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Nach diesen zwey Puncten ist das ganze Werk geordnet. In dem ersten Theile nehmlich wird von den vorzüglichsten Eigenschaften gere det, welche die Schauspieler von der Natur músfen bekommen haben. In dem zweyten Theile wird von dem gehandelt, was sie von der Kunst erborgen müssen.

Der erste Theil sondert sich wiederum in zwey Bücher ab. Das erste Buch macht verschiedne Anmerkungen über die natürlichen Gaben, welche allen Schauspielern überhaupt unentbehrlich sind. Das zweyte Buch betrachtet diejenigen natürlichen Gaben, welche zu dieser oder jener Rolle insbesondere erfordert werden.

Wir wollen das erste Buch näher zu be trachten anfangen. Es besteht aus vier Haupts stücken und zwen angehängten Betrachtungen. Gleich das erste Hauptstück untersucht, ob es wahr sey, daß es vortreflichen Schaus spielern an Wige gefehlt habe: Man glaubt zwar fast durchgängig, daß man sich auch ohne Wig auf der Bühne Ruhm erwerben könne; allein manirrt gewaltig. Kann ein Schau spieler wohl in seiner Kunst vortreflich seyn, wenn er nicht, in allen verschiednen Stellungen mit einem geschwinden und sichern Blicke dasjenige, was ihm zu thun zukömmt, zu erkennen vermag? Eine feine Empfindung dessen, was sich schickt,

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muß ihn überall leiten. ,,Doch nicht genug, „daß er alle Schönheiten seiner Rolle faßt. Er ,,muß die wahre Art, mit welcher jede von dies ,,fen Schönheiten auszudrücken ist, unterscheiden. ,,Nicht genug, daß er sich bloß in Affect setzen ,,kann; man verlangt auch, daß er es niemals „als zur rechten Zeit, und gleich in demjenigen ,,Grade thue, welchen die Umstände erfordern. ,,Nicht genug, daß sich seine Figur für das Theater schickt, daß sein Gesicht des Ausdrucks ,,fähig ist; wir sind unzufrieden, wenn sein Aus ,,druck nicht beständig und genau mit den Be,,wegungen zusammen trift, die er uns zeigen ,,foll. Er muß nicht bloß von der Stärke und Feinheit seiner Reden nichts lassen verlohren ge,,hen; er muß ihnen auch noch alle die Annehm„lichkeiten leihen, die ihnen Aussprache und ,,Uction geben können. Es ist nicht hinreichend, ,,daß er bloß seinen Verfasser treulich folgt; er ,,muß ihm nachhelfen; er muß ihn unterstüßen. ,,Er muß selbst Verfasser werden; er muß nicht bloß alle Feinheiten seiner Rolle ausdrücken; „er muß auch neue hinzuthun; er muß nicht bloß ,,ausführen, er muß selbst schaffen. Ein Blick, ,,eine Bewegung ist zuweilen in der Komödie ,,ein sinnreicher Einfall, und in der Tragödie ,,eine Empfindung. Eine Wendung der Stim,,me, ein Stillschweigen, die man mit Kunst ,,angebracht, haben zuweilen das Glück eines „Verses gemacht, der nimmermehr die Aufmerk« D ,,sam.

