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euerungen machen, kann sowohl der Charakter eines grossen Geistes, als eines kleinen seyn. Jener verläßt das alte, weil es unzulänglich, oder gar falsch ist; dieser, weil es alt ist. Was bey jenem die Einsicht veranlaßt, veran laßt bey diesem der Eckel. Das Genie will mehr thun als sein Vorgänger; der Uffe des Genies nur etwas anders.

Beyde lassen sich nicht immer auf den ersten Blick von einander unterscheiden. Bald macht die flatterhafte Liebe zu Veränderungen, daß man aus Gefälligkeit diesen für jenes gelten läßt; und bald die hartnäckige Pedanteren, daß man, voll unwissenden Stolzes, jenes zu diesem ernie driget. Genaue Beurtheilung muß mit der lau2 tersten

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tersten Unparthenlichkeit verbunden seyn, wenn der aufgeworfene Kunstrichter weder aus wol lustiger Nachsicht, noch aus neidischem Eigendünkel fehlen soll.

Diese allgemeine Betrachtung findet hier ganz natürlich ihren Plaß, da ich von den Neuerungen reden will, welche zu unsern Zeiten in der Dramatischen Dichtkunst sind gemacht worden, Weder das Lustspiel, noch das Trauerspiel, ist davon verschont geblieben. Das ers stere hat man um einige Staffeln erhöhet, und das andre um einige herabgeseht. Dort glaub te man, daß die Welt lange genug in dem Lust. spiele gelacht und abgeschmackte Laster ausgezischt habe; man kam also auf den Einfall, die Welt endlich einmal auch darinne weinen und an stillen Tugenden ein cdles Vergnügen finden zu lassen. Hier hielt man es für unbillig, daß nur Regenten und hohe Standespersonen in uns Schrecken und Mitleiden erwecken soll, ten; man suchte sich also aus dem Mittelstande Helden, und schnallte ihnen den tragischen Stiefel an, in dem man sie sonst, nur ihn lächerlich zu machen, gesehen hatte.

Die erste Veränderung brachte dasjenige her. vor, was seine Anhänger das rührende Luftspiel, und seine Widersacher das weinerliche

nennen.

Aus der zweyten Veränderung entstand das bürgerliche Trauerspiel.

Jene

Jene ist von den Franzosen und diese von den Engländern gemacht worden. Ich wollte fast sagen, daß sie beyde aus dem besondern Naturelle dieser Völker entsprungen zu seyn scheinen. Der Franzose ist ein Geschöpf, das immer grösser scheinen will, als es ist. Der Engländer ist ein anders, welches alles grosse zu sich hernieder ziehen will. Dem einen ward es verdrüßlich, sich immer auf der lächerlichen Seite vorgestellt zu sehen; ein heimlicher Ehre geiß trieb ihn, seines gleichen aus einem edeln Gesichtspunkte zu zeigen. Dem andern war es årgerlich, gekrönten Häuptern viel voraus zu lass sen; er glaubte bey sich zu fühlen, daß gewaltsame Leidenschaften und erhabne Gedanken nicht mehr für sie, als für einen aus seinen Mit teln wåren.

Dieses ist vielleicht nur ein leerer Gedanke; aber genug, daß es doch wenigstens ein Gedans te ist. Ich will für diesesmal nur die ers ste Veränderung zu dem Gegenstande meiner Betrachtungen machen, und die Beurtheilung der zweyten auf einen andern Ort sparen.

Ich habe schon gesagt, daß man ihr einen doppelten Namen beylegt, welchen ich auch so gar in der Ueberschrift gebraucht habe, um mich nicht durch die blosse Anwendung des einen, so schlecht weg gegen den Begrif des andern zu er klären. Das weinerliche Lustspiel ist die Benennung derjenigen, welche wider diese neue 22

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Gattung eingenommen sind. Ich glaube, ob schon nicht hier, sondern anderwärts, das Wort. weinerlich, um das Französische larmoyant auszudrücken, am ersten gebraucht zu haben. Und ich wüßte es noch jezt nicht besser zu übersehen, wenn anders der spöttische Nebenbegrif, den man damit hat verbinden wollen, nicht verJohren gehen sollte. Man sieht dieses an derzweyten Benennung, wo ihre Vertheidiger ihre Rechnung daben gefunden haben, ihn gänzlich wegzulassen. Ein rührendes Luftspiel läßt uns an ein sehr schönes Werk denken, da ein weinerliches, ich weis nicht was für ein kleines Ungeheuer zu versprechen scheinet.

Aus diesen verschiedenen Benennungen ist genugsam, glaub ich, zu schliessen, daß die Sa che selbst eine doppelte Seite haben müsse, wo man ihr bald zu viel, und bald zu wenig thun könne. Sie muß eine gute Seite haben, sonst würden sich nicht so viel schöne und scharffinnige Geister für sie erklären sie muß aber auch eine schlechte haben, sonst würden sich andre, die eben so schön und scharfsinnig sind, ihr nicht widersehen.

Wie kann man also wohl sichrer hierbey ge hen, als daß man jeden von diesen Theilen hös ret, um sich alsdann entweder auf den einen, oder auf den andern zu schlagen, oder auch, wenn man lieber will, einen Mittelweg zu wählen, auf welchem sie sich gewissermassen beyde ver einigen

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