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Damit man mir aber nicht ein Unding zu bestreiten, Schuld geben könne, so muß ich hier die Marimen eines Apologisten der Melanide,* dieser mit Recht so berühmten Komödie,von welcher ich noch oft in der Folge zu redenGelegenheit finden werde, einrücken.,,Warum wollte man, sagt er, „einem Verfasser verwehren, in eben demselben Werke das Feinste, was das Lustspiel hat, mit „dem Rührendsten, was das Trauerspiel darbie „then kann, zu verbinden. Es tadle diese Ver,,mischung wer da will; ich, für mein Theil, bin sehr wohl damit zufrieden. Die Veräne derungen sogar in den Ergözungen lieben, ist ,,der Geschmack der Natur Man geht von

einem Vergnügen zu dem andern über; bald ,,lacht man, und bald weinet man. ·Diese ,,Gattung von Schauspielen, wenn man will, ,,ist neu; allein sie hat den Beyfall der Ver„nunft und der Natur, das Ansehen des schö,,nen Geschlechts und die Zufriedenheit des Pus ,,blicums für sich.

Von

cherlich, einen bekannten und bestimmten Namen einer Sache beyzulegen, der er nicht zukommt. Der Name einer Komödie kömmt dem weiners lich Romischen nicht besser zu, als der Name eines Epischen Gedichts den Abentheuern des Dom Quichott zukömmt Wie soll man also diese neue Gattung bezeichnen? Eine in Gespräs che gebrachte pathetische Declamation, die durch eine romanenhafte Berwicklung zusammen gehal ten wird zc. Man sehe Principes pour lire les Poetes im zten Theile.

Lettres fur Melanide. Paris, 17417

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Von dieser Art sind die gefährlichen Marimen, gegen die ich mich zu sehen wage; denn man merke wohl, daß ich von einer aufrichtigen Bewunderung des Genies der Verfasser durchdrungen bin, und niemals etwas anders als den Geschmack ihrer Werke, oder vielmehr das weinerlich Romische überhaupt genommen, angreiffe. Ich habe mir bestån dig die Freyheit vorbehalten, den liebenswür digen Dichtern tausend Lobsprüche zu ertheilen; die uns durch sehr wirkliche Schönheiten der Ausführung, durch die Entdeckung verschied ner wahren und sich ausnehmenden Schilderungen und Charaktere, durch die blendende Neuig keit ihrer Farbenmischung, oft dasjenige zu vers bergen wußten, was an dem Wesentlichen ihrer Fabel etwa nichtig oder fehlerhaft seyn konnte. Das Genie des Verfassers strahler allezeit durch, und kann ihm, ohngeachtet der Fehler seines Werks, ein gerechtes Lob erwerben: allein die Fehler seines Werks strahlen gleichfalls durch, und können, Troz den Bezaubrungen, die das Genie des Werkmeisters angebracht hat, mit Grund getadelt werden.

Nachdem ich also den hochachtungswürdigen Gaben der Künstler in dieser neuen Gattung, Gerechtigkeit, wiederfahren lassen, so laßt uns ohne Furcht den Geschmack ihrer Stücke untersuchen, und gleich Anfangs sehen, ob ihnen das Alterthum Beyspiele darbiethe, die sie uns

zur

zur Rechtfertigung ihrer Wahl entgegenseßen

fönnen.

Aus dem leichten Entwurfe, den wir eben jekt betrachtet haben, ist es klar und deutlich, daß ihnen das griechische Theater keine Idee, die mit dem weinerlich Komischen analogisch wåre, geben konnte. Die Stücke des Aristophanes sind eigentlich fast nichts, als satyrische Gespråche; und aus den Fragmenten des Menanders erhellet, daß auch diefer Dichter bloß die Farben des lächerlichen, oder derjenigen allgemeinen Critik gebraucht habe, welche mehr den Wiß erfreuet, als das Gemüthe angreift.

