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Genuß, weil ich durch sie mit einer mir bisher ganz unbekannten und ungeahnten Region geistigen Lebens bekannt werde. Den Kampf des Sinnlichen mit dem Geistigen habe ich noch nie so aufgefaßt, beschrieben und durch Beispiele erläutert gefunden. Es klingt oft fabelhaft, wie diese Heiligen sich schon in der Welt aller körperlichen Beziehungen entäußert und die gestörte geistige Verbindung, dem Körper und seinem gemeinen Streben zum Troy, hergestellt haben. Auch die Schrift von Kreuzhageüber Hermesianismus 1) ist höchst interessant. Die Verirrungen des Hermes werden dadurch unbegreiflich, das Verfahren von Rom ist dagegen um so gerechtfertigter. Lebe wohl und grüße die liebe Paula, der ich so gern immer ein wohlgefälliger Schwager und Bruder sein möchte.

An seinen Bruder Wilderich').

8.

Münster, 9. Juli 1838.

Meine Antwort auf die beiden von Dir erhaltenen Briefe ist bisher durch mein Dienstverhältniß 3) verzögert worden. Vorgestern habe ich aber endlich die Zwangsjacke ausgezogen und ich benuße nun die erste freie Zeit, um mit Dir zu plaudern. Der mir angeborene Widerwille gegen alle Verhältnisse eines Soldaten im Frieden hat mir in diesen vierzehn Tagen recht viel zu schaffen gemacht. Der Pflichtenkreis eines Unteroffiziers ist an sich schon nicht reizend, für einen Mann unseres Standes, unserer Sinnesart und unserer Bildungsstufe aber fast unerträglich. Dabei hatten wir die Hände so voll, daß ich die ersten Tage keine Zeit hatte eine Pfeife beruhigt zu Hause zu rauchen. Alles ist bei uns jedoch gut abgelaufen, und unsere Vorgesezten haben sich vernünftig genug benommen, um sich passabel beliebt zu machen. Der Prinz hielt am Samstag über alle Regimenter in Münster Parade ab, und allen Regimentern ist größtes Lob gespendet worden. Besonders aber sollen die Husaren so vollendet alle Bewegungen ausgeführt haben, daß man Aehnliches noch selten gesehen. Nur die Landwehr-Infanterie hat an dem Besichtigungstage schlecht manöverirt, so daß der Prinz seine höchste Mißbilligung ausdrückte.

1) A. Kreuzhage, Beurtheilung der Hermesischen Philosophie mit Beziehung auf das Verhältniß der Philosophie zum Christenthume. Münster 1838.

2) Aus einer Copie.

3) Als Unteroffizier im Münsterschen Landwehr-Ulanenregiment.

Ich bin jezt auf einer Umreise begriffen, habe mit Westerwinkel 1) begonnen, werde Ende dieser Woche nach Dieck2) gehen und dann einige Tage in Harkotten 3) verweilen. Meine drei Hündchen, Hektor und ich haben also eine sehr unruhige Zeit vor uns, und ich hoffe, daß sich meine drei Gefährten besser amüsiren wie ihr Herr. Jedenfalls tragen sie gesundern Sinn und Herz mit sich herum wie ihr Herr, was man beim ersten Anblick nicht sagen sollte. Bald werde ich ganz irre an mir und halte mich für einen ganz behaglichen Materialisten, der sich nur zum Zeitvertreib hier und da Kummer und Gram voraffectirt, d. h. Komödie spielt. Verzeihe diese alberne Abschweifung, bester Bruder! Du rufft ja selbst die Offenheit immer wieder zurück, und diese besteht bei mir nicht in Darlegung eines offenen Charakters, sondern in Altweiber-Geklage. Denn wie wäre es möglich, daß ich sonst noch klagte? Ein Mensch, der zu der Erkenntniß gekommen oder vielmehr das immer Erkannte wieder bekennt, daß er nur zur Prüfung und zum Leiden auf Erden ist und darin Gott selbst zum Vorbilde hat — ein solcher Mensch, der neben dieser Ueberzeugung noch klagt und nicht zu allen Entbehrungen bereit ist, ist beinahe undenkbar und findet sich doch in meiner Person aufgetischt.

