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ten gegenüber im wesentlichen dieselbe Ansicht hat, wie frühere Kritiker, so liegt der Grund, warum er häufiger, als es einer von diesen gewagt hat, von demselben abgeht, darin, dass er den Puteanus zwar nicht in gleichem Grade wie andere Handschriften des Livius, aber doch für so verdorben hält, dass der Konjekturalkritik ein weiterer Spielraum, als bisher angenommen wurde, eingeräumt und vieles, was noch nicht in Zweifel gezogen war, teils aus sprachlichen Gründen, teils wegen der Unrichtigkeit der Gedanken oder der Form oder Verbindung derselben geändert werden müsse. Da wohl noch niemand behauptet hat, dass die handschriftliche Überlieferung des Livius sicherer sei als die anderer Werke des Altertums, der Umfang des Verderbnisses aber nicht nach einzelnen Kategorieen von Irrtümern bestimmt werden kann, weil in jedem einzelnen Falle die Frage entsteht, ob das Angezweifelte unter die aufgestellte Kategorie gehöre, so wird immer an den betreffenden Stellen untersucht werden müssen, ob die von Madvig aus jenen allgemeinen Grundsätzen entwickelten Gründe ausreichend sind, um eine Änderung zu motivieren. Nachdem ich die Vorschläge des Verfassers, so viel ich vermochte, geprüft habe, bin ich gern manchen der durch sprachliche Gründe veranlafsten Konjekturen gefolgt; wenn ich andere nicht ohne Zweifel, manche nicht aufgenommen habe, so hat mich die Besorgnis bestimmt, der Sprache Formen zu entziehen, die, an sich nicht unberechtigt, an Verwandtes sich anschliefsen, besonders da sich nicht überall mit Sicherheit feststellen läfst, wie weit die Beweglichkeit der Sprache, namentlich der Schriftund Büchersprache des Livius, reiche und, wie die Erfahrung mehrfach gelehrt hat, die Versuchung nahe liegt, auch da bestimmte Grenzen zu ziehen, wo sie in der angenommenen Schärfe in der Wirklichkeit nicht bestehen. Von den Verbesserungsvorschlägen der anderen Art habe ich manche als unstreitig richtig oder in hohem Grade wahrscheinlich in den Text aufgenommen, andere mir nicht aneignen können, teils weil ich mich von der Notwendigkeit einer Änderung der handschriftlichen Lesart nicht zu überzeugen vermochte, und das Bessere auch auf diesem Gebiete ein Feind des Guten sein kann, teils weil ich keinen Grund fand, dieselben den von anderen Gelehrten ausgegangenen vorzuziehen, die meisten jedoch, namentlich an den leider noch immer zahlreichen Stellen, die bis jetzt noch nicht genügend haben hergestellt werden können, in den Anmerkungen erwähnt. So weit es der Raum und der Zweck der Schulausgabe gestattete, habe ich meine Bedenken und Gründe angedeutet, die wei

ter auszuführen wohl eine andere Gelegenheit sich darbieten wird. Ob mein Verfahren das richtige sei, überlasse ich dem Urteil unparteiischer Richter und wünsche nur, dafs die Ausgabe, die ohne alle Prätension aufgetreten ist und allein die Förderung der Lektüre des Livius auf der Schule zum Zwecke hat, diesem jetzt mehr entsprechen und der freundlichen Aufnahme, welche ihr zu teil geworden ist, würdiger erscheinen möge.

Eisenach, im April 1861.

Wilhelm Weissenborn.

VORWORT ZUR DRITTEN AUFLAGE.

Bei der neuen Bearbeitung der folgenden Bücher habe ich für die Verbesserungen des Textes die Bemerkungen von Madvig, Cron, M. Müller, Perthes, H. Weber gebührend berücksichtigt und manche früher nur in den Anmerkungen als richtiger bezeichnete Lesarten in den Text aufgenommen. Für das Sprachliche und Sachliche sind die Arbeiten von Lorenz, Kühnast, Anton, Mommsen, Hübner, Holm, Schubring u. a., für die Beurteilung des Verhältnisses, in dem Livius zu Polybios und anderen Historikern steht, die Untersuchungen von Nissen, H. Peter u. a. dankbar benutzt. Möge die Revision, der ich das Ganze unterworfen habe, dazu beitragen, der Ausgabe auch ferner Freunde zu gewinnen.

