Sullanischen Proscriptionen vor dem Untersuchungsrichter C. Julius Caesar verurtheilt worden, wiewohl die lex Cornelia inter sicarios ausdrücklich die Vollzieher der Achterklärungen ausgenommen hatte. Auch Catilina wurde wenige Monate nach den ConsularComitien wegen seiner damaligen Mordthaten von L. Lucceius belangt, aber trotz der offenbarsten Schuld freigesprochen 32). 11 Durch diese neue Anfechtung, besonders aber durch die wiederum vereitelte Hoffnung auf das Consulat erbittert und gedrängt durch seine immer tiefere Verschuldung fasste jetzt Catilina den Plan seine ehrgeizigen Absichten und eine neue Bewerbung um das Consulat nöthigenfalls auf dem Wege einer socialen Revolution durchzusetzen. Die äussere Lage des Staats schien einem solchen Unternehmen einen möglichen Erfolg zu versprechen, hätte sein Schöpfer nur einen Funken von geistiger Grösse in sich getragen. Nirgends stand in Italien ein Heer; Pompeius kämpfte im fernen Orient; der Senat schlaff und ohnmächtig, überall äussere Sicherheit und Ruhe3), während im Innern durch das Missverhältniss der Stände, durch die rasende Genufssucht und tiefe sittliche Verkommenheit in allen Classen der Gesellschaft, durch den täglich sich mehrenden Zusammenfluss von Gesindel aller Art in der Hauptstadt, durch die schweren Wunden, welche die Sullanische Schreckenszeit dem Wohlstand, Gewerbfleiss und Eigenthum geschlagen hatte, eine ungeheure Masse von Zündstoff 12 angesammelt war. Bei solcher Lage der öffentlichen Verhältnisse fand sich leicht ein zahlreicher Anhang 34) zu einer Verschwörung, die bald ihre Netze über ganz Italien ausbreitete. Ihren weiteren Kreis bildete die üppige Jugend, Besitzlose, Wüstlinge und Verbrecher aller Art, die Veteranen des Sulla, die nach Vergeudung ihrer schnell erworbenen Reichthümer nach neuer Beute sich sehnten, die grosse Menge der durch die Militärcolonien von Haus und Hof vertriebenen, endlich das gefährlichste Element, der nach Raub und Mord lüsterne Pöbel der Hauptstadt. Der engere Kreis bestand aus den verderbtesten Mitgliedern der römischen Aristokratie 3), welche Herrschsucht, Lüderlichkeit und Verschuldung

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factus est: Antonius pauculis centuriis Catilinam superavit, cum ei propter patris nomen (s. Anm. 25) paulo speciosior manus suffragata esset quam Catilinae. 32) Dio 37, 10. Ascon. p. 81; vgl. Mommsen R. G. III, 180 (3). 33) aus Sallustius c. 16. 34) or. II, c. 8 ff. 35) Das einzelne bei Sall. 17. Florus sagt II, 12 in seinem rhetorischen Bombast: ipse (Catilina) patricius: sed hoc minus est: Curii, Porcii, Sullae, Cethegi, Autronii, Varguntei atque Longini, quae familiae!

