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An seinen Bruder Wilderich.

43.

Eichstätt, 25. August 1841.

Es ist eigentlich noch viel zu früh, daß ich schon wieder an Euch, geliebte Geschwister, schreibe, aber ich kann mir das Vergnügen nicht versagen. Ferner habe ich sowohl Dir, meinem alten Wilderich, wie auch der geliebten Paula, nothwendig Dank zu sagen für die sofortigen Nachrichten. Den ersten Brief von Bellinzona den 13. erhielt ich erst am 22., dagegen den vom 17. von der schönen Vigna, aus unserm herrlichen Lese- und Zeichnenzimmer, schon am 24., obwohl er unbegreiflicher Weise durch Frankreich gegangen war. Meinetwegen über Mexiko, wenn ich die Briefe nur so rasch bekomme.

Das wäre mir freilich nicht eingefallen, als ich mich in Lindau am Sonntag den 15. aus dem Bett aufmachte, daß Wilderich da schon wieder bei Dir eingetroffen sein könnte. Ich kann mir ihn recht vorstellen, wie er, von seinem lahmen Begleiter entfesselt, mit einer wahren Wuth auf seine armen Gebeine losgestürmt und über den St. Gotthard gerannt ist mit einer fürchterlichen Unbarmherzigkeit gegen sich selbst.

Also Du, geliebte Paula, hast Deinen Gemahl wieder allein ziehen lassen und aus Eurer Reise nach Genua, worauf ich mich so sehr gefreut hatte, wird nichts. Das ist mir durchaus nicht recht, und es ist schon höchst nothwendig, daß wir bald wieder auf der Vigna Cravanzana zusammen kommen, um diese Reise gemeinschaftlich zu machen. In Italien würde ja ein schwarzer Rock zu Eurer Gesellschaft vortrefflich passen. Die Vigna liegt mir kreuz und quer im Kopf, obwohl sie auf die Dauer für einen Sohn der mittelalterlichen Ritterzeit nicht paßt. Aber so zwischendurch, um die Rüstung auszuziehen und sich in Sammt und Seide zu Heiden unvergleichlich.

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Doch um Euch nicht zu erboßen, muß ich mit meinen Gedanken schon einen Sprung von einigen hundert Stunden Wegs weiter nördlich machen und Euch von mir erzählen. Der Bischof ist natürlich noch nicht zurück und so wird es immer noch fünf bis sechs Tage dauern, bis ich mit meiner ganzen Einrichtung in Ordnung bin. Bis Jhr aber diesen Brief erhalten haben werdet, bin ich doch mit Gottes Hilfe schon ganz mit Leib und Seele im Seminar etablirt, vorausgesezt, daß Gott sich besonders der leztern annimmt. Mein guter Herr Regens hätte mich am liebsten sofort wieder eingepackt und nach Rom ins Collegium Germanikum expedirt. Ich verdanke es auch lediglich den freundlichen preußischen Geseßen, v. Ketteler, Briefe.

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daß es nicht dazu kommen wird. Die dortige Ausbildung ist gewiß die beste für einen Geistlichen, so daß ich keinen vernünftigen Grund hätte entgegensezen können. Aber bei der Unmöglichkeit einer Anstellung für die Zukunft und schon der Verdächtigkeit wegen, die man dadurch auf sich laden würde, stand der Regens, abgesehen von den positiven verbietenden Gesezen, ganz davon ab. Ueber meine endliche Wohnung, Tageseintheilung und Beschäftigung kann ich Euch also noch nichts sagen und so beschränke ich mich auf die interessante Mittheilung, daß ich vorläufig noch im Gasthaus zum Baierischen Hofe“ in Eichstätt wohne, dem Hotel ersten Rangs hierselbst, wo ich als unbekannter Baron, der viele Briefe schreibt und bekömmt und der erste seiner Art so viel Interesse an Eichstätt findet, daß er schon acht Tage hier ist und noch keine Anstalten zur Abreise trifft, eine große Rolle spiele. Dabei hat das Gasthausleben in Eichstätt den Vortheil, den ich noch in keinem Gasthaus angetroffen, daß man darin ein Einsiedler-Leben führen kann wie in einer ägyptischen Wüste, die ich mir jedoch wohl ebenso unrichtig vorstellen mag wie N. N. von N. aus (in Westphalen) sich die Jungfrau und den Mont Blanc. Von diesem möglichen kleinen Unterschied also abgesehen, führe ich hier nach meiner Ansicht ein Einsiedler-Leben, das mir sehr gut gefällt und worin ich mich durchaus heimisch fühle. Um 6 Uhr stehe ich auf. Die Toilette nimmt nach Wilderichs Vorschrift fast eine Stunde weg, was eben den Einsiedlern wohl nicht nachgemacht sein mag; aber sie kannten ja auch Prisniß nicht. Dann gehe ich zu der einige Schritte entfernten Domkirche, habe dort die Freude für alle meine entfernten lieben Angehörigen beten zu können, ein Trost, den ich für nichts auf der Welt entbehren möchte. Nach dem Frühstück, wo ich schnell die neueste Allgemeine Zeitung" durchblättere also gewiß ganz wie die Einsiedler — studire ich die Philosophie von Staudenmeier. Um 1212 wird gegessen und während dessen und nachher die Zeitung vollendet. Dann studire ich einige Stunden Klee's Dogmatik und Lese darauf ein höchst interessantes Werk von Theiner: „Neueste Zustände der katholischen Kirche in Polen," verlegt von Kollmann in Augsburg. Von 5 bis 7 gehe ich zuerst zu einer kleinen Wallfahrtskapelle der Mutter Gottes, die eine kleine halbe Stunde entfernt auf einer Höhe gelegen ist, und von dort spazieren an eine Stelle, die allen meinen Anforderungen zu einem schönen Spaziergang entspricht sehr, sehr freundlich, wo ich schon einige herrliche Abende zugebracht habe und wo ich heute noch zur Krone sechs Rehe und einen Kapitalbock auf der Aesung antraf. Dann trinke ich einen Schoppen. Einsiedler-Bier und bringe das Ende des Tages endlich mit so lieben Correspondenzen zu, wie die ist, mit der ich jezt beschäftiget bin. So sind