Eisenach, im September 1871.

Wilhelm Weissenborn.

TITI LIVI

AB URBE CONDITA

LIBER XXIIII.

Ut ex Campania in Bruttios reditum est, Hanno adiutoribus 1 et ducibus Bruttiis Graecas urbes temptavit eo facilius in societate manentes Romana, quod Bruttios, quos et oderant et metuebant, Carthaginiensium partis factos cernebant. Regium primum 2 temptatum est, diesque aliquot ibi nequiquam absumpti. interim Locrenses frumentum lignaque et cetera necessaria usibus ex agris in urbem rapere, etiam ne quid relictum praedae hostibus esset, et in dies maior omnibus portis multitudo effundi; postre- 3

1-3. Unternehmungen gegen die Städte Regium, Lokri und Kroton.

Das hier Erzählte ist bereits 23, 30, 6 als bald nach der Schlacht bei Kannä erfolgt kurz berührt, und die Verbindung Lokris mit den Puniern wird 23, 41, 10 vorausge setzt. Livius scheint dies übersehen oder absichtlich nach einer anderen Quelle nachträglich (denn schon 23, 48, 4 ist er an das Ende des Jahres gelangt; vgl. 24, 7, 10) die ausführlichere Darstellung hier eingeschaltet zu haben.

1. ex Campania] wohin Hanno, der punische Oberbefehlshaber_in Bruttium, nach der Eroberung Petelias durch Himilko und der Einnahme Konsentias (s. 23, 30, 1. 5) von Hannibal gerufen war, um an den Kämpfen bei Nola teilzunehmen; s. 23, 46, 8. in Bruttios] dreimalige Wiederholung des Wortes; vgl. § 2: temptatum; 25, 37, 11 u. a. temptavit] s. zu 2, 25, 1; dazu enthält manentes in der Form des Attributs den Gegensatz.

oderant] wegen früherer Verhältnisse; vgl. Mms. RG. 16, 361. — partis factos] eig. ein Besitz der Tit. Liv. V. 1. 4. Aufl.

Partei.. geworden', d. h. ‘auf die Seite.. getreten seien'; dieser possessive Genetiv bei esse und fieri ist häufig; s. 29, 7. 35, 6. 37, 6; 21, 60,3; 22, 20, 11; vgl. zu 1, 25, 13.

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2. cetera necessaria] das übrige, was nötig war'; das substantivierte Neutrum wird mit einem Attribut bekleidet, wie 48, 12; vgl. 25, 15, 20; 27, 20, 3: cetera belli; 27, 40, 4. usibus] für den Bedarf, wie 7, 26, 14; vgl. 22, 2, 3: necessaria ad usus und zu 22, 12, 8. — etiam] nicht allein für sich, sondern auch damit nicht.. portis.. effundi] in dieser Verbindung gebraucht L. stets den blofsen Abl.; s. 1, 14, 8; 26, 5, 5; 29, 34, 12; zu 43, 10, 5; bei anderen Substantiven fehlt die Präposition sehr selten; vgl. jedoch 10, 7; 40, 31, 4.

