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liebte Paula, daß ich von alle dem, was seit Deinem Erkranken in Turin bis jetzt sich ereignet hat, nichts vergessen, und daß ich es wahrhaft so mit Dir getheilt habe, wie Du es nur irgend von meiner brüderlichen Gesinnung erwarten kannst. Dagegen will ich nur mit Dir über das sprechen, was mir gerade am nächsten liegt und soweit es die Zeit erlaubt. Ein recht angelegentlicher Wunsch ist es auch mir, geliebte Paula, daß es Dir bald vergönnt sein möge am Grabe Deiner theuren Mutter 1) zu beten und mit Deinen Schwestern recht nach Herzensverlangen zu beweinen, was Euch und uns Gott Großes genommen hat. Ich weiß ja, geliebte Paula, daß Deine Trauer um Deine Mutter nach den Worten des hl. Paulus nicht wie die Trauer jener ist, welche die Hoffnung nicht haben, und mit diesem seligen Troste im Herzen möchte ich Dir recht wünschen, nun auch die natürliche Trauer am Grabe so begehen zu können, wie es Dein Verlangen ist. Uns, die wir gelernt haben im Geiste die Wahrheit und in der ganzen Welt des Scheines nichts wie Unwahrheit zu schauen, ist ja auch der Tod des Gerechten nicht mehr der Tod, sondern der Tod des Todes; und wenn daher die Augen unseres Körpers den Sinnen, denen sie angehören, ihren Tribut bringen und Thränen vergießen, so kann sich unsere Seele doch im selben Augenblicke eines Gedankens der Freude gewiß nicht entschlagen in der Betrachtung des seligen Looses, das dem Geiste des Gerechten zu Theil geworden. Einen Schmerz, wie die Welt ihn um ihre Todten empfindet, können wir, aber auch freilich in unendlich erhöhtem Grade nur dann empfinden, wenn wir einen geliebten Menschen sterben sehen, für den wir nicht die Hoffnung der seligen Auferstehung haben. Vor diesem Gedanken habe ich ein wahres Entseßen und Gott wolle uns vor dem fürchterlichen Unglücke behüten, mit solchen Empfindungen jemals an dem Sterbebette eines Menschen und nun gar eines besonders geliebten Menschen stehen zu müssen. Gerne, gerne will ich Gott alle meine Lieben von dem Leben hinwegnehmen sehen, wenn er ihnen nur die Gnade gibt, wie Deine fromme Mutter in Jesus zu entschlafen, und keinen in der Trennung von ihm hinweg nimmt, denn nur dies ist ja der eigentliche, wahrhaftige, entseßliche Tod.

Könnten wir doch immer in allen uns umgebenden Verhältnissen, die uns oft so unbedeutend und zufällig erscheinen, den inneren Gehalt und Geist erblicken, wie oft würden wir als die Seele derselben den allliebenden Willen, die unendliche Barmherzigkeit Gottes antreffen, verborgen in der unscheinbarsten Gestalt! Alles, alles, was uns umgibt, ist ja gleichsam ein unendliches Mysterium, ein heiliges Sakrament. Wie

1) zu Rumillies bei Tournay in Belgien.

wir unter den Gestalten des Brodes mit den Augen des Glaubens den Gottmenschen Jesus erblicken, so müssen wir dahin streben unter allem Wechsel und Werden der uns umgebenden Erscheinungen als ihr eigentliches Wesen, ihre tiefere Wahrheit den alllenkenden, allliebenden Willen Gottes zu erkennen. Denn Gott ist es, der uns zu sich und, für sich erzieht, uns dazu die besten Verhältnisse sendet; und wer wollte mit seiner Naseweisheit die Weisheit Gottes bekritteln, mit seiner kleinen Liebe die unendliche Liebe Gottes verdrängen!

An seine Schwester Sophie.

51.

München, 5. Juni 1842.

Dein Brief, geliebte Sophie, aus dem Lande der schönen Buchen hat mein altes Verlangen erneuert Lembeck doch einmal im Frühjahr zu sehen, und da die Jagd von jezt an mir nicht mehr das Gefeß für die Zeit der Landbesuche vorschreiben wird, so verzichte ich nicht darauf diesen herrlichen Frühjahrsschmuck einmal mit Euch zu genießen.

Herzlichen Dank für Ferdinands Zeichnung des kleinen Krankenhauses, bei dem ich zuweilen hoffe durch hohe Protektion meines Herrn Schwagers einst als Vikarius zu funktioniren. Gott weiß, ob in diesem von Ferdinand gebauten Häuschen nach seinem Rathschluß nicht der Keim gelegt ist zu einer Einrichtung, die ihre Segnungen über das ganze Land verbreiten soll. Wundern sollte es mich wenigstens nicht, wenn dies Beispiel viele zur Nachahmung aneiferte. Auf Mathis und Bertha1) rechne ich schon ganz sicher.

