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ziehen zu wollen, ist ein Kunstgriff und ein falsches Benehmen. Man kann uns nicht hindern, das Verfahren der Regierung gegen den Erzbischof gewaltsam und rechtlos zu nennen, und wer dabei die Person des Königs nennt, auf den fällt selbst der ganze hochverrätherische Theil dieser Beschuldigung zurück. Außerdem durfte Bodelschwingh mit einer solchen Beschuldigung Westphalen nicht ganz unvorbereitet überfallen. Wenn er in guter Absicht als Edelmann und Standesgenosse hätte handeln wollen, so wäre es seine Pflicht gewesen, ihm diese Ansicht unter vier Augen mitzutheilen. Ich schließe hier, um diese Nachricht nicht aufzuhalten.

An seinen Bruder Wilderich.

41.

Eichstätt, 18. August 1841.

Da trennen uns schon wieder weite Länderstrecken, nachdem wir jüngst noch so heimisch nahe zusammen waren, mein theurer alter Bruder! Ein neuer handgreiflicher Beweis, wenn es der Beweise noch bedürfte, wie schnell Freude und Leiden hier auf Erden vorüber eilen.

Auf dem Dampfschiffe warst Du meinen Augen schneller, wie ich gewünscht hatte, entschwunden. Ich begleitete Dich den Abend wie die folgenden Tage mit allen Wechselfällen Deiner Reise in Gedanken. Meine Stimmung war natürlich nicht derart, um von den sechs Tagen, die seitdem verflossen sind, eigentlichen Genuß zu haben, und obwohl ich mich hie und da mit Freuden einzelnen schönen Punkten zuwendete, so spielten doch die sichtbaren Gegenstände nur eine geringe Nebenrolle bei dem, was mich beschäftigte. Deßhalb brachte ich die Rückfahrt nach Luzern im Innern des Schiffes zu, was mir gewiß auch Paula nicht als eine Versündigung gegen die schöne Natur deuten wird. Alles muß seine Zeit haben und so auch eine gewisse Traurigkeit über die Trennung von einem so liebevollen Bruder, wie Du mir bist.

Den 13. fuhr ich nach Zürich und den 14. über St. Gallen nach Lindau. Am 16. traf ich Mittags in Augsburg bei den „Drei Mohren“ ein und freute mich in dem Wirth einen Mann zu finden, der sich bei Lesung meines Namens Eurer noch erinnerte. Mit recht großem Interesse habe ich in dem alten Augsburg den Dom und das Rathhaus besehen und damit den Morgen des 17. ausgefüllt, worauf mich der Nachmittag und die Hälfte der vorigen Nacht hierher führte, meinem wahrscheinlichen Bestimmungsorte für die nächste Zukunft.

Nach Anhörung der heiligen Messe war es hier mein erstes Geschäft

auf die Post zu gehen und nach Briefen zu fragen und hatte die große Freude, einen erst acht Tage alten Brief von Aennchen aus Dinklage zu finden, der mir die besten Nachrichten von Hause brachte.

Nachdem ich also den Brief unseres lieben Aennchens durchlesen hatte, begab ich mich in der besten Hoffnung eines so guten Vorzeichens, wie der Empfang des Briefes war, zu dem Bischof, um dort meine nächste Zukunft in Ordnung zu bringen, als ich zu meinem nicht geringen Schrecken erfuhr, daß derselbe sich auf 14 Tage entfernt habe, ohne daß man wisse wohin, und zwar gerade in der unglückseligen vorigen Nacht, wo ich hier eingetroffen bin. Ich hätte keine fatalere Nachricht erhalten können, suchte mich indeß mit dem Beginne dieses Briefes zu trösten, da ich zugleich einen zweimaligen Versuch, den Regens des Seminars anzutreffen, vergeblich gemacht hatte. Soeben ist es mir dagegen gelungen ihn zu treffen und Gott Dank habe ich in ihm einen außerordentlich liebreichen freundlichen Mann gefunden. Er schien mir schon damals in Münster das ganze Vertrauen des Bischofs zu besißen. Von mir wußte er keine Silbe und erst nach längerer Erzählung erinnerte er sich, daß der Bischof ihm damals von meinen Briefen etwas gesprochen. Ich hätte sonach auf eine briefliche Antwort gar lange warten können. Der Bischof muß mit Geschäften gar zu sehr überhäuft sein. Der Regens sagte mir, daß er oft um zehn Uhr des Abends noch kein Wort seines Breviers gebetet habe, und dennoch lasse er nie ein Wort davon aus. Was aber jetzt aus mir werden soll, ist in Abwesenheit des Bischofs eine schwer zu lösende Frage. So viel scheint mir aber doch schon klar, daß ich den nächsten Winter hier unter Leitung des Regens meine Studien beginnen werde. Er meinte zwar, daß ihm selbst wenig Zeit dazu übrig bleibe. An den Studien der Seminaristen kann ich keinen Antheil nehmen, weil diese nur neun Monate hier zubringen und eigentlich erst nach vollendeten Studien in das Seminar kommen. Doch glaubte er meine Privatstudien ausreichend leiten zu können, was mir vorläufig genügt, da es mir bei weitem wichtiger ist, erst als Geistlicher leben zu können, ehe ich gerade alle seine Kenntnisse mir angeeignet habe, und zu einem geistlichen Leben scheint er mir ebenso willig seinen Rath ertheilen zu wollen, als er mich ins Seminar selbst aufzunehmen bereit ist. Aber auch hier sind noch einige Anstände zu beseitigen; denn erstens sind die Ferien sehr nahe, wo alle das Seminar verlassen, und zweitens darf er bis zur Rückkunft des Bischofs mich nicht wohl ins Seminar aufnehmen, zwar nicht des Bischofs, aber anderer Rücksichten wegen. Was nun bis dahin anfangen? Das ist die große Frage und viel gäbe ich darum, wenn ich es wüßte. Der Regens schlug mir vor, bis dahin eine Vergnügungsreise zu machen;