--

3. postremo] schliefslich', näml. als die Feinde kamen. - ii modo] ist unsichere La. ; man erwartete eine nähere Bezeichnung der Zurückgebliebenen, deren Zahl nach § 5 und 6 nicht so gering erscheint. Die Mauern sind unter dem Schutze der Römer, mit denen Lokri, wie Regium, seit langer Zeit im Bunde

1

mo ii modo relicti in urbe erant, qui reficere muros portas tela4 que in propugnacula congerere cogebantur. in permixtam omnium aetatium ordinumque multitudinem et vagantem in agris magna ex parte inermem Hamilcar Poenus equites emisit, qui violare quemquam vetiti, tantum ut ab urbe excluderent fuga 5 dissipatos, turmas obiecere. dux ipse loco superiore capto, unde agros urbem posset conspicere, Bruttiorum cohortem adire muros atque evocare principes Locrensium ad conloquium iussit et pollicentes amicitiam Hannibalis adhortari ad urbem tradendam. 6 Bruttiis in conloquio nullius rei primo fides est; deinde ut Poenus apparuit in collibus, et refugientes pauci aliam omnem multitudinem in potestate hostium esse adferebant, tum metu 7 victi consulturos se populum responderunt. advocataque extemplo contione cum et levissimus quisque novas res novamque societatem mallent, et quorum propinqui extra urbem interclusi ab hostibus erant, velut obsidibus datis pigneratos haberent ani8 mos, pauci magis taciti probarent constantem fidem quam pro

stand (s. Periocha 11-15), zerfal-
len.muros portas] zweigliedriges
Asyndeton, das L. namentlich bei
gegensätzlichen Begriffen nicht sel-
ten anwendet; s. § 5; 4, 3, 12; 25,
14, 9; zu 21, 28, 2; vgl. 27, 5, 4.
propugnacula] s. zu 23, 18, 9.
4. vagantem inermem] s. zu
1, 21, 1. Hamilcar] scheint ein
Unterbefehlshaber in dem Corps
Hannos gewesen zu sein.
tum ut..] s. 35, 11, 4: pollicetur
erupturum, tantum uti dice-
ret; vgl. 21, 19, 5: tantum ne

se..

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tan

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turmas] wie § 5: cohors u. a. nach römischer Bezeichnung.

5. agros urbem] s. zu § 3; vgl. jedoch 7, 31, 7; 26, 33, 13 u. a.; in der älteren Latinität (z. B. bei Ennius) ist dieser Gebrauch häufig, Beispiele finden sich aber auch in der späteren und spätesten Zeit. evocare] s. 21, 25, 7; 25, 28, 3; 30, 12, 8. pollicentes] s. 2, 14, 8; vgl. § 7: mallent.

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adhortari ad..] s. zu 6, 9, 2; vgl. zu 43, 19, 14.

6. Bruttiis.. fides est] die Br. 'finden Glauben'; verschieden 27, 50, 11. adferebant] die nichtvollendete, sich wiederholende Hand

lung ('immer von neuem ..') im Gegensatz zu dem die einmalige, plötzlich eintretende Handlung bezeichnenden apparuit; vgl. 6, 30, 7; so häufig bei den Temporalpartikeln; s. 13, 7. 31, 2. 32, 5; 25, 10, 6. 26, 15. 33, 8. 36, 4; 35, 38, 2; 44, 43, 2; zu 2, 7, 3 und 23, 18, 7. aliam omnem] =reliquam omnem; jenes bei Cic. sehr selten, bei L. häufig und gewöhnlich in dieser Stellung; s. zu 19, 8.

7. extemplo] wie 25, 10.- -contione] eine Volksversammlung, in der nicht allein die Sache verhandelt, sondern auch, anders als in Rom, ein Beschlufs gefasst wird; s. § 8. 37, 11.— levissimus quisque] dagegen 23, 30, 8: Locrenses descivere ad Bruttios.. prodita multitudine a principibus. vas res] die ungewöhnliche Wortstellung scheint durch die Anapher veranlafst zu sein. velut..] v. dient zur Hervorhebung des bildlichen Ausdrucks; s. 2, 8. 18, 2. 45, 3; zu 26, 37, 5.

