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reichten ihn zwei Hunde und nun fing ein Kampf im Wasser an, der unvergleichlich schön war und damit endete, daß der Jäger ihm noch zuleht auf den Kopf schoß. Zugleich mit mir schoß mein zweiter Nebenmann den anderen Hirsch auch in der Jsar. Den folgenden Tag wurde wieder an der Isar getrieben. Einige Schüßen, zu denen ich gehörte, standen an dem jenseitigen Ufer, als ein Hirsch von sechs Enden einige hundert Schritte über uns in die Isar sezte und von dem Strom ergriffen vor uns hergetrieben wurde. Mein Nachbar fehlte ihn zuerst, dann schwamm er vor mir vorbei. Weil ich nur den Kopf sehen konnte, schoß ich zuerst mit dem Büchsenlauf fehl, aus dem Flintenlauf trafen ihn aber zwei Kugeln durch den Kopf, worauf er zwar noch weiter schwamm und dann auf einer Sandbank in der Jsar im Stehen erschossen wurde, ohne daß aber natürlich mir die Ehre hätte genommen werden können. In demselben Trieb sah ich noch einen prachtvollen Hirsch durch die Jsar schwimmen, aber leider zu weit unter der Schüßenlinie, so daß er durchkam.

Du siehst, geliebter Wilderich, daß ich keine schöneren Jagden hätte machen können. Mit meiner Büchsflinte bin ich sehr zufrieden, sie schießt famos. Bald beginnen nun die Hirsch- und Gemsjagden in den Hochgebirgen. Vielleicht mache ich auch dort noch einige mit. Die Hühnerjagden, zu denen mir ein Schein versprochen ist, werde ich wohl nicht mehr benutzen, da mich die Art schon wenig anspricht. Mit Leichtigkeit werden hier von einem Jäger 40 bis 50 Hühner in einem Tage oder vielmehr Vormittage geschossen; denn denke Dir, daß in dem Hof= reviere 40 bis 50,000 Hühner in einem Jahre geschossen werden, und daß Löwenstein an einem Tage wohl 500 geschossen hat.

Jezt habe ich Dir genug von der Jagd erzählt und eigentlich mehr, als sie mich selbst erfreut hat, denn das kann ich Dir sagen, daß unsere bescheidenen Hühnerjagden in Harkotten aus früherer Zeit mir tausendmal mehr Freude machten wie diese famosen Hirschjagden.

An seine Schwester Sophie.

14.

München, 22. August 1839.

Die Ansicht Seydell's, daß in Deutschland nichts so Schönes geschrieben werden könne wie Lacordair's Schrift über die geistlichen Orden 1), welche ich schon vor einiger Zeit gelesen, hat mich recht beleidigt. So

1) Die geistlichen Orden und unsere Zeit; insbesondere die Wiederherstellung des Prediger-Ordens in Frankreich. Augsburg 1839. Vgl. Hist. -pol. Blätter 4, 160-167.

schön und wahr ich auch diese Schrift finde, so fest bin ich überzeugt, daß ein Deutscher noch viel Wahreres gesagt und nicht allein die Verträglichkeit des Bestehens geistlicher Crden neben den demagogischen Grundsäßen nachgewiesen haben würde, um ihre Wiedereinführung in der jezigen Zeit zu begründen. Du mußt das Schriftchen aber nothwendig lesen.

In dem, was ihr Schönes in der lezten Allocution 1) gefunden, bin ich ganz mit Euch einverstanden. Nur begreife ich nicht, wie einige sie zu milde halten konnten, da ich und viele mit mir eben eine Andeutung solcher Maßregeln als leztes Mittel in derselben finden, die schon angedeutet erschrecken müssen.