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Weil ich mich so elend und schwach fühle, ekelt es mich auch ordentlich an, mit andern über das zu sprechen, was ich beginnen soll, da ich wohl weiß, wie weit die Ausführung alles Schwierigen bei mir im Hintergrund liegt, und ich mir also nur als Projektemacher oder Reiseschneider vorkomme, und mir beides gleich verhaßt ist. Was ich thun sollte, weiß ich wohl. Da ich einem Staate, der die Aufopferung meines Gewissens fordert, nicht dienen will, so bin ich eigentlich auf den geistlichen Stand durch den Fingerzeig aller Umstände hingewiesen und doch kann ich den erforderlichen Entschluß nicht fassen und bin noch unendlich weit davon entfernt. Um mich zum geistlichen Stand würdig umzugestalten, wären größere Wunder erforderlich als Todte aufzuwecken.

Hieraus, bester Wilderich, siehst Du oder könntest wenigstens sehen die ganze Trostlosigkeit meiner Lage; Du könntest sie sehen, wenn Du meine Schilderung für wahr halten und nicht wieder den alten unrichtigen Maßstab Deiner milden Beurtheilung anlegen wolltest. Doch das ist leider nicht zu hoffen, und so wirst Du mich nie, bis zum jüngsten Tage, kennen lernen. Die einzige Hoffnung, welche ich in dieser Lage

1) Wohnsiz seiner Schwester Sophie Gräfin von Merveldt.

2) Haus Dieck bei Warendorf, Besiß seiner Stiefschwester Luise Gräfin von Nesselrode Ereshoven geb. Freiin von Hanṛleden.

3) Schloß der Freiherrn von Ketteler bei Warendorf.

noch habe, ist die unendliche Barmherzigkeit Gottes, welcher nicht nach dem Verdienst der Menschen seine Gnaden austheilt und daher auch mich vielleicht tro meiner Unwürdigkeit bedenken wird.

An seine Schwester Sophie Gräfin von Merveldt.

9.

München, 9. Mai 1839.

Deinen so ersehnten Brief habe ich zu meiner größten Freude gestern erhalten. Wenn Du mir auch keinen Brief versprochen hattest, so wußte ich doch bestimmt, daß ich von Deiner treuen Liebe sehr bald einen freundlichen Gruß erwarten durfte.

Ich kann es auch nicht unterlassen, schon heute mit der Antwort zu beginnen und etwas von dem zà Papier zu bringen, was ich Dir seit meiner Abreise schon so oft und besonders auch wieder seit gestern in meinen Gedanken und in meinem Herzen zugerufen habe. Das Alles beruht zwar auf einem Grundgefühl, das sich immer nur wiederholt, ohne ein neues und anderes zu werden, und das Du, meine liebe Sophie, hinreichend kennst, so daß es fast überflüssig erscheint, es nochmals auszudrücken. Ich kann es aber nicht lassen, Dir immer und immer zu wiederholen, wie außer Gott nur allein Ihr und was Euch betrifft in meinem Innern lebt und dort Freude und Leid hervorruft; und Du, liebe Schwester, wirst ja nicht müde diese alte Leier immer wieder freund lich anzuhören.

