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wahrscheinlicher, daß Diepenbrock zu dieser Stelle auserlesen sei. Da ich wegen der Möglichkeit, daß Ihr schon lange keine Nachricht mehr von mir erhalten, zu eilig bin, so will ich hier schließen, kein anderes Blatt mehr anfangen und Euch, meine lieben geliebten Geschwister, nur noch auf das Allerinnigste an mein Herz drücken. Grüßet die Kinder und Lisette, wenn sie noch am Leben. So geht es hier mit uns Menschen und da sollte man noch Gewicht auf das Leben legen! Der Landtag tritt morgen zusammen. Noch ist durchaus keine Proposition von Berlin hier als ein Jagdpolizei-Gesetz. Interessantes werde ich Dir mittheilen. Tausend Grüße und Lebewohl.

An seinen Bruder Wilderich.

38.

Münster, 8. März 1841.

Der Landtag hat bisher durch eine Diskussion eigener Art eine außerordentliche Aufregung der Gemüther hervorgerufen, die denn heute in einer Plenarsizung zu einem Resultate geführt hat, das alle Herren unserer Gesinnung mit enthusiastischer Freude erfüllte. In der ersten Sizung nach der Eröffnung brachte Schorlemer1) eine Adresse als Petition in Antrag, worin dem König der allgemeinste Dank der Stände für seine Propositionen zur weiteren Ausbildung des ständischen Princips und für seine bisherigen Schritte den Katholiken gegenüber ausgesprochen wurde. Alle billigten zwar nicht diesen Schritt von Schorlemer. Da er aber einmal erfolgt war, so interessirte natürlich dessen Durchführung alle im höchsten Grade. Zunächst kam die Sache im Ausschusse vor und es wurde dort, abgesehen von dem Inhalt der vorgelegten Adresse, die allgemeine Frage zuerst diskutirt, ob überhaupt eine Tankadresse an den König abgehen solle oder nicht, und zum größten Erstaunen unserer Herren wurde diese Frage mit zehn Stimmen gegen sechs verneint. Bei dieser Verhandlung im Ausschusse hatten die Protestanten mit Bodelschwingh an der Spiße sich auf durchaus keine anderen Gründe eingelassen als auf die Behauptung, eine Adresse sei nicht mehr angemessen, weil sie nicht sofort in der Eröffnungssizung vorgebracht worden eine so elende Einwendung, daß unsere Herren noch mehr, als über das Verwerfen der Adresse selbst, über die Feigheit dieser Herren empört waren, die unter so elendem Scheingrund ihre eigentliche Herzensmeinung versteckten. Außer

1) Freiherr von Schorlemer Overhagen, Vater des Freiherrn Schorlemer Alft.

dem schienen unsere Herren sehr verstimmt über das Berehmen derer aus ihrer Mitte, die als Deputirte an der Ausschuß-Sizung Theil genommen und sich nicht kräftig genug ausgesprochen; wogegen nur Dolffs, der Landrath 1), in der edelsten tüchtigsten Art ganz in unserem Geiste sich dieser Adresse angenommen haben soll. Ganz vorzüglich schmerzlich für uns war, daß Hüffer gleichfalls sich gegen eine Adresse ausgesprochen und mit ihm alle andern Katholiken, unsern Stand ausgenommen. Hüffer hatte seine Ansicht durch die Aeußerung motivirt, daß er dem König nicht zweckmäßig für die Verfassungsentwürfe danken könne, bevor sie nicht von den Ständen als zweckmäßig anerkannt worden.

So standen zunächst die Sachen und alle waren empört und desperat, vorzüglich aber Mathis wie zernichtet, darüber, daß es nun zur Kenntniß des Königs kommen werde, daß nicht einmal die Katholiken ihm Dank auszusprechen bereit seien für sein Benehmen gegen die Kirche. Mit der größten Mißstimmung gingen also heute unsere Herren zur Sigung, wo wiederum nur die allgemeine Frage erörtert werden sollte, ob überhaupt eine Tankadresse abgehen solle. Wir saßen unterdeß beim Domherrn) und warteten vergebens bis zwei Uhr, wo endlich Bruder Clemens, Westphalen, Mathis, Bocholt im wahren Triumph mit folgenden Nachrichten zu uns kamen.

