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,,betrachten, so hätte ich einen Unterscheid dabey ,,machen können. Dieser Unterschied kann hier ,,seine Stelle finden, und er wird uns eine von den Quellen desjenigen Vergnügens, dessen ,,Ursprung wir suchen, entdecken. Der Anblick ,,eines fremden Elends ist für uns schmerzlich, ,,wenn es nehmlich ein solches Elend ist, dem ,,wir gleichfalls ausgeseht sind. Er wird aber ,,ju eine Tröftung, wenn wir das Elend nicht zu fürchten haben, dessen Abschilderung er uns ,,vorlegt. Wir bekommen eine Art von Erleich,,terung, wenn wir sehen, daß man in demjeni ,,gen Stande, welchen wir beneiden, oft grau,,samen Martern ausgeseßt sen, für die uns un,,fre Mittelmäßigkeit in Sicherheit stellet Wir ,,ertragen alsdenn unser Uebel nicht nur mit we

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niger Ungeduld, sondern wir wünschen uns „auch Glück, daß wir nicht so elend sind, als ,,wir uns zu feyn eingebildet haben. Doch da,,her, daß uns fremde Unglücksfälle, welche grös,,fer als die unsrigen sind, unfrer geringen Glücks„umstånde wegen trösten, würde noch nicht fol,,gen, daß wir in der Betrübniß über diese Unglücksfälle ein Vergnügen finden müßten, wenn unfre Eigenliebe, indem sie ihnen diesen Tribut ,,bezahlt, nicht dabey ihre Rechnung fände. Denn die Helden, welche durch ihr Unglück „berühmt sind, 'find es zugleich auch durch aufferordentliche Eigenschaften. Je mehr uns ,,ihr Schicksal rührt, desto deutlicher zeigen wir,

dag

„daß wir den Werth ihrer Tugenden kennen, ,,und der Ruhm, daß wir die Größe gehörig zu „schäßen wissen, schmeichelt unserm Stolze ,,Ubrigens ist die Empfindlichkeit, wenn sie von ,,der Unterscheidungskraft geleitet wird, schon ,,selbst eine Tugend. Man seßt sich in die Klas,,fe edler Seelen, indem man durchlauchten Uni,,glücklichen das schuldige Mitleiden nicht ver,,faget. Auf der Bühne besonders låßt man „sich um so viel leichter für vornehme Personent ,,erweichen, weil man weis, daß diese Empfin,,dung durch die allzulange Dauer uns nicht ,,überlästig fallen, sondern eine glückliche Ver,,ånderung gar bald ihrem Unglücke, und unfrer ,,Betrübniß ein Ende machen werde. Werden „wir aber in dieser Erwartung betrogen, und wer,,den diese Helden zu Opfern eines ungerechten „und barbarischen Schicksals; so werfen wir ,,uns alsdann zwischen ihnen und ihren Feinden ,,zu Richtern auf. Es scheint uns sogar, wenn ,,wir die Wahl hätten, entweder wie die einen ,,umzukommen, oder wie die andern zu trium,,phiren, daß wir nicht einen Augenblick in Zwei

fel stehen würden, und dieses macht uns in un„sern Augen desto größer. Vielleicht würde die Un„tersuchung, welche von diesen Ursachen den meistenEinfluß in das Vergnügen habe,mit dem wir ,,in einem Trauerfpiele weinen, ganz und gar vergebens feyn. Vielleicht wird jede von den ,,selben nach Beschaffenheit derjenigen Seele