aber ich habe

mich in den lezten Jahren so viel vergnügt, daß es höchste Zeit ist dem ein Ende zu machen; und dann ist mir das Nichtsthun und Herumtreiben gleichfalls ganz zuwider. Hätte ich das im voraus gewußt, so wäre ich freilich bei Euch geblieben; aber jezt, wo uns schon wieder fast 200 Stunden trennen, ist daran nicht zu denken. Ich bin in einer gewissen Verlegenheit, was ich für diese Zeit am zweckmäßigsten beginnen soll. Doch hoffe ich, gibt Gott mir oder dem Regens bis zu den nächsten Tagen noch einen glücklichen Gedanken ein.

Auf Deine Briefe, mein alter Wilderich, kann dieser Zweifel aber weiter keinen Einfluß äußern. Adressire sie nur hieher. Adressire sie nur hieher. Bis zum Eintreffen dieser Zeilen bei Dir ist ja der Bischof schon fast wieder zurück. Leider darf ich Euch das Ziel dieser Reise nicht nennen. Es scheint aber unsere Verhältnisse zu betreffen und soll erfreulicher Art sein. Ich bin recht gespannt auf Deinen nächsten Brief, der mir Dein glückliches Eintreffen bei Paula ansagen wird. Don Giovanni mußt Du die freundlichsten Grüße von mir sagen. Bei der heiligen Messe vertrittst Du, alter Bruder, gewiß jezt meine Stelle. Wenn Euch in Mondovi1) nur wieder eine so freundliche und nahe Kapelle zur Seite steht wie auf der Vigna 2). Es ist Euch allen doch gewiß etwas schwer geworden, diesen lieblichen Aufenthalt zu verlassen, und mir will der Gedanke nie wieder dort mit Euch zusammen zu sein auch nicht recht behagen.

Mein Bogen ist bald voll und ich muß mein Gequater bald abbrechen. Das Alleinsein ist eine Sache der Gewohnheit, und ich muß mich erst daran gewöhnen, um es in rechtem Geiste und ohne solche kleine Hilfsmittel, wie das Schreiben über alle möglichen Kleinigkeiten ist, ertragen zu können. Jezt ist mir dieser Brief, mein geliebter alter Bruder, eine große Wohlthat gewesen und ich bedaure ihn nicht wieder anfangen zu können. So elend klein ist die Menschenseele! Was ist eine Zurückgezogenheit, wie die, welche ich beginne, gegen jene, der sich die Männer der ersten Jahrhunderte unterwarfen und dennoch wird sie mir so schwer! Weil ihre Opfer um so viel größer waren, sind aber auch ihre Handlungen und Werke für uns lauter Riesenwerke. Möchte es doch demselben Gott, der sie geschaffen, gefallen, auch uns wieder größere, mächtigere Seelen zu geben, um gegen eine nicht weniger verderbte Welt mit gewaltigern Mitteln ankämpfen zu können! Der gütige Gott nehme uns unter seinen gütigen Schuß und führe unser Leben zu seiner Ehre und unserm Heile!

1) in Breolungi bei Mondovi.

2) Cravanzana bei Moncalieri, unfern Turin. Diese Vigna war damals ebenso wie Breolungi im Besiß der Gräfin Luise Fontana Marquise von Cravanzana.

An seine Schwester Sophie.

42.

Eichstätt, 24. August 1841.