Der Herr Landtagsmarschall 3) hatte sich zuerst in einer vortrefflichen Art im Allgemeinen über das Votum des Ausschusses ausgelassen und unter anderm, nachdem er den Adreßentwurf vorgelesen, erklärt: Der Dank für das Benehmen des Königs gegen die Katholiken sei so billig, daß selbst ein Jude ihm beistimmen müsse. An der allgemeinen Diskussion sollen dann fast alle Theil genommen haben, ausgezeichnet gut wieder Dolffs; und endlich ist Hüffer in einem sehr gewandten Vortrag aufgetreten und zwar zum allgemeinen Erstaunen für die Adresse, wobei er sein Benehmen im Ausschuß durch die Erklärung rechtfertigte, er habe gehofft, dadurch diese ganze Frage zu beseitigen, von der er Uneinigkeit unter den Ständen, die den spätern Verhandlungen nur nachtheilig sein könnten, befürchtet habe. Und als Clemens endlich na mentliche Abstimmung gefordert, ergab sich das Resultat, daß alle Katholiken, mit Ausnahme von Landrath Metternich, für die Dankadresse

1) Florenz Heinrich von Bockum Dolffs, früher Landrath des Kreises Soest, später Ober-Regierungsrath zu Coblenz, das bekannte einflußreiche Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses.

2) v. Korff, bei welchem sich der sogenannte Rauchklub einzufinden pflegte. 3) Graf Ignaz Landsberg von Velen und Gemen.

gewesen, mit ihnen einige Protestanten, wie Dolffs; wogegen die Protestanten unter Leitung eines Ober-Regierungsraths Borries und Landraths Bodelschwingh sich dagegen ausgesprochen. So waren 5 dafür und 2/5 dagegen.

Zu jedem Antrag an den König ist nun zwar 2/3 Majorität erforderlich, und wegen dieser Formfrage ist die Sache dem Landtagscommissar zur Entscheidung vorgelegt, ob eine Adresse nun wirklich abgehen soll. Man glaubt zwar, daß dies von Vincke verneint werden und die Adresse daher nicht abgehen wird. Die ganze Gehässigkeit, daß eine Dankadresse nun wahrscheinlich nicht erfolgt, fällt aber natürlich jezt auf diese protestantischen Regierungsherren, und es soll ganz komisch gewesen sein, wie sichtbar ihnen dieser Gedanke am Ende der Sizung, wo sich diese Sache schroffer herausgestellt, Furcht und Angst eingejagt hat. Man will jezt diese Abstimmung und Verhandlung möglichst offenkundig und namentlich ganz vollständig im Protokoll aussprechen, damit sie jedenfalls dem König zu Gesicht komme, der sich nicht wenig wundern wird, Herrn Borries, Bodelschwingh und Consorten an der Spige einer Partei zu finden, die einen ganzen Landtag hindert, dem Könige Dank und Vertrauen auszusprechen. Dies Resultat ist ganz herrlich. Die so zart legitim waren, daß sie eine Gewissensopposition der Katholiken nicht begreifen konnten, haben sich jezt in ihrer eigenen Falle gefangen. Mathis ist wie neugeboren und behauptet noch nie eine so interessante, gemessene und siegende Diskussion auf dem Landtage erlebt zu haben.

Den 11. März 1841.

Vinde hat inzwischen entschieden, daß eine Adresse an den König nicht abgehen könne, weil keine 2/3 dafür gestimmt. Man wird jezt sehr genau Acht haben auf die Fassung des Protokolls von der leßten Sizung. Und da hieraus die ganze Sachlage und das Für und Gegen wie auch das Votum jedes Mitgliedes wegen der persönlichen Abstimmung erhellen wird, so sind unsere Herren hiermit ganz zufrieden und hoffen mit diesem Protokoll in der Hand den König hinreichend seine Männer kennen lernen zu lassen.

Wahrscheinlich wird noch eine Petition auf Rückkehr des Erzbischofs eingebracht werden. Westphalen scheint mir wenigstens ganz dazu entschlossen zu sein. Ich glaube, daß ein solcher Schritt augenblicklich nicht im Interesse der Kirche liegt. Du bist gewiß anderer Ansicht und im Grunde halte auch ich die Sache nicht für so wichtig, glaube vielmehr, daß mit und ohne einen solchen Antrag diese Angelegenheit bald erle= digt sein wird. Dein Brief, den ich gestern erhielt und für den ich Dir

und der lieben Paula meinen allerherzlichsten Dank sage, bestärkt mich noch in dieser Ansicht.

Ich rechne sicher darauf, Euch noch in diesem Jahre in Eichstätt oder sonstwo zu sehen. So wenig ich noch von Euren Wegen und der Zeit meiner Abreise Bestimmtes weiß, so freue ich mich doch unbeschreiblich in der sichern Vorausjeßung, daß wir uns irgendwo begegnen werden.

An seinen Bruder Wilderich.

39.

Münster, 25. März 1841.