Seit meinem letzten Briefe haben wir hier wieder angenehme Besuche gehabt. Zuerst Hülshof, wie ich Dir schon gesagt, dann trafen August Korff und den folgenden Tag Kaspar Sch mising hier ein, die uns sehr liebe Besuche waren. Mit ihnen zusammen machten wir eine wunderschöne Partie nach Tegernsee und dem Bade Kreuth, von wo aus August, Kaspar und Hülshof an einem Tage eine Partie nach dem Achensee machten, während Ferdinand 2) und ich bei mehreren Bekannten von hier in Kreuth zurückblieben. Recht freudig habe ich zuerst wieder die Berge begrüßt, in denen ich vier Jahre meiner Jugendzeit zugebracht und die ich derart seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Der Tegernsee ist Dir noch wohl recht frisch im Andenken aus den Beschreibungen der Galen 3), die uns ja so oft davon vorgeschwärmt. Es ist eine ganz liebliche gemüthliche Gegend. Der See mit dem dunkelblauesten Wasser spiegelt die freundliche Umgebung und die umliegenden Berge bis zu ihren Gipfeln wieder ab. Die Uferberge selbst haben von der Natur so sanfte gefällige Abdachungen nach dem See zu, daß auch nicht eine schroffe Form dort zu finden wäre. Zwei Stunden weiter ist man in Kreuth, bis im Innersten verschieden von Tegernsee: ein ganz enges Thal mit einem Gebirgswasser und Felsen und 3000 Fuß hohen Gebirgswänden - in jeder Beziehung eine schöne wilde Gebirgsgegend.

Wir trafen dort schönes Wetter und eine recht angenehme Gesellschaft: die Fürstin Löwenstein, eine jüngere Schwester ihres Mannes, die Deinen Namen führt, die alte und junge Fürstin Isenburg1), Carl Zeil und noch mehrere Andere, mit denen wir uns bei dem durchaus ländlichen Leben in Kreuth sehr gut unterhielten. An einem Morgen zog ich dann auch

1) Vgl. S. 26.

2) Graf Schmising.Kerssenbrod.

3) Der Grafen Mathias und Ferdinand, ersterer Schwager des Bischofs. 4) Fürstin Charlotte geb. Gräfin zu Erbach-Erbach († 1845) und Prinzessin Marie zu Isenburg-Birstein geb. Prinzessin zu Löwenstein († 19. März 1878).

mit der Fürstin auf die Jagd und hatte das Glück eine Gemse zu schießen und noch zwei andere zu sehen, während die Fürstin leider zwei Gemsen, aber auf eine große Weite fehlte. Poetisches hatte diese Jagd hinreichend. Denke Dir eine Frau auf einem sich schroff hinaufwindenden Bergpfade voraus, mit einer Büchse auf dem Rücken, in einem höchst decenten Jagdanzuge, dann ich und hinter uns einige Gebirgsjäger, wahre Bilder von Männern, wie Eisenfresser aussehend. So zogen wir um 4 Uhr Morgens in der herrlichsten Gegend zur Jagd. Wenn ich nur mit Euch dieses Vergnügen hätte theilen können! Aber so bleibt mir bei allem eine Leere, die ich wohl augenblicklich vergesse, die sich dann aber nur noch empfindlicher geltend macht.