Wenn meine Zeit und Gottes Wille es erlauben wird, so soll nach meiner Rückkehr der Besuch der Michaelis - Kapelle einer meiner ersten Wege sein. Es muß wahrhaft eine große Beruhigung sein, einst die müden Glieder zu der großen Ruhe in der Nähe eines so gottgefälligen Werkes niederlegen zu können. Wenn nur der übrige Adel überhaupt ein Beispiel an Ferdinand nehmen wollte, wie er die großen ihm anvertrauten Güter für den Nußen der armen Seele anwenden kann. Ferdinand muß doch im Ganzen sehr viel Gutes thun und das wird ihm Gott lohnen. Im Uebrigen ist dies aber noch ein entseßlich fauler Punkt, über den wir ja oft genug gemeinschaftlich geseufzt haben. Man muß freilich auch hier nicht vergessen, daß eine althergebrachte Ansicht über die Verwendung des Vermögens, über das, was der Stand erfor

1) Freifrau von Nagel-Dornick, geb. Gräfin Merveldt. v. Ketteler, Briefe.

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dert zc., nicht dem Einzelnen ganz zugerechnet werden wird, und daß dies oft Sünde mehrerer Generationen ist, woran der Einzelne gar keinen oder nur sehr geringen Antheil hat. Obwohl ich aber diese Ansicht ganz unter meine Grundsäße aufgenommen habe und in dieser Beziehung wohl milder wie früher denke, so kann ich mich doch oft einer großen Sorge deßhalb nicht entschlagen. Es lastet immer auf dem Reichsein ein schrecklicher Ausspruch des Herrn, der die Wahrheit selbst war und ist. Und in der That, wie selten mögen der Wille und der Gedanke Gottes über die Verwendung unserer Güter mit der Wirklichkeit zusammentreffen, und dieser Wille ist es doch, nach dem einst unsere Handlungen gerichtet werden.

Es muß Dir, geliebte Sophie, in dieser Beziehung Dein größter Schmerz zugleich Dein größter Trost sein. Für die Ewigkeit entbehrst Du nichts, denn Du hast ja dort Deine Kinder in dem Schooße des ewigen Vaters untergebracht und er, der sie Dir gegeben und genommen, wird Dir dort in dem Schauen seines unendlichen Wesens mehr gewähren. wie die reichste Nachkommenschaft. Für die Zeit aber hast Du dadurch neben Deiner so glücklichen zeitlichen Lage einen Schmerz, der Dich den Armen gleich und noch unter sie gestellt hat; und dafür sei Gott hochgelobt, denn Du stehst nun nicht mehr unter dem Fluche jenes Ausspruches, der um so gefährlicher wird, je mehr seine Wahrheit verkannt, ja fast von keinem mehr in seinem vollen Ernste verstanden wird. Nachdenken und Betrachten das ist es, was uns überall fehlt. Wir leben in einer fortgesetzten Selbsttäuschung und Unwahrheit und nur das betrachtende Gebet kann uns davon befreien. Doch leider Gottes komme ich da auf Gegenstände, die meinem Herzen unendlich nahe liegen, über die ich aber durchaus nicht vorhatte mit Dir heute zu sprechen, und wenn meine Zeit es erlaubte, so würde ich einen andern Brief anfangen. Daher jegt zu etwas Anderm.

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Seit meinem leßten Briefe an Dich hat ja auch Richard einen großen entscheidenden Schritt für die Zukunft seines Lebens gethan, den ich zwar wohl für möglich gehalten, aber doch in keinem Fall so nahe geglaubt hatte, da ich mit ihm ja nur in einem sehr spärlichen Verkehr gestanden und diesen Punkt schriftlich nie berührt hatte. Eine große Gnade Gottes ist es, daß er ihn unter so widersprechenden Verhältnissen seinen wahren Beruf hat erkennen lassen. Befreit von diesem schweren innern Kampfe über die Wahl seines Standes, wird er bald eine ungeahnte Ordnung und Kraft in sein Inneres einkehren sehen. Es hat vielleicht noch nie eine Zeit gegeben, in der alle äußeren Verhältnisse sich so vereinigt haben, um einem jungen Menschen, der zum geistlichen Stande be

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rufen ist, die Erkenntniß seines Berufes wie dessen Ergreifung zu erschweren, als die Gegenwart. Hingegen ist damit bei der großen Gefahr seinen Beruf zu verfehlen der Vortheil verbunden, daß die endliche Entscheidung für den geistlichen Stand um so gewisser den Willen Gottes erkennen läßt. Ich hoffe sehr, daß unsere Wege, die nun so innig verknüpft sind, auch äußerlich für einige Zeit sich vereinigen, und sehe dieserhalb mit Spannung der Entscheidung Richards entgegen. Wenn gute Gründe im Wege stehen, dann dürfte natürlich die Annehmlichkeit unseres Zusammenseins in keiner Weise in Betracht kommen; wenn das aber nicht der Fall ist, dann sehe ich wenigstens nicht ein, warum wir nicht die von Gott uns gegebenen Verhältnisse zur Erleichterung seines Dienstes benußen sollten. Wilderich meinte zwar, ob nicht seine große Anhänglichkeit an mich ein Grund unserer Trennung sein könne. Ich gestehe aber offen diesen Grund nicht ergründen zu können und muß daher, wenn das Eure gemeinschaftliche Ansicht sein sollte, bitten, dieses Bedenken mir zuvor deutlicher zu machen. Doch wird Richard das alles schon mit tüchtigen Männern überlegen und dann nach dem Willen Gottes einen Entschluß fassen. Fällt dieser gegen sein Hierherkommen aus, so bin ich damit um so mehr zufrieden, als ich für mich selbst vor jeder Zerstreuung etwas zurückschrecke.