Dein lieber Brief kam noch früh genug in meine Hände, um gestern Euren Umzug nach dem geliebten Westerwinkel in Gedanken begleiten zu können. Fast nichts betrübt mich so als die Aussicht ganz die Freude entbehren zu müssen, die ich in den lezten Jahren so reichlich bei Euch in Westerwinkel genossen habe. Die Erinnerungen von dort stellen sich mir in einem so freundlichen, so ungetrübten und gemüthlichen Bilde vor wie nichts sonst in meinem Leben, und da es doch möglich ist, daß ein Wendepunkt in meinem Leben eintreten soll, so kann ich nicht immer freudigen Herzens daran denken, wie großen Genüssen ich durch mein Schei= den von Euch entsagt habe. In solchen Augenblicken halte ich mir aber gewissenhaft vor, daß, wenn auch die Freude in dem Leben unter Euch in der Fügung Gottes lag, und ich daher nicht gefehlt habe, sie ganz zu genießen und zu erfassen, ich dennoch keinen Freibrief erhalten habe, um mich alles Schmerzes auf dieser Welt zu entschlagen. Du weißt ja, daß ich strebe auch in der Trennung von Euch Gottes Willen zu verehren und in diesem Streben hoffe ich Ruhe zu finden und habe sie schon oft gefunden.

Malchen) war über Deine Geschäfte sehr erfreut und hoffte durch die neue Sendung von Meßgewändern Dich recht befriedigt zu haben. Auch Herr Seydell2) war voller Dankbarkeit für diese Unterstüßung ihres Unternehmens. Wenn man bedenkt, wie wenig fundirte Mittel fie für ihre Anstalt besigen, so kann man nur den Segen Gottes in dem Gedeihen ihres Handels erkennen, der allein ihnen so viele Leistungen möglich macht. Herr Seydell dankt Dir auch besonders für Deinen Gruß. Malchen ist nicht ohne Besorgniß für ihn, dessen sonst kräftige Gesundheit durch seine schwere Stellung in dieser Zeit sehr gelitten haben soll. Er war übrigens Geist und Feuer durch und durch, und ich habe oft bedauert den Genuß seines Umganges nicht mit Dir und denen, die ihn wie wir schätzen, theilen zu können, wobei freilich der Egoismus auch mitunter spielte. Das kleine Blumenhäuschen in ihrem Garten hat mir ganz besonders gefallen, und ich schmückte mit den Blumen im Geiste Deine freundlichen Zimmer in Westerwinkel.

Mein Aufenthalt in Coblenz war eigentlich der Glanzpunkt meiner Reise hierher. Ich kann damit nur noch die Zeit vergleichen, die ich im Cölner Dom zubrachte, den ich nicht unterlassen konnte zu besuchen, als wir um 5 Uhr Morgens dort auf einige Stunden anhielten. Die Erhabenheit und Größe des Baues, finde ich, ist ein Mittel, um sich

1) Amalia Gräfin von Merveldt gehörte zu jenen frommen Damen in Coblenz, welche, von dem Stadtrath Dieß unterstüßt, sich in Werken christlicher Barmherzigkeit in hohem Grade ausgezeichnet haben. An der Spize stand Gertrud Ottilia Nell († 26. Juni 1824), deren Andenken Clemens Brentano in seiner Schrift „die Barmherzigen Schwestern in Bezug auf Armen- und Krankenpflege“ (S. 401 ff.) gefeiert hat. Ihr reihten sich an Paulina von Felgenhauer, Apollonia Diepenbrock und die Dichterin Luise Hensel. Alle übertraf jedoch Caroline Settegast († 22. Juni 1871), welche, wie „die dankbare Stadt Coblenz“ auf dem ihr gesezten Grabmale bekennt, „ein Engel der Barmherzigkeit war für unzählige Arme, Kranke, Wittwen und Waisen.“ Was Caroline Settegast für die Kranken, das war Gräfin Merveldt, welcher' später die Gräfin Johanna Droste zu Vischering zur Seite stand, achtzehn Jahre lang für die Waisenkinder zu St. Barbara. Und wie die Erstgenannten ihr Liebeswerk damit beschlossen, daß sie alles bereiteten, um ihr Hospital Ordensschwestern zu übergeben, so zog sich auch Gräfin Merveldt, frank und hinfällig, erst dann nach Cöln, wo sie gestorben, zurück, nachdem sie die Waisenkinder, an denen sie Mutterstelle vertreten, der treuen Obhut der Schulschwestern vom armen Kinde Jesu anvertraut hatte. Vgl. Caroline Settegast von A. Joachim. Coblenz 1875; Cl. Brentano von P. Diel 2, 398.