dem Catilina an Verwegenheit gleich gemacht hatte. Als sich so Catilina aller zu einem Umsturz geneigten Elemente versichert hatte, erhielt der geworbene Anhang zunächst die Weisung seine Wahl zum Consul für das J. 62 mit allen Mitteln zu unterstützen. War er nur einmal ernannt, so hoffte er den einen Consul, Antonius, leicht nach seinem Willen zu lenken, Cicero aber durch Gewalt zu beseitigen. Aber auch diesem fehlte es nicht an Wach- 13 samkeit und Schlauheit, um die Pläne seines kühnen Feindes zu durchkreuzen 36). Cicero hatte sogleich beim Antritt seines Consulats unter grossen Verheissungen durch Vermittlung der Fulvia, der ihr Geliebter Q. Curius manches von den Entwürfen des Catilina ausgeschwatzt hatte, bewirkt, dass er durch diesen von allen Schritten Catilina's in Kenntniss gesetzt wurde. Seinen Collegen Antonius hatte er dadurch, dass er ihm als consularische Provinz die reiche Beute versprechende Statthalterschaft von Macedonien abtrat, von einer Verbindung mit Catilina abgezogen und zur Unthätigkeit vermocht. Zu seiner persönlichen Sicherheit versah er sich insgeheim mit einer Schutzmannschaft von Freunden und Clienten, die ihm wohl auch als geheime Polizei dienen mochte 37). Um Catilina's Wahlumtrieben entgegenzuarbeiten, setzte er eine neue lex de ambitu durch, in welcher sowohl rücksichtlich der Zahl der verpönten Handlungen 38) als in Beziehung auf das Strafmass 30) die Bestimmungen der lex Calpurnia vom J. 67 verschärft waren. Die zunächst gegen ihn durchgesetzte Lex erbitterte Catilina, erschütterte aber nicht seine Zuversicht 40); vielmehr ward er täglich mehr in seinem Entschlusse bestärkt, den Kampf mit einer Regierung aufzunehmen, die seinem kecken Auftreten und herausfordernden Trotze "1) bisher nur Zögern und Schwanken entgegengesetzt hatte.

Lange genug hatte das unheimliche Gespenst einer offen- 14 kundigen Verschwörung die Stadt in banger Furcht gehalten, als endlich Cicero, erschreckt durch sehr aufregende Aeusserungen

quae senatus insignia! Lentulus quoque tum cum maxime praetor: hos omnes inmanissimi facinoris satellites habuit. 36) Sall. 26. 37) vgl. or. III, 5. 39) s. p. Murena c. 32. 39) Schol. Bob. ad or. p. Sulla p. 362: poenam de ambitu graviorem consules C. Antonius et Cicero sanxerunt, ut praeter haec veteribus legibus constituta etiam exilio (decem annorum) multarentur. 40) s. die schöne Schilderung in der or. p. Mur. 49. 41) p. Mur. c. 25, wo es a. E. heisst: in eodem ordine (i. e. senatu) paucis diebus ante Catoni, fortissimo viro, iudicium minitanti ac denuntianti respondit, si quod esset in suas fortunas incendium excitatum, id se non aqua, sed ruina restincturum.

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des Catilina, der sein sociales Programm42) in einer Privatversammlung entwickelt hatte, am Tage vor den Comitien die Gefahr der Republik im Senat zur Sprache brachte. Der Senat fasste den Beschluss, am folgenden Tage, statt die Consularcomitien zu halten, die Lage der Republik in Erwägung zu ziehn. In dieser Sitzung erstattete der Consul vor zahlreicher Versammlung Bericht über die jüngsten Schritte der Anarchisten43), und stellte hierauf an Catilina, der sich nicht gescheut hatte im Senat zu erscheinen, die Aufforderung, sich über die dargelegten Enthüllungen zu äussern. Statt sich zu rechtfertigen, erklärte dieser unverholen : der Staat habe zwei Körper, einen gebrechlichen mit schwachem Haupte und einen starken ohne Haupt; dem letzteren werde es, so lange er athme, an einem Haupte nicht fehlen. Darauf stürzte er mit der Miene eines Siegesbewussten aus der Versammlung. Trotz dieses frechen Gebahrens kam es zu keinen energischen Beschlüssen), so dass sich der Consul bemüssigt sah, auf eigene Hand für seine Sicherheit zu sorgen. Am Tage der Comitien, die wahrscheinlich wenige Tage später stattfanden 45), erschien er, mit einem glänzenden Harnisch unter der Toga, unter starker Bedeckung entschlossener Männer auf dem Marsfeld 46); so wagten die Rotten des Catilina, die sich mit Schwertern bewaffnet in zahlreicher Menge eingefunden hatten, keinen Angriff, und die Wahl entschied für Decimus Junius Silanus und L. Licinius Murena.

