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daß ich nämlich nie und nimmer eine größere und verantwortungsvollere Stelle als meine gegenwärtige aus freier Wahl annehmen werde. Der Gedanke, meine Stelle als Pfarrer niederzulegen und mir einen andern Wirkungskreis zu erwählen, ist mir zwar wohl hie und da gekommen, aber immer nur in der Richtung, daß ich mich sehne, meine Pflicht vermindert zu sehen, um sie dann besser erfüllen zu können.

Ich werde also nie und nimmer persönlich einwilligen, um zu einem hohen Wirkungskreis in Vorschlag gebracht zu werden, und statt meine Pflicht zu vermehren, nur darauf sinnen, sie zu vermindern und zu einer weniger verantwortlichen Stelle herabzusteigen, sobald ich glauben darf, daß es so Gottes Wille`ist. Insbesondere habe ich deßhalb viel daran gedacht mich der Mission zu widmen, und dieser Gedanke liegt mir seit Monaten unausgesezt in dem Sinn. Ich glaube dazu einige natürliche Anlage zu haben und würde dann meiner großen Verantwortung der Seelsorge für die einzelnen Pfarrkinder enthoben sein.

Von diesem Standpunkt aus kann ich daher nicht anders, als die hohe Stelle, zu der man mich vorzuschlagen gedenkt, ablehnen. Es schwindelt mir bei dem Gedanken an eine Stellung mit solcher Verantwortung. Nur wenn ich den Befehl meines geistlichen Obern vor mir habe und so den Willen Gottes in ihm vernehmen muß, werde ich mich blindlings jedem Berufe hingeben. Bis dahin aber muß ich durchaus die Uebernahme verweigern. Es thut mir in der That recht herzlich leid, daß bei Ihrem schönen und edlen Wunsche, einen würdigen Arbeiter für ein so großes, schweres, wichtiges Gebiet zu finden, Ihre Augen auf mich gefallen sind, der ich das mir dadurch erwiesene persönliche Wohlwollen durch bereitwilliges Eingehen auf Ihre Wünsche nicht erwiedern kann. O möchte Gott Ihr schönes Bemühen, einen würdigen Hirten für eine solche Gemeinde zu finden, doch segnen und mit dem besten Erfolge frönen! Ich glaube Ihrer edlen Absicht nicht besser dienen zu können als durch Ablehnung der auf mich gefallenen Wahl.

Geh. Ober-Regierungsrath Aulike an Freiherrn W. v. Ketteler.

78.

Berlin, 28. April 1849.

Die beiden mir bestimmten Schreiben vom 17. d. M. habe ich gestern erhalten. Es ist mir nicht unerwartet gewesen, daß Sie, verehrtester Herr und Freund! bei dem gemachten Antrage mehrfache Bedenken finden würden; doch hatte ich, ich gestehe es offen, mich der Hoffnung hin

gegeben, daß sich dieselben nicht als so durchgreifend darstellen könnten, um Sie zu einer Ablehnung zu bestimmen. Ich bin bei erneuerter reiflicher Ueberlegung dieser Ansicht noch heute, und darum erachte ich es für eine heilige Pflicht gegen die hiesige Gemeinde sowohl als gegen Sie und gegen mich selbst, der ich die schwere Aufgabe habe, für eine würdige Beseßung der Stelle zu sorgen, noch einmal auf die Sache zurückzukommen. Das officielle Schreiben lege ich deßhalb zurück und gestatte mir nur auf das mir bestimmte vertrauliche einzugehen, für dessen offene und freundschaftliche Mittheilungen ich meinen innigen herzlichen Dank sage. Erlauben Sie mir, es mit gleicher Offenheit erwiedern zu dürfen.

Daß Vorliebe für den gegenwärtigen Aufenthalt und Abneigung gegen die freilich in hohem Maße corrumpirte Hauptstadt Sie nicht bestimmen würden, davon hielt ich mich in Voraus überzeugt. Weniger hatte ich erwartet, daß Sie Zweifel in die Zulänglichkeit Ihrer wissenschaftlichen Ausbildung sehen würden; ich trage billig Bedenken, auf solche überhaupt auch nur mit einem Worte einzugehen. Gälte es etwa eine Professur, so wäre darüber vielleicht zu rechten; allein es gilt die Verkündigung des göttlichen Wortes, die Führung der Seelen durch Wort und Beispiel, und wenn auf diesem Felde Sie nicht berufen sein sollten, dann ist es, verzeihen Sie, wenn ich's offen heraussage, kaum einer in unserem Vaterlande.

