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feit angenommen?

Noch muß ich dieses nur bloß nach den eignen Begriffen meines. Gegners untersuchen. Er giebt zur Ursache der Unwahrscheinlichkeit eines solchen Juden die Verachtung und Unterdrückung, in welcher dieses Volk feufzet, und die Nothwendigkeit an, in welcher es sich befindet, blos und allein von der Handlung zu leben. Es sey; folgt aber also nicht nothwendig, daß die Unwahrscheinlichkeit wegfalle, fo bald diese Umstände sie zu verursachen aufhören? Wenn hören sie aber auf, die ses zu thun? Ohne Zweifel alsdann, wenn sie von andern Umständen vernichtet werden, das ist, wenn sich ein Jude im Stande befindet, die Verachtung und Unterdrückung der Christen weniger zu fühlen, und sich nicht gezwungen sieht, durch die Vortheile eines kleinen nichtswürdigen Handels ein elendes Leben zu unterhalten. Was aber wird mehr hierzu erfordert, als Reichthum? Doch ja, auch die richtige Anwendung dieses Reichthums wird dazu erfordert. Man sehe nunmehr, ob ich nicht beydes bey dem Charakter meines Juden angebracht habe. Er. ist reich; er sagt es selbst von sich, daß ihm der GOtt seiner Våter mehr gegeben habe, als er brauche; ich lasse ihn auf Reisen seyn; ja, ich se he ihn so gar aus derjenigen Unwissenheit, in welcher man ihn vermuthen könnte; er lieset, und ist auch nicht einmal auf der Reise ohne Bücher. Man sage mir, ist es also nun noch

wahr,

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wahr, daß sich mein Jude hätte selbst bilden müssen? Besteht man aber darauf, daß Reichthum, bessere Erfahrung, und ein aufgeklärterer Verstand nur bey einem Juden keine Wirkung haben könnten: so muß ich sagen, daß dieses eben das Vorurtheil ist, welches ich durch mein Lustspiel zu schwächen gesucht habe; ein Vorurtheil, das nur aus Stolz oder Haß fliesfen kann, und die Juden nicht blos zu rohen Menschen macht, sondern sie in der That weit unter die Menschheit seht. Ist dieses Vorurtheil nun bey meinen Glaubensgenossen unüberwindlich, so darf ich mir nicht schmeicheln, daß man mein Stück jemals mit Vergnügen sehen werde. Will ich sie denn aber bereden, einen jeden Juden für rechtschaffen und großmüthig zu halten, oder auch nur die meisten dafür gelten zu lassen? Ich sage es gerade heraus; noch als denn, wenn mein Reisender ein Christ wåre, würde sein Charakter sehr selten seyn, und wenn `das Seltene blos das Unwahrscheinliche ausmacht, auch sehr unwahrscheinlich.

Ich bin schon allmålich auf den ersten Punkt gekommen. Ist denn ein Jude, wie ich ihn angenommen habe, vor sich selbst unwahrscheinlich? Und warum ist er es? Man wird sich wieder auf die obigen Ursachen berufen. Al= lein, können denn diese nicht wirklich im gemeinen Leben eben so wohl wegfallen, als sie in meinem Spiele wegfallen? Freylich muß man, die

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fes zu glauben, die Juden näher kennen, als aus dem lüderlichen Gesindel, welches auf den Jahrmärkten herumschweift. Doch ich

will lieber hier einen andern reden lassen, dem dieser Umstand nåher an das Herz gehen muß; einen aus dieser Nation selbst. Ich kenne ihn zu wohl, als daß ich ihm hier das Zeugniß eines eben so wißigen, als gelehrten und rechtschafnen Mannes versagen könnte. Folgenden Brief hat er bey Gelegenheit der Göttingischen Erin nerung, an einen Freund in seinem Volke, der ihm an guten Eigenschaften völlig gleich ist, ges schrieben. Ich sehe es voraus, daß man es schwerlich glauben, sondern vielmehr diesen Brief für eine Erdichtung von mir halten wird; allein ich erbiethe mich, demjenigen, dem daran gelegen ist, unwidersprechlich von der Avthenticitât desselben zu überzeugen. Hier ist er.