2) August Seydell aus Stettin, früher Lieutenant bei den Lüßow‍schen Jägern, kämpfte in der Schlacht bei Leipzig, kehrte 1822 zur katholischen Kirche zurück, wurde Priester und wirkte von 1831-1850 als Vifar der St. Barbarakirche zu Coblenz. Siehe Rosenthal, Convertitenbilder. Deutschland. (2. Auflage) 1, 399 f.

leicht zu dem Unendlichen, Ewigen zu erheben. Man ahnt, für wen solche Formen allein geschaffen werden konnten, und wird ihm näher ge= bracht. So geschah es mir denn auch, als ich dort die erste Messe hörte. Da schien mir alles Zeitliche so klein und niedrig und jedes zeitliche Opfer so unbedeutend, daß ich selbst freudig und ohne Kummer meines Scheidens von Euch gedenken konnte. Die einzige Störung war die Idee, ob nicht der Priester am Altare ein Hermesianer sei. Daß diese Sekte jezt großentheils diese heilige Stätte entweiht, war mir ein sehr schmerzlicher Gedanke.

Leider habe ich den schönen Rhein nicht in der Pracht gesehen, die er jest gewiß in dem schönsten Blüthenflor entwickelt. Damals waren nur einzelne Bäumchen an besonders geschüßten Stellen in Blüthe, und sonst waren alle Bäume noch ebenso winterlich wie bei uns. Dennoch erschien mir der Rhein so schön wie möglich, und ich freute mich auch in dieser Bekleidung die Bekanntschaft seiner Gebirge zu machen.

Von Frankfurt aus empfand ich zu meinem Schrecken, daß München weiter (entfernt) sei, als ich es mir vorgestellt. Und als mich mit der Entfernung vom Rhein immer mehr und mehr der Gedanke verließ, daß ich in der kürzesten Zeit zu Euch gelangen könne, da fiel mir das Scheiden immer schwerer. Seit unserm Eintreffen in München haben wir das allerschönste Wetter, die herrlichsten reinsten Maitage, und so kann ich nach Belieben oft die schönen Tiroler Gebirge am Horizont aufsuchen, die denn auch in ihrer größten Schönheit bei dieser klaren Luft zu sehen find. Es zieht mich fast unwiderstehlich dorthin, als wenn es meine geliebte Heimath wäre, und ich Euch alle dort wieder finden könnte. Einem so mächtigen Drange werde ich nicht mehr lange widerstehen können und so werde ich Euch denn bald in den Tiroler Gebirgen, wenigstens im Baierischen Hochgebirge aufsuchen und ich weiß bestimmt, geliebte Sophie, daß Du dort freudig mit mir in Deinen Gedanken zusammen triffst. Vielleicht schlägt Gräfin Auguste1) die Partie auch nicht aus, da ich noch die Versicherung von dem jungen Görres hinzufügen kann, daß in vierzehn Tagen das Baierische Hochgebirg noch besonders schön wegen der unzähligen Blumen ist, mit welchen in dieser Zeit alle Wiesen auf eine unbegreiflich schöne Weise ausgeschmückt sind. Gott, wärest Du doch dann bei mir! Das wäre fast zu schön für diese Welt. Ich kann nicht die Berge sehen, ohne Eurer zu gedenken, wie Ihr mir immer sofort einfallet, wenn ich etwas sehe, dessen Anblick auch Euch Freude machen könnte. Aber bei den Bergen gedenke ich ganz besonders Eurer, die wir

1) von Merveldt, später Freifrau von Korff.

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