Die Besorgniß, daß Ihre Kräfte zu sehr durch Schreiberei in Anspruch genommen werden würden, ist insofern nicht ganz ohne Gegenstand, als die hiesige Verwaltung deren allerdings mit sich bringt. Dagegen ist vor einigen Jahren für die sämmtlichen Expeditions- und CassenGeschäfte ein besonderer Beamter angestellt, auf den das Wesentliche dieser Last fällt; auch steht nichts im Wege, ist nur vom Herrn Brinkmann nicht gehörig benutzt worden, daß die Kapläne für diese Zwecke mit herangezogen werden können.

Das Bedenken, welches Sie mir als das entscheidende mittheilen : daß die unermeßliche Verantwortlichkeit, die einem Seelsorger obliege, Sie längst angetrieben habe, darauf Bedacht zu nehmen, Ihre Pflichten eher zu vermindern, als eine Erweiterung derselben zuzulassen, dieses Bedenken glaube auch ich, so verschieden auch mein Standpunkt ist, wohl einigermaßen würdigen zu können und bin ich weit entfernt, dasselbe nicht anerkennen zu wollen. Es hat mir aber so lebhaft die Verantwortlichkeit meiner eigenen Stellung vor Augen geführt, daß ich mir habe sagen müssen, wie ich es wagen dürfe nur einen Moment länger in derselben zu verharren, wo ein Mann, wie Sie, schon in dem Amte, welches er jezt bekleidet, eine fast nicht zu tragende Verantwortlichkeit erblickt! Ich

habe mir antworten müssen, daß ich auch nur in dem einzigen Thatumstande einige Beruhigung zu finden habe, daß ich selbst zu diesem Berufe, der wahrlich eine Last ist und fast nur aus Pflichten besteht, nicht mitgewirkt habe, daß er mir auferlegt, ja fast aufgedrungen sei. Dieser Thatumstand ist es auch allein, daß ich - ich spreche ganz offen noch heute in diesem meinem Amte ruhig und sogar bei täglichem Druck und Aerger noch immer mit einer gewissen Freudigkeit beharre. Hat der Ihnen jezt gewordene Antrag nicht eine Seite, die sich hiermit in etwa vergleichen läßt? Wäre es nicht möglich, daß Sie eben auch darin, daß derselbe gänzlich ungerufen gekommen ist, Beruhigung fänden und dächten, daß nichts über uns geschickt wird, was wir nicht tragen können?

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„könnte ich glauben, zu einem so hohen Berufe von Gott bestimmt zu sein," so sagen Sie in Ihrem Briefe -könnte ich hoffen, der Gemeinde ein wahrer katholischer Seelenhirt zu werden, nichts würde mich von der Annahme der Stelle abhalten! Dies kann und darf ich aber nicht annehmen." Sie dürfen dies mit voller Zuversicht anneh= men. Mir bürgt dafür die Freude, welche sich in der ganzen Gemeinde über das Gerücht, daß Sie ihr Seelenhirt werden sollen, ausspricht; mir bürgt dafür das Urtheil zweier hochgeehrter einsichtsvoller Bischöfe! Deren Ruf werden Sie, Sie sagen es selbst, gewiß nicht ungehört lassen. Ich habe daher nur meine Pflicht zu thun geglaubt, indem ich den Herrn Bischof von Münster gebeten habe, Ihnen die Versicherung selbst zu ertheilen, daß Sie sich dieser Berufung nicht entziehen dürfen.

Sie wünschen schließlich für sich eine Missionsthätigkeit; wo wäre die, wie hier? Sie werden ein Feld finden, ergiebig, wie kein anderes. Sie werden viele Seelen retten! O wenn Sie doch kämen!

Ich schließe. Mein bereits am 24. d. M. angefangener Brief hat vor einer Unzahl kategorischer Störungen erst heute vollendet werden können. Verzeihen Sie diese mir sehr unangenehme Verzögerung. Möchte ich und mit mir viele durch eine gute Botschaft erfreut werden!

Bischof Johann Georg Müller von Münster an Freiherrn W. v. Ketteler.

79.

Münster, 29. April 1849.

Es ist mir durch Herrn Geheimrath Aulike die Eröffnung gemacht worden, daß Ew. Hochwürden zum Nachfolger des Herrn Propstes Brink