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mir diese Tage meines Hierseins schnell und angenehm verschwunden und mit Gottes Hilfe werden sich die kommenden nicht weniger freundlich anreihen. Euch, meinen geliebten Geschwistern, kann ich es mit Worten nicht ausdrücken, wie theuer Ihr mir seid und wie dankbar ich Euch für Eure Liebe und Theilnahme bin. Gott nehme uns in seinen Schuß und darauf bauend sage ich Euch getrost ein herzliches Lebewohl.

An seinen Bruder Wilderich.

44.

Eichstätt, 2. September 1841.

Seine Rückkehr

Wie ich in meinem leßten Briefe Euch geschrieben, so habe ich bis jezt mein Leben fortgesezt und erwarte stündlich die Rückkehr des Bischofs, der, wie ja jezt durch die Zeitungen bekannt ist, wieder im Auftrage des Heiligen Vaters zu unserem Erzbischof gereist ist. verzieht sich schr; wenn das nur kein böses Zeichen ist. trägen weiß ich nichts. Ich habe nur erfahren, daß er am 24. v. M. einen Besuch auf der Hinneburg 1) gemacht hat, wozu er gewiß von Ferdinand Galen veranlaßt wurde, der ja noch dort sein muß.

Von seinen An

Mein einziger Umgang ist hier der Regens des Seminars, den ich bei jeder Unterredung lieber gewonnen habe und dem ich mein Schicksal mit aller Freude ganz und gar in die Hände geben würde. Er hat so milde, die menschliche Schwäche berücksichtigende Ansichten über die Art, wie ich das neue Leben beginnen müßte, und begreift so ganz die Beschaffenheit des menschlichen Herzens und Gemüthes, daß mir während unserer Gespräche jede Furcht darüber schwand, ob ich die Leistungen erfüllen könne.

In dieser Beziehung werdet Ihr Euch also wohl denken können, wie sehr ich wünschen würde, bei ihm meinen Aufenthalt nehmen zu können. Lezteres erscheint aber noch sehr zweifelhaft wegen des gänzlichen Mangels an Lehrern in der hiesigen Stadt. Der Regens selbst ist so in Anspruch genommen, daß er wohl kaum und nach seiner Ansicht jedenfalls zu wenig aushelfen könnte. Seine Meinung ist daher, daß es für mich besser sein würde, meinen Aufenthalt im Seminar des Bischofs von Passau zu neh-. men, mit welchem zugleich eine vollständige Studienanstalt verbunden ist. Dagegen läßt sich nun freilich nichts sagen und ich bin durchaus damit zufrieden, wenn der Bischof auch dieser Ansicht beistimmen wird. Den Bischof sowohl wie den Regens würde ich zwar ungern verlassen, aber

1) Schloß des Grafen von Asseburg.

von der andern Seite zieht mich die Persönlichkeit des Bischofs von Passau doch wieder in hohem Grade an. Auch der hiesige Regens spricht von ihm wie von einer ganz seltenen Erscheinung unter den Gestirnen an dem Himmel der Kirche, und was kann man sich Lehrreicheres denken, wie einen solchen Mann als Hirt seine ihm anvertraute Heerde in diesen schweren Zeiten vertheidigen zu sehen! Wie immer also die Entscheidung ausfallen mag, so kann ich mich ganz bei ihr beruhigen und werde mich, wenn Passau bestimmt werden sollte, recht bald dahin verfügen.

