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werden würde, wenn er beständig natürlich spielen wollte. Der komische Schauspieler, darf nicht nur, sondern muß auch dann und wann feine Rolle übertreiben. Allein man merke wohl, daß unter diesem Uebertreiben nicht die Heftigkeit der Declamation eines tragischen Acteurs begriffen ist, und daß man sie nur dent komischen Acteur erlaubet, um etwas lächerliches desto stärker in die Augen fallen zu lassen. Doch auch hier müssen gewife Bedingungen und Umstånde beobachtet werden. Der Schauspieler muß noch immer bey seinem Uebertreiben eine. Art von Regeln beobachten; er kann wohl weiter gehen, als die Natur geht, aber keine Ungeheuer nicht vorstellen. So er

muß er uns deswegen einem Mahler, daß

man zum Erempel wohl

er, in der Hiße einer lustigen Raferey, eine Figur mit einer außerordentlich langen Nase mache'; aber diese Nase muß doch sonst mit den andern Nafen übereinkommen, und muß sich an der Stelle befinden, welche ihr die Natur angewie sen hat. Gleichfalls muß der Schauspieler, wenn er übertreiben will, zuerst eine Art von Vorbereitung anwenden, und es nicht eher wagen, als bis er den Zuschauern in eine Art von freudiger Trunkenheit verseht hat, welche ihn nicht so strenge zu urtheilen erlaubt, als wenn er bey faltem Blute wäre. Außer diesen zwey Bedingungen muß das Uebertreiben auch nicht allzuhäufig und auch nicht am faischen Orte ange

bracht

bracht werden. Um falschen Orte würde es zum Erempel angebracht seyn, wenn es diejeni gen Acteurs brauchen wollten, die das, was man in der Welt rechtschafne ehrliche Leute nennt, vorzustellen haben, und uns für sich einnehmen follen. Ein deutliches Erempel übrigens daß

Uebertreiben durchaus nothwendig seyn könne, kömmt in den Betriegereyen des Scar pins, (Aufz. 1. Auft. 3.) vor, wo Scapin den Argante nachmacht, um den Octavio die Ge genwart eines aufgebrachten Vaters aushalten zu lehren. Der Acteur kann hier übertreiben so viel als er will, weil die Wahrscheinlichkeit dadurch mehr aufgeholfen, als verleßet wird. Es würde nehmlich weniger wahrscheinlich seyn, daß Octav ganz betäubt wird, und nicht weis, was er fagen foll, wenn nicht die außerordent liche Heftigkeit des Scapins und die Gewalt famkeit seines Betragens, diesen jungen Liebhaber so täuschte, daß er wirklich den fürchterlichen Argante in dem Scapin zu sehen glaubte.

Alles was unser Verfasser bisher angeführt hat, thut, wenn es von dem Schauspieler beobachtet wird, nur denjenigen Zuschauern Genige, welche das Gute, was sie sehen, empfiit den, und damit zufrieden sind, nicht aber denen, welche zugleich untersuchen, ob das Gute nicht noch besser håtte seyn können. Für diese hat der Schauspieler gewisse Feinheiten von Nothen,

die der Verfaffer in den folgenden drey Hauptstücken erklärt. In dem zwölften Hauptstücke handelt er von diesen Feinheiten übers haupt. Eine von den größten bestehet dar= inne, daß er dem Verfasser nachhilft, wo er etwa durch Unterdrückung eines Worts, oder durch sonst eine kleine Unrichtigkeit, die er vielleicht dus Nothwendigkeit des Reims begangen hat, einen schönen Gedanken nicht deutlich genug ausgedrückt hat. „Wenn zum Erempel Sever ,,nach dem Tode des Polieuct (Aufz. 5. leg„ter Auftritt) zu dem Felir und zu der Pau,,lina sagt:

Servez bien votre Dieu, fervez votre
Monarque,

,,so bekümmert er sich wenig darum, daß sie bey
,,ihrer Religion bleiben, allein die Treue gegen
den Kayser betrachtet er, als eine Schuldig-
teit, deren sie sich auf keine Weise entbrechen kön-
,,nen. Daher sprach auch Baron, welcher
,,dasjenige, was die Verfasser nicht sagten, aber
,,doch gerne sagen wollten, ungemein glücklich
zu errathen wußte, die lehtern Worte: dienet
eurem Monarchen auf eine ganz andre
,,Art aus,
aus, als die erstern dienet nur eurem
"GOtt. Er ging über die erste Helfte ganz
leicht weg, und legte allen Nachdruck auf die
,,andere. In der ersten nahm er den Ton eines
,,Mannes an, welcher von den Tugenden der
Christen zwar gerührt, aber von der Wahrheit

,,ihrer

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,,ihrer Religion noch nicht überzeugt ist, und also ,,ganz wohl zugeben konnte, daß man ihr anhing, ,,aber es gar nicht für nöthig hielt, sie selbst zu ,,ergreifen. In der andern aber gab er durch eine sehr feine Bewegung und durch eine sehr ,,künstliche Veränderung der Stimme zu verstehen, daß ihm der Dienst des Kaysers ein ,,weit wichtigerer Punct zu seyn scheine, als die ,,genaueste Beobachtung des Christenthums.

Eine andre Art von den Feinheiten des Schauspielers kommt auf die Verbergung der Fehler eines Stücks an. läßt, zum Erempel, der Verfasser, eine Person, mit der er in Unterredung ist, allzulange sprechen, so macht er es nicht, wie es wohl oft gewisse Schauspielerinnen machen, und läßt seine Augen unterdessen unter den Zuschauern herumschweifen, sondern er bemüht sich, durch ein stummes Spiel auch alsdenn zu sprechen, wenn ihm der Dichter das Stillschweigen auflegt.

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In dem dreyzehnten Hauptstücke nimt der Verfasser, um die Feinheiten des Schauspielers nåher zu betrachten, diejenigen vor, welche dem Tragischen insbesondere zuge hören. Man glaubt mit Recht, daß die „Tragödie grosse Bewegungen in uns erregen ,,müsse. Wenn man aber daraus schließt, daß sich folglich der Schauspieler diesen Bewegun gen nicht ununterbrochen genug überlassen kön ,,ne, so betriegt man sich. Oft ist es sehr gut,

,,wenn

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,,wenn er in denjenigen Augenblicken, in wel,,chen gemeine Seelen denken, daß er sich in ,,der allergewaltsamsten Bewegung zeigen wer,,de, ganz vollkommen ruhig zu seyn scheinet. In dieser Abstechung liegt der größte und vornehmste Theil der Feinheiten, welche in den ,,tragischen Spiele anzubringen sind. Ein Paar Erempel werden dieses deutlicher machen. „Die ,,ausnehmende Gunst, womit Augustus den ,,Cinna beehrte, hatte den lehtern doch nicht ,,abhalten können, sich in eine Verschwörung. ,,wider seinen Wohlthäter einzulassen. Das ,,Vorhaben des Cinna wird entdeckt. Augustus ,,läßt ihn vor sich fordern, um ihm zu entdecken, ,,daß er alle seine Untreue wisse. Wer steht nicht ,,sogleich ein, daß dieser Kayfer um so vielmehr „Ehrfurcht erwecken muß, je weniger er feinen ,,Unwillen auslassen wird? Und je mehr er Ur,,fache hat über die Undankbarkeit eines Verrå,,there erbittert zu seyn, den er mit Wohlthaten ,,überschüttet hat, und der ihm gleichwohl nach ,,Thron und Leben steht, desto mehr wird man ,,erstaunen, die Majestät eines Regenten, wel,,cher richtet, und nicht den Zorn eines sich rå,,chenden Feindes in ihm zu bemerken.

,,Eben so deutlich fällt es in die Augen, daß je ,,weniger man über die Grösse seiner entworfnen ,,Unternehmungen erstaunt scheint, desto grösser ,,der Begrif ist, den man bey andern von seinen ,,Vermögen, sie auszuführen, erweckt. Mithri

„dat

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