Ich bin ganz beglückt, mein lieber Wilderich, daß Du meinen endlichen Entschluß über meine Zukunft so ganz verstehst und billigest. In demselben Maße, wie ich meine eigene Kraftlosigkeit und Elendigkeit täglich mehr einsehe oder mir vielmehr offen gestehe, was ich auch früher überall empfand, aber mir und der Welt verbergen wollte, erkenne ich auch täglich mehr die Bedeutung, welche die uns angebotene Gnade Gottes für uns haben könne, und ich bin bei meinem eigenen Elend und der ungeheuren Größe der zu lösenden Aufgabe ganz beruhigt in der sicheren Erwartung dieses Beistandes der Gnade. Wenn ich mit meinen eigenen Kräften einen Nachtwächterposten übernehmen sollte, so würde ich weniger beruhiget über die befriedigende Lösung dieser Aufgabe sein, als ich es jezt bin, wo ich ganz vorzüglich und vor allem auf die Gnade Gottes rechne, um zu seiner Ehre einen Stand zu bekleiden, der so hohe Kräfte und Heiligkeit vor allen Ständen erfordert. Wenn mir Gott nur, wie er mir alles Selbstvertrauen genommen hat, so auch alles Selbstscheinen vor der Welt nehmen wollte. Damit bin ich noch lange nicht im Reinen. Vor der Welt möchte ich noch überall bemerkt werden, mir Schein und Ehre verschaffen und bei der festen Ueberzeugung, vor Gott und zu seiner Ehre zu wandeln, würde ich dennoch nicht vollständiges Verschwinden und Vergessensein und noch weniger Verachtung und Schmach vor der Welt ertragen können. Diese Disposition allein ist es, die mich noch mit Angst erfüllt, und ich erkenne mit voller Gewißheit, daß, wenn ich sie nicht überwinde, ich die größte Gefahr der Untreue gegen Gott laufe. Wenn ich diese Teufelsfalle aber vermeide, dann befürchte ich sonst wenig von meiner totalen Nichtigkeit, von der ich wahrhaftig bedaure, mein alter Wilderich, daß sie Dir nicht so ganz bekannt ist, da Du dann auch nie die Erbarmung Gottes an mir in ihrer ganzen Größe erkennen kannst.

Es ist unglaublich, wie die menschliche Natur den einfachsten Standpunkt des innern Gnadenlebens immer zu verrücken versteht. So klar wie ich die Sonne am Himmel sehe, sehe ich in meinem Innern, daß ich zu keinem, zu absolut keinem einfach edeln Gedanken oder Act fähig bin. Mein Streben nach Wahrheit ist mit viel größerer Dunkelheit, mein Wunsch nach Kenntniß mit ungeheurer Unwissenheit, mein persönlicher Muth mit durchgängiger Feigheit, mein Verlangen nach Thätigkeit und Arbeit mit unüberwindlicher Trägheit verbunden, und wenn ich mich so überall zu= rückgeschlagen und verdemüthigt sche und nun endlich meine, in meinem edelsten Sein, in meiner Liebe und Treue zu Eltern, Geschwistern und Freunden, sei ich eines ganz reinen Gefühles fähig, so entdecke ich eben da, je mehr ich mich kennen lerne, immer mehr Selbstsucht und bemerke, daß von den niedrigen Bewegungen der Eigenliebe auch dieses Gefühl bedingt und getragen ist. So aus mir selbst herausgeschlagen, sollte man doch glauben, sei nun nichts leichter, als sich ganz der Urwahrheit, der Urschöne und Urkraft und Urliebe anheim zu geben und nicht mehr seine eigene Ehre, die, wenn sie erlangt wird, nur Lüge sein kann, sondern die Ehre Gottes zu suchen und diesen einfachen Schluß in sich zur Wahrheit zu machen, ist doch so unendlich schwer. Doch Gott kann auch das geben und darauf vertraue ich. Wann ich meinen neuen Beruf an= treten werde, ist noch nicht bestimmt, da ich leider dem bestimmenden Briefe noch vergebens entgegensehe. Ich hoffe nicht, daß diese Ungewißheit über Ostern hinaus dauern wird. Tief in den Sommer hinein möchte ich nur sehr ungern noch meinen Aufenthalt hier fixirt sehen.

Jezt muß ich Dir auch einige Einzelheiten unseres Landtages erzählen, die Dich so besonders interessiren, für die Du aber in mir einen sehr schlechten Correspondenten hast, da es schwer ist, aus unsern Herren etwas heraus zu bekommen und ich mich auf dieses Herauslocken schlecht verstehe, . ... und der Oberpräsident aus eigener Machtvollkommenheit alles angewendet hat, um die vom König zugestandene Publicität zu hintertreiben. Da ihm dies endlich nicht mehr gelingen wollte, hat er ihnen einige Stellen im ersten Protokoll, wodurch der Grund der Verweigerung einer Adresse und die Stellung der Parteien dabei bezeichnet worden, gestrichen, und jezt liegt diese Sache wieder einem Ausschuß vor, der heute darüber berathen wird. Die Redaction der Zeitungsartikel ist übrigens Hüffer übergeben.

Das dem Titel nach so wichtige Gesetz über Verhinderung der Dismembration der Bauerngüter soll ganz unbrauchbar sein und der ganze Wiß dieses Gesezes darauf hinauslaufen, daß den Regierungen die Befugniß ertheilt werden soll, in jedem einzelnen Fall nach Gutdünken die

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