,,samkeit würde an sich gezogen haben, wenn ihn ,,ein mittelmäßiger Schauspieler, oder eine ge ,,meine Schauspielerin ausgesprochen hätte. - Der Wiß ist ihnen also eben so unumgänglich nöthig, als der Steuermann dem Schiffe. Eine lange Erfahrung auf der Bühne kann zwar dann und wann den Mangel desselben verbergen, und ein Schauspieler ohne Wig kan andre Gaben in einem hohen Grade haben, und sie oft zufälliger Weife so glücklich anwenden, daß wir ihm Beyfall geben müssen. Doch es währt nicht lange, so erinnert uns wieder ein Mißverstand in dem Tone, in der Bewegung, in dem Ausdrucke des Gesichts, daß wir seiner Organisation, und nicht ihm den Beyfall schuldig sind. Sonst hat man noch bemerkt, daß man die tragischen Schauspieler weit öftrer, als die komischen des Mangels am Wige beschuldiget hat. Dieser Unterschied kömmt ohne Zweifel daher, weil das Feine in dem Spiele der leßtern von den gemeinen Zuschauern leichter kann erkannt werden, als das Feine in dem tragischen Spiele. Der Wih in der Tragödie muß sich größten Theils, sowohl bey dem Verfasser als bey dem Acteur, unter der Gestalt der Empfindung zeigen, und man hat Mühe ihn unter dieser Verkleidung zu erkennen. Und überhaupt geht man nicht sowohl in die Tragödie seinen Wig, als sein Herz zu brauchen. Man überläßt sich den Be wegungen, die der Schauspieler erweckt, ohne

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ist.

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zu überlegen, durch welchen Weg er dazu gelangt Man muß aber nur hier merken, von was für einem Wiße die Rede ist. dem leichten Wiße, welcher nur zur Prahlerey dienet, und uns nur in Kleinigkeiten und unnůHen Dingen ein Ansehen giebt, kann es ganz wohl grossen Schauspielern gemangelt haben: - aber niemals an dem gründlichen Wige, welcher uns das verborgenste an einem Dinge entdeckt, und es uns anzuwenden lehret Von dem Wise kommt der Verfasser im zweyten Hauptstücke auf die Empfindung. Er unters fucht, was die Empfindung sey, und ob sie bey dem tragischen Schauspieler wichtiger fey, als bey dem komischen. Unter der Empfindung wird hier nicht bloß die Gabe zu weinen verstanden, sondern dieses Wort hat einen grössern Umfang, und bedeutet bey den Schauspielern die Leichtigkeit in ihren Seelen die verschiedenen Leidenschaften, deren ein Mensch fähig ist, auf einander folgen zu lassen. Aus dieser Erklärung ist das übrige zu entscheiden. In den Bezirk des Trauerspiels gehören nur sehr wenig Leidenschaften, Liebe, Haß, Ehrgeiß, welche noch dazu in dem Schrecklichen und Traurigen alle mit einander übereinkommen. Die Komödie hingegen schließt keine einzige Leidenschaft aus; und diese alle muß der Schauspieler annehmen und von einer auf die andre überspringen können.

Well aber die Leidenschaften in

ber

der Komödie nicht so gewaltsam sind, als in der Tragödie: so muß der komische Schauspieler zwar die Empfindung in einem größern um fange, der tragische aber in einem männlicheru Grade besigen. Mit der Empfindung hat das Feuer einige Verwandtschaft, und von diesem untersucht der Verfasser im dritten Hauptstücke, ob ein Schauspieler dessen zu viel haben könne? Das Feuer besteht nicht in der Heftigkeit der Declamation, oder in der Gewaltsamkeit der Bewegungen, sondern es ist nichts anders als die Geschwindigkeit und Leb. haftigkeit, mit welcher alle Theile, die einen Schauspieler ausmachen, zusammen treffen, um feiner Action das Ansehen der Wahrheit zu geben. In diesem Verstande nun ist es unmöglich, daß eine spielende Person allzuviel Feuer haben kön ne. „Man wird sie zwar mit Recht tadeln, ,,wenn ihre Action mit ihrem Charakter, oder ,,mit der Stellung, in welcher sie sich ́befindet, „nicht überein kömmt, und wenn sie, anstatt „Feuer zu zeigen, nichts als convulsivische Ver ,,zückungen sehen, und nichts als ein überlästiges ,,Geschrey hören läßt. Allein alsdenn werden ,,Leute von Geschmack ihr nicht allzuviel Feuer „Schuld geben, sondern sie werden sich vielmehr „beklagen, daß sie nicht Feuer genug hat; so ,,wie sie, anstatt mit dem Publico bey gewissen Schriftstellern allzuviel Wiß zu finden, vielmehr ,,finden, daß es ihnen daran fehlt. Ein Schrift

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