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Damit man diese Wahrheit in aller seiner Stärke empfinde, so wird man mir erlauben, ein verhaßtes Erempel anzuführen: denn wenn man nicht überreden kann, so muß man zu überzeugen suchen. In dem ungeheuren Lustspiele Samson, reißt dieser von einem muthigen Eis fer erfüllte Held, nachdem er das höchste Wesen angerufen, die Thore des Gefängnisses ein, und trågt sie auf seinen Schultern fort. Den Augenblick darauf erscheint Harlequin und bringt einen Kalekutschhahn, und schüttet sich in komischen Possen aus, die eben so kriechend sind, als die Empfindungen des Helden edel und großmůthig zu seyn geschienen hatte. Ich bitte, was kann man wohl zu einer Abstechung sagen, die auf einmal zwey so widrige Stellungen zeiget, und zwey so widersprechende Bewegungen verursachet? Kann man noch zweifeln, daß Vernunft und Anständigkeit ihr gleich sehr zuwider find? Kann man verhindern, daß nicht eine Art von Verdruß gegen den Zusammenlauf nichtswürdiger Zuschauer, welche solche widerwärtige Ungereimtheiten bewundern können, in uns entstehen sollte?

Ueber

cher Zeit ein Raub zweyer gegenseitigen Beweguns gen Wie erstaunlich ist es fur den menschlichen Geist, so schleinig und ohne Vorbereitung, von dem Tragischen auf das Komische über zu gehen, und von einer zårtlichen Erkennung, auf die Schäcereyen eines Mädchens und eines Petitmaiters 2C. Principes, eben daselbst.

Ueber eine so närrische Vermischung läßt man ohne Zweifel die Verdammung ergehen: allein es giebt eine minder merkliche, welche eine edlere Wendung hat, und diese ist es, der man wohl will, und zu deren Vertheidigung man bis zu den ́ersten Grundsäßen zurück geht.

Derjenige, sagt man, der das Schauspiel einer Komödie zuerst aufführte, konnte nach keinem Muster arbeiten; er machte sich einen Plan nach seiner Einsicht, und das neue Werk bekam folglich seine Natur und feine Eigenschaften aus dem Innersten seiner Begriffe. Die, welche nachfolgten, glaubten eben so wohl ein Recht zum Erfinden zu haben; unter ihren Hånden bekam die Komödie eine neue Form, welche gleichfalls der Veränderung unterworfen war. Diese Veränderungen wurden nicht als Neuerungen ausgeschrien ; man hatte es sich noch nicht in Sinn kommen lassen, daß es nicht erlaubt sey, Aenderungen zu machen, und die Hirngeburth eines Verfassers anders zu bearbeiten, deren Natur ziemlich willkührlich seyn muß. Denn fur;, sest man hinzu, das Wesen der Komödie, es mag nun bestehen worinne es will, kann doch nimmermehr so unwandelbar festgeseßt seyn, als es das Wesen der geometrischen Wahrheiten ist; und hieraus schließt man endlich, daß es unsern Neuern erlaubt seyn müsse, die alte Einrichtung des komischen Gedichts zu åndern. Das Beyspiel ihrer Vorgänger mun

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tert

tert sie dazu auf, und die Natur der Sache erlaubt es.

So übertåubend als dieser Einwurf zu seyn scheinet, so braucht es, ihn übern Haufen zu stossen, doch weiter nichts, als daß man die Grund fake desselben zugiebt, und die daraus gemachte Folgerung leugnet. Es ist wahr, daß alle Geburthen des Genies, so zu reden, ihr Tappen haben, bis sie zu ihrer Vollkommenheit gelangt find; allein, es ist auch eben so gewiß, daß ver. schiedne von denselben, sie schon erreicht haben, als das epische Gedichte, die Ode, die Beredsamheit und die Historie. Homer, Pindarus, Demosthenes und Thucydides sind die Lehrmeister des Virgils, des Horaz, des Cicero und des Livius gewesen. Das vereinigte Ansehen dieser grossen Männer ist zum Geseße geworden; und dieses Gesez haben hernach alle Natio7 nen angenommen, und die Vollkommenheit einzig und allein an die genaue Nachahmung die- « ser alten Muster gebunden. Wenn es also nun wahr ist, daß das Wesen dieser verschiednen Werke so unveränderlich festgestellet ist, als es nur immer durch die aller verehrungswürdigsten Beyspiele festgestellet werden kann; aus was für einer besondern Ursache sollte es denn nur vergönnet seyn, das Wesen der Komödie zu ändern, welches durch die allgemeine Billigung nicht minder geheiliget ist.

Und

Und man glaube nur nicht, daß diese durch, gångige Uebereinstimmung schwer zu beweisen fey. Man nehme den Aristophanes, Plavtus und Terenz; man durchlaufe das englische Theater und die guten Stücke des Italiänischen; man besinne sich hernach auf den Moliere und Regnard und verbinde diese thatlichen Beweise mit den Entscheidungen der dramatischen Gefeggeber, des Aristoteles, des Horaz, des Def preaur, des P. Rapins, so wird man die einen sowohl, als die andern, dem System des kläglich Komischen gänzlich zuwider finden. Zwar wird man die nothwendigen Verschiedenheiten zwischen den Sitten und dem Genie der Dichter eines jeden Volks bemerken; zwar wird man, nach Beschaffenheit der Gegenstände, in den Stücken, welche die Laster des Herzens angrei fen, einen nothwendig ernsthaften Ton antreffen, so wie man in denen, welche mit den Ungereimtheiten des Verstandes zu thun haben, eine Vermischung des Scherzes und des Ernstes, und in denen, welche nur das Lächerliche schildern sollen, nichts als komische Züge und Wendungen finden wird; zwar wird man sehen, daß die Kunst eben nicht verbunden ist, uns zum Lachen zu bewegen, und daß sie sich oft begnügt, uns weiter nicht als auf diejenige innere Empfindung, welche die Seele erweitert, zu bringen, ohne uns zu den unmäßigen Bewegungen zu treiben, welche laut ausbrechen: B 4

aber

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aber jenen traurigen und kläglichen Ton, jenes romanenhafte Gewinsle, welches vor unsern Augen der Abgott des Frauenzimmers und der jungen Leute geworden ist, wird man ganz und gar nicht gewahr werden. Mit einem Worte, diese Untersuchung wird uns überzeugen, daß es wider die Natur der komischen Gattung ist, uns unsre Fehler be weinen zu lassen, es mögen auch noch so håßliche Laster geschildert werden; daß Thalia, so zu reden, auf ihrer Maske keine andre Thränen, als Thränen der Freude und der Liebe duldet; und daß diejenigen, welche sie quasi-tragische Thränen wollen vergiessen lassen, sich nur eine andre Gottheit für ihre Opfer su chen können.

Der Einwurf also, den man aus der willkührlichen Natur der Komödie hergenommen, scheint mir hinlänglich widerlegt zu seyn; weil alles, was die vornehmste Wirkung, die ein Werk hervorbringen foll, vernichtet, ein wesent licher Fehler ist. Wollte man gleichwohl noch darauf dringen, daß die Komödie natürlicher Weise mehr, als irgend eine andre Geburth des Genies, dem Geschmacke des Jahrhunderts, in welchem man schreibt, unterworfen sen, und daß 'man diesem Geschmacke also folgen müssen, wenn man darinne glücklich seyn wolle; so nehme ich diese Marimen ganz gerne an: allein was kann daraus zur Ehre des weinerlich Komischen flies

fen?

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