Einige Tage später wurden wir zu einer großen Gebirgsjagd von Fürst Löwenstein eingeladen, von der ich vorgestern nach einer achttägigen Abwesenheit zurückgekehrt bin. Mirbach nahm auch daran Theil. Zwei Tage jagten wir bei Tegernsee und Kreuth, zwei bei Baierisch Zell und einen in der Cbene. Bei Kreuth schoß ich einen starken Hirsch von zehn Enden, bei Baierisch Zell eine Gemse und eine schoß ich fehl, bisher mein einziger Fehlschuß. Wir haben drei Triebe gemacht, unter denen Du Dir aber keine gewöhnlichen vorstellen mußt, sondern Triebe, die eine ganze Bergwand oder einen ganzen Bergkopf befassen und viele Stunden lang sind. In jedem dieser Triebe hatten wir vielleicht 30 bis 40 Gemsen, von denen in zwei Trieben sechs und in einem zwei geschossen wurden. Du siehst ein, daß da alle Beschreibung aufhört. Man kann kühn behaupten, daß in der ganzen Welt eine solche Jagd sich nicht wiederfindet. Auch Mirbach war ganz außer sich. Er hatte das Glück eine Gemse zu schießen. In Baierisch Zell, einem ganz abgelegenen überaus freundlichen Thale, lebten wir in den Bauernhöfen umher, während in der Mitte des Thals, in einem Jägerhause die fürstliche Familie untergebracht war. Die Einrichtung war so beschränkt, daß z. B. in einem Zimmer mit den Töchtern des Jägers zusammen die Fürstin mit ihrer Schwägerin wohnte und schlief, während das Schlafzimmer des Fürsten zugleich als Versammlungsort und Speisesaal für die ganze Gesellschaft diente.

Mirbach ist jetzt wieder abgereist. Er war ganz ohne Rückhalt und offen gegen uns. Die hiesige Gelehrtengesellschaft, mit der wir ihn bekannt gemacht und wo ich zuerst Mord und Todschlag fürch= tete, hat ihn ganz eingenommen, und selbst die Gesellschaft bei Görres, wo ich ihn einführte und zwar mit wahrem Herzklopfen, hat ihm sehr gut gefallen, obwohl sie in jedem Blutstropfen seiner diplo= matischen Art zu sein vollkommen entgegen gesezt ist. Man kann übrigens nicht ehrenwerther denken wie Mirbach.

Jezt, geliebte Herzens-Sophie, will ich Dir noch von meinen Projekten sprechen. Meine Reise werde ich am 25. oder 26. antreten. Ich gehe dann über Füssen, Partenkirchen, Walchensee, Tölz, Tegernsee, Kreuth, Achenthal 2c. nach Salzburg, wo ich den 8. September einzutreffen und gegen acht Tage zu verweilen gedenke. Dann gehe ich über Berchtesgaden, Unken, Saalfelden, Kriml, Zell im Zillerthal, Innsbruck, Sterzing, über den Jaufen ins Passeier Thal, St. Leonhard, besuche den Sandwirth und komme gegen den 26. September nach Meran. Dort bleibe ich jedenfalls bis die Phillips, die jezt auch hingehen, wieder abreijen, was (befürchte ich) jedoch bald nach meiner Ankunft geschehen wird. Dann werde ich dort Rath mit meinen Finanzen und mit meiner Stimmung halten und darnach meine Weiterreise vielleicht auf Venedig und Mailand, vielleicht auf Trient beschränken und dort Winterquartiere suchen. Könnte ich meinen Wünschen folgen, so kehrte ich unbedingt hieher zurück, d. h. wenn ich mich zugleich von der höheren Gesellschaft und den Jagden ausschließen könnte, die weder meiner Stimmung noch meinem Geldbeutel angemessen sind. Jezt weiß ich noch nicht mein Schicksal für diesen Winter anzugeben und bitte Dich, geliebte Sophie, nur recht dringend nach den angegebenen Zeitpunkten mir einige Worte nach Salzburg oder Meran zu schreiben, wo ich mich unendlich auf Nachrichten von Euch und einige liebevolle Worte aus der geliebten Heimath sehnen werde.

Als ich die ersten Alpen bestieg und wieder die ersten Alpenrosen seit elf Jahren pflückte, bestimmte ich gleich die ersten Dir und würde auch für Gräfin Auguste einige beigelegt haben. Leider sind diese Gebirgskinder aber schon ganz am Verblühen und so mochte ich sie nicht überschicken und bitte mit meinem Willen vorlieb zu nehmen. Bis Tirol oder Salzburg sage ich Dir jezt ein herzliches Lebewohl, geliebte HerzensSophie, wo ich Dir wieder unter ganz neuer Umgebung und ganz andern Verhältnissen die ersten Worte sagen werde. Hoffentlich finde ich in Deinem Briefe dort wenigstens einen und dabei so lieben Bekannten. Bis Salzburg begleitet mich Ferdinand.