mann von der St. Hedwigskirche ausersehen und um die Annahme dieser wichtigen Stelle bereits angegangen seien, daß Sie aber eine ab= lehnende Antwort ertheilt haben; auch die Gründe sind mir mitgetheilt worden, worauf Sie Ihre ablehnende Antwort gestüßt alles dies, wie Sie denken können, in der Absicht, damit ich zur Erfüllung des in Berlin gehegten Wunsches mitwirke. Dies ist mir nun eine sehr schwere Sache, die mich in diesen Tagen sehr beschäftigt hat. Die Gründe Ihrer Ablehnung sind alle ehrenwerth; über einige werden Sie indeß andere entscheiden lassen müssen. Ich habe aber weit gewichtigere Gründe der Ablehnung in die Wagschale zu legen, solche nämlich, die aus dem Wohle der Münsterer Diöcese entnommen sind und die aus den von Ihnen geltend gemachten Ablehnungsgründen eine besondere Verstärkung gewonnen haben. Dennoch, mein lieber Herr Pfarrer, kann ich nach reifster, unter Gebet angestellter Erwägung der Sache nicht auf Ihre Seite treten, muß vielmehr sagen, daß ich Gottes Fügung in dem Rufe zu der erwähnten Stelle erkenne und daß ich glaube mein Gewissen zu beschweren und gegen höhere Interessen unserer heiligen Kirche mich zu versündigen, wenn ich Ihnen nicht anriethe dem Rufe zu folgen. Und zwar glaube ich es Ihnen unbedingt anrathen zu müssen. Ich habe mir alles vorgeführt, was ich von meiner Seite entgegen zu sagen hätte und dessen ist nicht wenig; allein es ist jetzt eine Zeit, wo man mehr als je das Allgemeine ins Auge fassen muß und nicht partikularistisch sein darf. Das fürs Ganze Gewirkte kommt dem Einzelnen, dem Theile doch auch wieder zu gut. Ich darf Ihnen nicht erst auseinandersehen wollen, wie unendlich wichtig die Stelle ist, um die sichs handelt. Es genügt Ihnen zu wissen, daß auf dem ganzen europäischen Continent es keinen Missionsort gibt, der jest mehr ins Auge gefaßt zu werden verdient als Berlin. Hat nicht eben deßhalb Gott die Barmherzigen Schwestern hingeführt? Wie und daß der Ruf an Ew. Hochwürden gelangt ist, ist providentiell. Verdemüthigen Sie sich also auch darin vor Gott, daß Sie sagen: „Nicht mein Wille geschehe, o Herr, sondern der deinige!" Gott wird mit Ihnen sein, wie er mit allen ist, die nicht sich, sondern Ihn suchen. Sie im Herrn grüßend zeichne ich zc.

Geh. Ober-Regierungsrath Aulike an Freiherrn W. v. Ketteler.

80.

Berlin, 8. Mai 1849.

Ihr werthes Schreiben vom 3. d. M. habe ich richtig erhalten. Daß es mich innigst gefreut hat, daraus die Bereitwilligkeit, der hiesigen Gemeinde ein wahrer Seelenhirt zu werden, zu entnehmen, darf ich nicht erst versichern. Das Schreiben hat mich aber auch fast wehmüthig berührt, da ich erkenne, welchen inneren Kampf die Sache Ihnen, Hochver ehrtester Herr und Freund! bereitet hat, und ich nicht leugnen darf, daß ich selbst mit zu denen gehört habe, die zu derselben mitgewirkt.

Sie sagen: Ihr Schicksal liege in meinen Händen; wenn Gott den mindesten Zweifel über Ihren Beruf zu dieser Stelle in meinem Herzen erwecke, so möge ich das Auge von Ihnen weg auf einen besseren Priester wenden." Ich muß hierauf nach Pflicht und Gewissen antworten, daß die Entscheidung nicht mehr bei mir steht, nachdem der Minister aus den vorhandenen Candidaten eben Sie gewählt, nachdem der Fürstbischof sowohl als der Herr Bischof von Münster ihr Einverständniß erklärt haben, und ich meinestheils hiernach nur vermittelndes Werkzeug geworden bin. Wüßte ich einen besseren Priester, wahrlich, ich wollte keinen Augenblick säumen, alles zu thun, um das Geschehene in irgend einer Weise rückgängig zu machen, weil — Sie es wünschen! Aber ich weiß nicht nur keinen besseren, ich weiß nicht einmal überhaupt einen, der, wie die Dinge stehen, möglich wäre, wofern Sie uns verlassen. Daß aber Sie vor allen andern die Kraft und den Willen besigen, diese große Mission auf den Weg des Heiles zu führen, das ist nicht blos meine feste Ueberzeugung, sondern auch, um von Mitgliedern der Gemeinde und den bischöflichen Autoritäten zu schweigen, beispielsweise die von unserm Freunde Förster.

Sehen Sie, ich bitte innig, die Bürde nicht für so unermeßlich schwer an. Wäre sie es aber auch, Niemand wird eine Last auferlegt, die er nicht zu tragen vermag. Gott hat Ihnen wahrlich große, ungewöhnliche Kräfte verliehen. Der Freund, dessen Sie erwähnen, hat Jhnen ganz gewiß richtig gerathen.

Möchte ich recht bald die Nachricht erhalten, daß Ihr Entschluß ein ebenso freier und fester als froher geworden ist. Ich erlaube mir zugleich, um einige officielle an das Schreiben vom 10. April c. anknüpfende Zeilen zu bitten, um solche zu den Acten bringen und, was allerdings dringend wird, an den König berichten zu können.

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