Wie sich so Catilina von neuem vom Consulat ausgeschlossen und sein auf den Consul beabsichtigtes Attentat vereitelt sah, beschloss er zum offenen Aufstand zu schreiten. Rastlos wirbt er zur Verstärkung seines Anhangs, bearbeitet durch rührige Sendlinge die italischen Landschaften, sammelt in verschiedenen gutgelegenen Plätzen in und ausserhalb Roms Waffenvorräthe,

42) p. Mur. 50: meministis enim, cum illius nefarii gladiatoris voces percrebruissent, quas habuisse in contione domestica dicebatur, cum miserorum fidelem defensorem negasset inveniri posse, nisi eum qui ipse miser esset; integrorum et fortunatorum promissis saucios et miseros credere non oportere: quare qui consumpta replere, erepta recuperare vellent, speclarent, quid ipse deberet, quid possideret, quid auderet: minime timidum et valde calamitosum esse oportere eum, qui esset futurus dux et signifer calamitosorum. 43) p. Mur. 51. 44) ibid. partim ideo fortes in decernendo non erant, quia nihil timebant, partim, quia timebant cuncta. 45) Dass die consularischen Comitien, die gewöhnlich im Monat Juli stattfanden, nicht viel über die gewöhnliche Zeit vertagt wurden, hat jetzt C. John a. a. O. (s. Anm. 1) mit guten Gründen erwiesen. Die nächste Zeit verging für Catilina mit der Organisirung des bewaffneten Aufstands. 46) Cat. I, 11. p. Sulla 51 u. bes. p. Mur. 52.

lässt Gelder, die er auf seinen und seiner Freunde Credit aufgebracht hatte, nach Faesulae in Etrurien zu C. Manlius, einem vormaligen Centurio, schaffen, der zum militärischen Leiter der Revolution ersehen war. Nach Vollendung der Rüstungen ward zur Schilderhebung des Manlius in Etrurien der 27. October bestimmt; Tags darauf sollten in der Stadt der Consul und die angesehensten Optimaten überfallen und niedergemacht werden 47). Von diesen Plänen unterrichtet berief Cicero am 21. October den Senat, der sich jetzt endlich ermannte und den Consuln durch die Formel,,videant consules ne quid res publica detrimenti capiat" unbeschränkte Vollmacht ertheilte, um für die Sicherheit des Staats zu sorgen48). Als wenige Tage hernach der Senator L. Saenius ein Schreiben aus Faesulae vorlas, C. Manlius habe am 27. October mit zahlreicher Menge zu den Waffen gegriffen, und als Nachrichten von Gährungen der Sklaven in Capua und Apulien einliefen, beschloss der Senat umfassende militärische Vorkehrungen zu treffen. Die Proconsuln49) Q. Marcius Rex und Q. Metellus Creticus wurden, ersterer nach Faesulae, dieser nach Apulien und in die Umgegend geschickt, die Prätoren Q. Pompeius Rufus und Q. Metellus Celer nach Capua und in die picenische Mark beordert, mit dem Auftrag Truppen auszuheben; für Anzeigen von der Verschwörung wurden Belohnungen ausgesetzt und zum Schutze der Stadt ausgedehnte Sicherheitsmassregeln angeordnet. Catilina selbst wurde als Urheber dieser Wirren von 16 einem jungen Patricier, L. Aemilius Paullus, nach der lex Plautia de vi angeklagt, worauf er, auch jetzt noch den Unbefangenen spielend, sich mehreren angesehenen Männern zur freien Haft erbot 5), damit man nicht glauben möge, er werde durch Flucht der drohenden Gefahr weichen. Doch war bereits in seiner Seele, da er sich in der Stadt überall durch die scharfe Wachsamkeit des Consuls umgarnt sah, der Entschluss gereift, sich selbst an die Spitze des Heeres in Etrurien zu stellen und den Kampf zur raschen Entscheidung zu führen, ehe die Rüstungen der Republik vollendet wären; nur sollte vor seinem Abgange von Rom noch ein Hauptschlag, die Ermordung des Consuls, versucht werden. So beruft er in der Nacht vom 6. auf den 7. November seine 17 Genossen zu einer neuen Versammlung in das Haus des M. Por

47) Cat. I, 7. auch Dio 37, 21.

48) über die Bedeutung der Formel s. Sall. 29, vgl. 49) Sall. 30: hi utrique ad urbem imperatores erant, impediti ne triumpharent calumnia paucorum, quibus omnia honesta atque inhonesta vendere mos erat. 50) Sall. 31. Cic. or. I, 19. Dio 37, 32.

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