auf

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,,die geringste

,,auf welche sie wirken, bald die vornehmste, bald Wir kommen von dieser Ausschweifung wieder auf den geraden Weg. Das vierte Hauptstück beweiset, daß nur diejenigen Personen allein, welche ge bohren sind zu lieben, das Vorrecht haben sollten, verliebte Rollen zu spies len. Eine gewisse Sängerin, erzehlt der Verfasser, stellte in einer neuen Oper eine Prin ,,jeßin vor, die gegen ihren Ungetreuen in einem ,,heftigen Feuer ist; allein sie brachte diejenige ,,Zärtlichkeit, welche ihre Rolle erforderte, gar ,,nicht hinein. Eine von ihren Gesellschafterin „nen, die der Ursachen ungeachtet, warum zwey ,,Personen von einerley Profeßion und von ei,,nerley Geschlecht einander nicht zu lieben pflegen, ihre Freundin war, håtte gar zu gerne gewollt, daß fie diese Rolle mit Beyfall »spielen möchte. Sie gab ihr daher verschiedene Lehren, aber diese Lehren blieben ohne Wir ,,kung. Endlich sagte die Lehrerin einmal zu ihrer Schülerin: Ist denn das, was ich von ihnen verlange, so schwer Ses „gen sie sich doch an die Stelle der veri rathenen Geliebt:! Wenn sie von ei nem Menschen, den sie zärtlich liebs „ten, verlassen würden, würden sie ,,nicht von einem lebhaften Schmerze durchdrungen seyn: Würden sie nicht Ich antwortete die Ac

„suchen

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„trice,

„trice, an die dieses gerichtet war; ich würde sauf das schleunigste, einen andern Lieb„haber zu bekommen suchen. Ja, wenn „das ist, antwortete ihre Freundin, so ist ih „re und meine Mühe vergebens. Ich „werde sie ihre Rolle nimmermehr ge hörig spielen lehren. Diese Folge war fehr richtig; denn eine wahre Zärtlichkeit auszudrücken, dazu ist alle Kunst nicht hinlänglich. Man mag sich auch noch so sehr bestreben, das unschuldige und rührenden Wesen derselben zu erreichen; es wird doch noch immer von der Na tur eben so weit unterschieden seyn, als es die frostigen Liebkosungen einer Buhlerinn, von den affektvollen Blicken einer aufrichtigen Liebhaberin sind. Man stellt alle übrige Leidenschaften unvollkommen vor, wenn man sich ihren Bewegungen nicht überläßt, aber wenigstens stellt man fie doch unvollkommen vor. Man ahmet mit kaltem Blute den Ton eines Zornigen schlecht nach, allein man kann doch wenigstens einige von den andern åufferlichen Zeichen, durch welche er sich an den Tag legt, entlehnen; und wenn man in verschiedenen Rollen schon nicht die Ohren betriegt, so betriegt man doch wenigstens die Augen. In den zärtlichen Rollen aber kann man eben so wenig die Augen, als die Ohren betriegen, wenn man nicht von der Natur eine zur Liebe gemachte Seele bekommen hat. Will »man, fährt der Verfasser fort, die Ursache wis

,,fen,

fen, warum man zwar die Larve der andern Lei,,benschaften borgen, die Entzückungen der Zårt lichkeit aber nur auf eine sehr ungetreue Art nachbilden kann, wenn man nicht selbst liebt, oder »wohl gar zu lieben nicht fähig ist,so will ich es was gen eine Vermuthung hierüber vorzutragen. „Die übrigen Leidenschaften mahlen sich blos das durch auf dem Gesichte, daß sie in den Zügen eine gewisse Art von Veränderung verursachen; die Zärtlichkeit hingegen hat, so wie die Freu ,,de, das Vorrecht, der Gesichtsbildung neue „Schönheiten zu geben und ihre Fehler zu verbesfern. Daher also, daß man uns von gewissen „Leidenschaften ein unvollkommenes Bild vorstels ,,len kann, ohne von ihnen selbst beherrscht zu ,,werden, folgt noch nicht, daß man auch die sanfte Drunkenheit der Liebe auch nur unvoll „kommen nachahmen könne, ohne sie selbst zu ,,fühlen. Aus allem diesen zicht der Verfasser in dem fünften Hauptstücke die Folgerung, daß man sich nicht mehr mit diesen Rollen abgeben müsse, wenn man nicht mehr in dem glücklichen Alter zu lieben sey. Die Wahrheit dieser Folgerung fällt zu deutlich in die Augen, als daß es nöthig war, seine Gründe anzuführen, die ohnedem auf das vorige hinaus Lauffen. Wir kommen vielmehr sogleich auf den zweyten Abschnitt dieses zweyten Buchs, worinn, wie schon gesagt, die äusserlithen Gaben abgehandelt werden, welche zu gewiss P 2

fen

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