Ueberaus ansprechend ist hier das Knabenseminar. Es steht unter unmittelbarer Leitung des Regens, der sich den ganzen Tag mit den Kindern zu beschäftigen scheint und mir neulich sagte, er habe denselben keine Stunde festgesezt, wo sie zu ihm kommen dürften, weil das zu sehr das Ansehen einer strengen Regel habe. Er läßt sie vielmehr den ganzen Tag zu sich kommen, um an ihnen so viel möglich in jedem Augenblicke die Stelle der Eltern vertreten zu können. Deßhalb klopfe es aber auch den ganzen Tag an seinem Zimmer. Solche Ansichten wiegen gewiß tausend Theorien auf. Den Unterricht empfangen die Kinder im Gymnasium. Das Seminar ist nur bestrebt, sie möglichst religiös zu erziehen; auf ihren Unterricht hat es durchaus keinen Einfluß. Es werden Kinder aus jedem Stande aufgenommen, auch einige Adelige befinden sich darunter. Die geistliche Kleidung und der Name hindert jedoch manche Eltern ihre Kinder eintreten zu lassen. Die Zöglinge sahen vortrefflich aus, ihre Kleidung ist sehr reinlich und neulich am Sonntag war es außerordentlich hübsch, diese kleinen Seminaristen, alle in weißen Chorhemden über ihren schwarzen Röcken, die ersten Bänke der Kirche einnehmen zu sehen. Die Auslagen für ein Kind betragen 240 fl. 137 Thlr., so daß auch ärmere Kinder recht gut dort unterzubringen sind.

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Den schönen klaren Himmel habe ich glücklicher Weise von Italien mit herüber genommen und ich bringe täglich herrliche Abende im Freien zu. Von 5-8 Uhr genieße ich die schöne Luft und habe einen wahren Schat an prächtigen Spaziergängen in der Umgegend entdeckt. Bu= weilen habe ich auch noch mit Erfolg auf Rehe gepirscht, was für mich ein prächtiger Zeitvertreib ist. Zu meinen Hausbeschäftigungen sind jezt noch die deutschen Concilien von Binterim hinzugekommen, die mich wegen der genauen Beschreibung der einzelnen Bischofssize in Deutschland und ihres Entstehens sehr interessiren. Meine Zeit verschwindet mir so recht angenehm und schnell und ich begreife kaum, daß ich schon drei Wochen von Wilderich und um so viel länger von Dir, geliebte Schwester, getrennt bin.

An seine Schwester Sophie.

45.

Eichstätt, 11. September 1841.

Meinem Briefe an Mütterchen lasse ich diesen folgen, um sie, die ich jezt in Deiner Nähe vermuthe, und Dich, meine geliebte Schwester, von den Entschlüssen in Kenntniß zu sehen, die ich unter Beihilfe des Bischofs in Betreff meiner Zukunft gefaßt. Der Mangel an einer guten Unterrichtsanstalt im hiesigen Seminar scheint doch zu hinderlich, als daß ich wohl hier bleiben könnte. Der Bischof hat daher an Bischof Hofstetter zu Passau wegen meiner Aufnahme in das dortige Seminar geschrieben. Mit meiner Aufnahme wird es wohl keine Schwierigkeiten haben, und so ist also dort der Ort meines zukünftigen Aufenthalts. Da aber die Studien dort nicht vor Ende Oktober anfangen, so werde ich wahrscheinlich von Passau, nachdem ich dem Bischof meine Aufwartung gemacht, mich noch von der Donau weiter hinunter treiben lassen, um in Linz zu landen und in den dortigen Maximiliansthürmen mich einige Zeit den Fortifikations-Arbeiten zu widmen1).

Ich denke also etwa in acht Tagen von hier abzureisen, würde dann vielleicht den 23. in Passau sein und den 24. in Linz eintreffen, wo ich 14 Tage bis 3 oder 4 Wochen bei den Jesuiten zur Abhaltung von Exercitien zubringen würde, je nachdem es die Zeit erlaubt und die Umstände es räthlich machen. Gegen die zweite Hälfte des Oktobers würde ich dann nach Passau zurückkehren und dort bleiben. Dies ist das Projekt, im Rathe der Weisen beschlossen.

Auf meinen Aufenthalt bei den Jesuiten freue ich mich sehr. Ich könnte mir keine bessere Vorbereitungszeit denken. Auch mit der Verlegung meines Aufenthaltes nach Passau bin ich bei der Persönlichkeit des dortigen Bischofs ganz zufrieden, so ungern ich den hiesigen Bischof und Regens verlasse. Der Bischof von Passau ist ein zu außerordentlicher Mann, um nicht mächtig anzuziehen. Noch jüngst sagte mir der hiesige Bischof, der nicht wenige Menschen kennt, daß er noch nie, auch in Italien nicht, einen so begnadigten und wunderbaren Mann angetroffen habe. So kann ich mir also den Tausch gefallen lassen, der mir sonst durch die

1) Anspielung auf die Exercitien, welche er bei den Jesuiten in Linz machen wollte. Bekanntlich hat Erzherzog Maximilian von Este die Stadt mit 35 befestigten Thürmen umgeben. Hier ist der erste versuchsweise errichtete Thurm gemeint, der später zu Wohnungen eingeräumt und den Jesuiten übergeben wurde.

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