3.

no

8. pauci] ohne et; s. zu 35, 27, magis] gehört zu dem ganzen Begriffe taciti probarent constan

palam tueri auderent, haud dubio in speciem consensu fit ad Poenos deditio. L. Atilio praefecto praesidii quique cum eo milites 9 Romani erant, clam in portum deductis atque impositis in navis, ut Regium deveherentur, Hamilcarem Poenosque ea condicione, ut foedus extemplo aequis legibus fieret, in urbem acceperunt. cuius rei prope non servata fides deditis est, cum Poenus dolo 10 dimissum Romanum incusaret, Locrenses profugisse ipsum causarentur. insecuti etiam equites sunt, si quo casu in freto aestus 11 morari aut deferre naves in terram posset. et eos quidem, quos sequebantur, non sunt adepti; alias a Messana traicientis freto Regium naves conspexerunt. milites erant Romani a Claudio 12 praetore missi ad obtinendam urbem praesidio. itaque Regio

tem fidem, d. h. dem Bündnis mit
Rom treu zu bleiben. - taciti] s. 25,
28, 6. propalam tueri] sich..
entscheiden, sich offen für etwas
aussprechen'; steht im Gegensatze
zu taciti; s. 14, 3. 38, 3; 26, 35, 7;
34, 33, 14; 44, 6, 13; vgl. 22, 25,
17: magis tacita invidia. . quam
satis audebant homines ad sua-
dendum.. prodire; zu tueri vgl.
40, 5, 8: certamine adversus fra-
trem omnia tuendo..; 26, 14,
1; Curt. 10, 20, 12: Nearcho per-
vicacius tuente sententiam. in
speciem] zum Schein, scheinbar';
so oft bei L., z. B. 27, 8; 3, 40,
7; vgl. 2, 56, 3. Anders per spe-
ciem mit Gen., 'unter dem
Schein', ebenfalls häufig bei L., z. B.
47, 12. 39, 35, 4; 44, 19, 8. Weil
viele (nach 2, 8 denkt Livius an
die Aristokratie; vgl. 29, 6, 5) im
Grunde des Herzens das Bündnis mit
Rom aufrecht erhalten wissen woll-
ten. fit.. deditio] es wird nur
der Beschlufs gefafst; s. § 9.
ad Poenos] wie 27, 15, 2: se de-
dere ad..; vgl. 28, 22, 5.

=

9. praefecto..] vgl. 23, 41, 12. quique..] darnach ist zu deductis zu denken iis; vgl. 27, 5, 6: Multine et si quorum..merita . erant, in senatum introductis. ea condicione] da die Übergabe eine freiwillige ist, so kann sie unter Bedingungen erfolgen; hier wird ein aequum foedus gefordert; s.

§ 13; 23, 7, 1; 25, 8, 8.

10. cuius rei] dafs ein solches Bündnis geschlossen würde. vata fides.. est] s. zu 43, 18, 10.

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ser

deditis] reflexiv, wie 37, 6; 4, 29, 4; 36, 28, 5: imperium inhibeam in deditos. Poenus.. Romanum] der kollektive Gebrauch des Sing. von Völkernamen ist häufig bei L.; s. § 13. 2, 4. 7. 17, 8. 47, 7; 2, 6, 11 u. a. dimissum] näml. a Locrensibus; die Punier betrachten die Besatzung als in die Deditio miteinbegriffen und geben den Lokrensern an deren Entkommen schuld (incusarent; s. 26, 12, 11).— ipsum] 'aus eigenem Antrieb, mit eigenen Mitteln'; Gegensatz zu dimissum.

11. insecuti si..posset] ob vielleicht die Möglichkeit eintreten, es sich so fügen würde'; vgl. 36, 8; häufiger ist ein solches si nach temptare und ähnlichen Verben; s. zu 1, 57, 2. deferre] vgl. zu 21, 49, 2. et. . quidem] s. zu 2, 2, 9. alias naves] steht eos gegenüber, eine Ungenauigkeit, die weniger auffällt, da vorher von Schiffen die Rede war. a Messana] s. zu 12, 3.

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12. a Claudio] eine ähnliche Unternehmung wie 23, 41, 8; die 23, 38, 9 erwähnte Flotte scheint unthätig gewesen zu sein. - Regio..] die Belagerung wird aufgehoben; s. § 2: nequiquam.

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