Wir haben hier in dieser Zeit recht schöne kirchliche Feierlichkeiten gehabt. Zur Frohnleichnams-Procession war das Wetter sehr günstig. Ueberhaupt haben wir ein herrliches Frühjahr. Da um 6 Uhr meine Collegien geschlossen sind, so begebe ich mich dann gewöhnlich sogleich auf einen Spaziergang und labe mich auf demselben mit Plundermilch, die man zu meiner Freude hier sehr gut bekömmt. So genieße ich denn auch das Wetter täglich mit vollen Zügen, wobei ich nur unsere lieben Nachtigallen sehr entbehre, die leider sich hier nicht halten können. Das Klima muß wohl zu kalt sein, denn die Dertlichkeit wäre im Englischen Garten herrlich für sie. An diesem Englischen Garten besißt München einen kostbaren Schaz, der einen die Häßlichkeit der Gegend vergessen machen kann. Du wirst Dich seiner wohl kaum mehr erinnern. Ich kenne keine Stadt, die eine solche Anlage hätte, welche für mich höhern Werth hat als alle Kunstschäße Münchens.

Recht neugierig bin ich darauf, ob wohl die neue Broschüre von Görres1) bei Euch verboten werden wird. Ich zweifle nicht, daß sie Euch gut gefallen wird. Namentlich ist es wohlthuend, das Gefühl der Verachtung so großartig ausgesprochen zu sehen, der Verachtung über das

1) Kirche und Staat nach Ablauf der Cölner Irrung. Weissenburg a. E. 1842.

pöbelhafte Benehmen so vieler protestantischer Scribenten in den lezten Jahren. Ueberhaupt enthält das Buch so viel Wahrheit, wie man kaum mehr zu lesen gewohnt ist. Wenn man es verbietet, so ist die nackte reine Wahrheit unmittelbar selbst mitverboten. Wenn doch unser König einmal ein solches Buch ganz durchlesen wollte! Es gibt eine Art zu sprechen, die nur der Wahrheit eigen ist und die auf jeden irgend einen guten Eindruck machen muß, der noch der Wahrheit zugänglich ist.

Ich sende Dir nebenbei den Brief von Adolph Böselager zu= rück, den Du ihm wohl mit herzlichem Dank zuschickest. Es hat mich lange nichts mehr so gerührt, wie dieser Brief, schon der treuen Anhänglichkeit wegen, mit der dieser Missionär noch täglich unser im Gebet ge= denkt, dann aber auch seines ganzen übrigen Inhaltes wegen, der an einigen Stellen eine Ahnung des furchtbar beschwerlichen Lebens eines Missionärs aufkommen läßt. Wie weit, weit auseinander gehen doch die Wege der Menschen hier auf Erden!

Deinem Verlangen, über meine Studien Näheres zu schreiben, will ich nächstens in einem Briefe an Wilderich weitläufig genügen 1).

Mit der Heirathswuth kömmt es bei uns noch auf einen gefährlichen Punkt. Es ist und bleibt aber auch meine feste Ueberzeugung, daß es nur zwei Stände auf Erden gibt: den geistlichen und die Ehe. Von den Gefahren, die auf dem ni l'un ni l'autre liegen, habt ihr Frauen wohl keine Ahnung. Daß August2) bei Euch eingetroffen, habe ich von zwei seiner Regimentskameraden gehört, die Friz Kerssenbrock hier ge= sprochen. Grüße ihn doch recht herzlich von mir.

An seine Schwester Sophie.

52.

München, 30. Juli 1842.

Ich weiß zwar noch nicht, wohin ich meinen Brief richten muß, da Mütterchen mir schreibt, daß Dr. König das Emser Projekt noch prüfen soll; doch will ich nicht länger ohne Verkehr mit Dir bleiben und hoffe auf einen erleuchteten Gedanken beim Zumachen des Briefes. Wenn doch der gute Dr. König Dich und Ferdinand nach einem südlichen Bade schickte. Es läßt sich doch nicht denken, daß allein die Münsterschen Naturen von ihren guten Wirkungen ausgeschlossen sein sollten. Ich wünsche Euch nichts Böses, aber das von ganzem Herzen, daß König bei Le

1) Dieser Brief ist leider verloren gegangen.

2) Sein älterer Bruder, damals im Garde-Ulanen-Regiment zu Potsdam.

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