Mein Herr,

»Ich überschicke Ihnen hier, das 70 Stück ,,der Göttingschen gelehrten Anzeigen. Lesen Sie ,,den Artickel von Berlin. Die Herren Anzei ,,ger recenfiren den 4ten Theil der Leßingschen ,,Schriften, die wir so oft mit Vergnügen gele ,,fen haben. Was glauben Sie wohl, daß sie „an dem Lustspiele, die Juden, aussehen? Den „Hauptcharakter, welcher, wie sie sich ausdrücken, „viel zu edel und viel zu großmüthig ist. Das Vergnügen, sagen sie, daß wir über die Schön

heit eines solchen Charakters empfinden, wird ,,durch dessen Unwahrscheinlichkeit unterbrochen, ,,und endlich bleibt in unfrer Seele nichts, als ,,der blosse Wunsch für sein Daseyn übrig. Diese Gedancken machten mich schamroth. „Ich bin nicht im Stande alles auszudrücken, „was sie mich haben empfinden lassen. Welche ,,Erniedrung für unsere bederngte Nation! Wel,,che übertriebene Verachtung! Das gemeine „Volck der Christen hat uns von je her als den „Auswurf der Natur, als Geschwüre der menschlichen Gesellschaft angesehen. Allein von ge„lehrten Leuten erwartete ich jederzeit eine billigere Beurtheilung; von diesen vermuthete ich ,,die uneingeschränckte Billigkeit, deren Mangel „uns insgemein vorgeworfen zu werden pflegt. ,,Wie sehr habe ich mich geirrt, als ich einem „jeden Christlichen Schriftsteller so viel Aufrich„tigkeit zutrauete, als er von andern fordert.

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In Wahrheit! mit welcher Stirne kann ein „Mensch, der noch ein Gefühl der Redlichkeit ,,in fich hat, einer ganzen Nation die Wahr,,scheinlichkeit absprechen, einen einzigen ehrlichen „Mann aufweisen zu können? Einer Nation, „aus welcher, wie sich der Verfasser der Juden „ausdrückt, alle Propheten und die grössesten ,,Könige aufstanden? Ist sein grausamer Rich,,terspruch gegründet? Welche Schande für das ,,menschliche Geschlecht! Ungegründet? Welche „Schande für ihn!

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„Ist es nicht genug, daß wir den bittersten ,,Haß der Christen auf so manche grausame ,,Art empfinden müssen; sollen auch diese Un-. ,,gerechtigkeiten wider uns durch Verleumdungen ,,gerechtfertiget werden?

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„Man fahre fort uns zu unterdrücken, man ,,lasse uns beständig mitten unter freyen und ,,glückseligen Bürgern eingeschränkt leben, ja „man seße uns ferner dem Spotte und der Ver,,achtung aller Welt aus; nur die Tugend, den einzigen Trost bedrengter Seelen, die einzige „Zuflucht der Verlassenen, suche man uns nicht „gänzlich abzusprechen.

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Jedoch man spreche sie uns ab, was ge winnen die Herren Recensenten dabey? Ihre „Kritik bleibet dennoch unverantwortlich. „Eigentlich soll der Charakter des reifen,,den Juden ich schäme mich, wann ich ,,ihn von dieser Seite betrachte) das wunder,,bare, das unerwartete in der Komödie feyn. »Soll nun der Charakter eines hochmüthigen „Bürgers der sich zum türkischen Fürsten ma„chen läßt, so unwahrscheinlich nicht sey, als eines Juden, der großmüthig ist? laßt einen Menschen, dem von der Verachtung der ju,,dischen Nation nichts bekannt ist, der Aufführung dieses Stückes beywohnen; er wird ge„wiß, während des ganzen Stückes für lange Weile gähnen, ob es gleich für uns sehr viele Schönheiten hat. Der Anfang wird ihn auf

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