Heute morgen hatte ich die große Freude einen Brief von Wilderich von Cravanzana aus zu erhalten, worauf ich noch durchaus nicht gerechnet hatte. Er hat seine Rückreise außerordentlich schnell zurückgelegt. Während ich mich am 15. des Morgens in Lindau am Bodensee aus meiner Lagerstätte erhob, traf der alte Wilderich schon wieder in unserer schönen Vigna ein. Auf unserer Schweizer Reise trafen wir auf dem St. Bernhard, auf der Gemmi und auf der Wengern Alp die schönsten Tage, die man dort im ganzen Jahre erlebt hatte, so daß wir uns gewiß nicht beklagen dürfen, wenn die leßten Tage nicht so ungetrübt klar waren, und dadurch noch einige Gebirgstouren, die projektirt waren, vereitelt wurden. Die Hauptgebirge haben wir in diesen paar Tagen in einer sehr seltenen Schönheit gesehen. Nicht ein Wölkchen hat den Gesichtskreis beschränkt. Namentlich sahen wir den Mont-Blanc in seiner ganzen Pracht vom Col de Fenetre aus, der, von uns vom St. Bernhard aus erstiegen, eine Aussicht bietet, welche der von Chamouny nicht viel nachstehen muß. In viel größerer Entfernung, aber auch in unvergleichlicher Schönheit sahen wir von der Gemmi aus den Monte Rosa, jenseits des Walliser Thals, in seiner ganzen Ausdehnung vor uns liegen. Und an dem Tage, als wir von Interlaken über die Wengern Alp nach Grindelwald gingen, hatten wir wiederum einen ganz ungetrübt klaren Himmel, so daß die Jungfrau, der Mönch 2c. ganz rein vor unsern entzückten Augen ihre weißen Häupter gegen Himmel streckten. Ewiger Jammer bleibt es, daß uns nicht längere Zeit hier zu Gebote stand, sonst würden wir noch die herrlichsten Gebirgstouren ausgeführt haben. Es erfaßte uns oft eine unendliche Sehnsucht weiter hinauf und tiefer in die entlegenen Thäler vorzudringen und die Gebirge in einer anderen Luft genießen und auf anderen Wegen ersteigen zu können, als wo täglich Hunderte von Engländern ihren Kohlendampf wieder auszuathmen sich bemühen. Aber die Zeit fehlte und so schieden wir denn mit wohl schwerem, aber auch recht dankbarem Herzen für die gehabten Freuden, am 12. auf dem Vierwaldstätter See. Während der alte brave Wilderich sich einem Einspänner zur Fahrt nach Altdorf und weiterhin übergab, trieb mich das Dampfschiff in entgegengesetter Richtung nach dem schönen Luzern zurück.

Da in derselben Nacht, in der ich hier eingetroffen, der Herr Bi

schof auf 12 bis 14 Tage verreist war, so mußte ich vorläufig mich noch im Wirthshause etabliren, wo ich denn heute schon acht Tage hause. In wenigen Tagen wird also der Bischof zurück sein und dann hoffe ich mich sofort in sein Seminar niederlassen zu dürfen. Diese acht Tage meines Hierseins haben mir übrigens schon den angenehmsten Vorgeschmack meines hiesigen Lebens gegeben, da das Städtchen so klein und öde ist, daß das Wirthshausleben sich mit einem ganz zurückgezogenen Leben sehr gut verbinden läßt. Wenn Gott mich so zu unterstüßen fortfährt, so gehe ich hier einem unendlich friedlichen, ansprechenden Leben entgegen und ich vertraue jezt um so mehr auf seine gnadenvolle Unterstüßung, als er sie mir diese ersten acht Tage in einem unerwartet reichlichen Maße gegeben. Wenn er mir die Ruhe und Freudigkeit erhält wie in dieser Zeit, so verlange ich für diese Erde kein größeres Glück. Natürlich, meine beste Sophie, ein ungetrübtes, kampfloses Glück war es auch jezt nicht. Schon die Entfernung von Euch wird mir, wo immer ich mich befinde, eine große Entbehrung sein und am wenigsten verlange ich, daß sie je in meinem. Leben aufhöre eine recht große schwere Entbehrung zu sein. Ich bitte nur Gott, daß er mir die Gnade gibt, sie, wo es seine Ehre erfordert, mit Freude als eine wahre Entbehrung und als mein Kreuz ihm nachzutragen. In dieser Bitte finde ich gewiß Deine liebevolle Unterstüßung. Ich bitte Dich inständigst selbst zu lesen und andern anzuempfehlen Die neuesten Zustände der katholischen Kirchen beider Ritus in Polen und Rußland seit Catharina II.," bei Kollmann in Augsburg, ein fesselnd interessantes Werk von Theiner, das jeder Katholik kennen muß. Grüße und beglückwünsche doch Sophie Imbsen') in meinem Namen, wenn Du sie sehen solltest. Das wird eine angenehme Nachbarschaft für Lembeck. Gott beschüße uns, geliebte Schwester!

"

P. S. Unsere religiösen Angelegenheiten scheinen doch wenigstens wieder in recht ernstlicher Berathung zu sein. Das Neueste wißt Jhr gewiß schon, ich darf leider nicht darüber sprechen. Von meinem Entschluß, den geistlichen Stand zu ergreifen, macht doch nirgends mehr ein Geheimniß. Mit Gott ist er ja unabänderlich gefaßt. Laß uns recht inständig für einander beten! Welch unendlicher Trost liegt in diesem Mittel, seinen theuren Angehörigen auch in der weitesten Ferne hilfreich sein zu können!

1) Wegen deren Verlobung mit dem Freiherrn Friedrich Landsberg Velen und Gemen.

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