Die Art und Weise des lateinischen Theaters ist eben so wenig für sie. Es ist ganz und gar nicht die Weichmachung der Herzen, die Plautus zum Gegenstand seiner Lustspiele gewählt hat. Keine einzige von seinen Fabeln, kein einziger von seinen Zwischenfällen, kein einziger von seinen Charaktern ist dazu bestimmt, daß wir Thrånen darüber vergiessen sollen. Es ist wahr, daß man bey dem Terenz einige rüh rende Scenen findet; zum Erempel diejenigen, wo Pamphilus seine zärtliche Unruhe für die Glycerium, die er verführt hatte, ausdrückt: allein die Stellung eines jungen verliebten Men-· schen

Man redet hier von dem lateinischen Theater bloß nach Beziehung auf die zwey Schriftsteller, die uns davon übrig sind.

B

schen, der von der Ehre und von der Leidenschaft gleich stark getrieben wird, hat ganz und gar keine Aehnlichkeit mit den Stellungen unfrer neuen Originale. Terenz findet unter der Hand bewegliche Stellungen, dergleichen die Liebe bestandig hervorbringt; und er drückt sie auch mit demjenigen Feuer und mit derjenigen ungefünftelten Einfalt aus, welche die Natur so wohl treffen, und auf einen gewissen Punkt fest stellen. Ist aber dieses der Geschmack der neuen Schauspielschreiber? Sie wählen, mit allem Bedacht, eine traurige Handlung, und durch eine natürliche Folge sind sie hernach verbunden, ihren vornehmsten Personen einen klagenden Ton zu geben, und das Komische für die Nebenrollen aufzubehalten. Die Zwischenfälle entstehen blos um neue Thränen vergiessen zu lassen, und man geht endlich aus dem komischen Schauspiele mit einem von Schmerz eben so beklemmten Herze, als ob man die Medea oder den Thyest hätte aufführen sehen.

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Bey den Ulten also können die Urheber der neuen Gattung ihre klägliche Weise nicht gelernt haben; und ihr Sieg würde nicht lange ungewiß bleiben, wenn er von ihren Beyspielen abhinge, oder auch nur von den Beyspielen der französischen Dichter, welche bis zu Anfan= ge dieses Jahrhunderts auf unserm Theater ge= glänzt haben. Der Zusammenfluß so vieler wichtigen Erempel könnte ohne Zweifel eine fie

gen

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gende Ueberzeugung verursachen; gleichwohl aber will ich diesem Vortheile auf einen Augenblick entsagen, und untersuchen, ob diese neue mit komischen und kläglichen Zügen vermischten Accente genau aus der Natur hergehohlet sind. Ich räume es ein, daß der widrige Gebrauch, dem man zwanzig Jahrhunderte hindurch gefolgt ist, die Vernunft nicht aus ihrem Rechte verdringen kann, und daß ein von ihm geheilige ter Irrthum, deswegen nicht aufhöre ein Jrr thum zu seyn. Ich gebe meinen Gegnern folg lich alle mögliche Bequemlichkeit, und sie können, ohne ungerecht zu seyn, mehr Höflichkeit und Uneigennüßigkeit von mir nicht fordern.

Nach den verschiednen Rührungen des Her zens entweder lachen oder weinen, sind, ohne Zweifel, natürliche Empfindungen: allein in eben demselben Augenblicke lachen und weinen, und jenes in der einen Scene fortsehen, wenn man in der andern dieses thun soll, das ist ganz und gar nicht nach der Natur. Dieser schleinige Uebergang von der Freude zur Betrübniß, und von der Betrübniß zur Freude, sehet die Seele in Zwang und verursacht ihr unangenehme und gewaltsame Bewegungen.

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Damit

Es ist nicht der Körper, welcher in dem Schauspies le lacht oder weinet; es ist die Seele, die von den Eindrücken, die man auf sie macht, gerühret wird. Wann sie, durch das Pathetische bewegt, und Durch das Komische erfreut wird, so ist sie zu glei cher

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