An seine Schwester Sophie.

15.

Salzburg, 14. September 1839.

Du, liebe, theure Sophie, bist bis jezt die einzige gewesen, von der ich hier ein Lebenswörtchen erhalten habe. Um so innigeren herzlichen Dank sage ich Dir für Deinen Brief, ohne welchen ich hier desperat sein würde. Mütterchen läßt mich ganz im Stich. Seit ihrer Reise nach

Kreuznach habe ich von ihr nur zwei Briefe erhalten. Um so mehr bin ich Dir, geliebte Sophie, verpflichtet, da ich ohne Deinen Brief meinen hiesigen Aufenthalt gar nicht genießen könnte. Jezt seid Ihr gewiß schon wieder in aller Ruhe in Lembeck zum Herbstaufenthalt, ein Gedanke, den ich nicht fassen könnte, wenn mir nicht die ganze Natur zuriefe, daß der Herbst da ist, den ich so viele Jahre als die glücklichste, freudigste Zeit des Jahres zu Hause verlebt habe.

Meine Reise war so schön wie möglich und hat mir alles geboten, was die Natur nur bieten kann. Doch ich sehe wohl, ich sollte in Sandwüsten reisen, um eben so dürre wie diese zu werden und so wie der Sand im Inneren abzusterben. Es ist eine wahre Tollheit von mir, eine Natur aufzusuchen, die jedes verborgene, niedergehaltene oder bekämpfte Gefühl so aufregt, wie die, welche ich jetzt gesehen habe. Du mußt mich aber nicht mißverstehen, denn unter diesen Gefühlen verstehe ich im Allgemeinen alle die Empfindungen, die uns der Mißstand unserer äußeren Lage zu unserm inneren Streben verursacht, und dieser Mißstand wird inmitten einer so imposanten Natur wieder recht fühlbar und schmerzlich. Diese herrliche Natur ist der jezigen Zeit nur von Gewicht, weil sie die Mineralquellen liefert, um die entnervten Gerippe des jezigen kraftlosen Menschengeschlechtes am Leben zu erhalten, im Uebrigen taugen die großen kraftvollen Mahnungen dieser stolzen Gebirgszüge nicht mehr für unsere Zeit. Doch ich will Dir ja erzählen, wenigstens die Nachtquartiere aufzählen, so daß Du, liebevolle Schwester, vielleicht meine Reise verfolgen kannst. Am 29. von München abgereist und in Peiting übernachtet, dann über Hohenschwangau, Füssen, Reute, den 31. beim Plansee her nach Partenkirchen, den 1. nach Mittenwald, den 2. nach Walchensee, den 3. nach Jachenau, den 4. über den Jsarfall und durch das Achenthal nach Innsbruck, den 5. das Innthal herunter, beim Ausgang des Zillerthals vorbei nach St. Johann, den 6. nach Unken, den 7. nach Königssee und Berchtesgaden und den 8. hierher. Hier sind wir bei Stolberg und seiner ganz ungewöhnlich liebevollen, freundlichen Frau Gemahlin 1) sehr angenehm aufgehoben und können von diesem freundlichen Landaufenthalte aus, eine Stunde von Salzburg und zwei Stunden von Hallein entfernt, bei dem schönsten Wetter in vollen Zügen diese herrliche Gegend genießen. Könnte ich doch nur erst durch einen Fluß schwimmen, der mir auf kurze Zeit alle Erinnerung an Euch verwischte, oder noch unendlich viel lieber mit Euch hier zusammen sein. Salzburg hat alle meine Erwartungen übertroffen,

1) Graf Franz Friedrich Leopold, vermählt mit Christiane geb. Gräfin Sternberg-Manderscheid, damals f. f. Landeshauptmann von Salzburg.

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