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umgebende Gegenstände abzuwenden wisse. * Umsonst wird man uns zu überreden suchen, daß die neuen komischen Dichter eben darum desto mehr Lob verdienten, weil sie anstatt der lasterhaften Charaktere lauter Personen, die voller' Emfindungen der Ehre wären, eingeführet håtten; daß wir tugendhaften Marimen unser Herz von selbst aufschlössen, und sie mit Vergnügen uns einflössen liessen, wenn man nur ein wenig uns auf der rechten Seite zu fassen wüßte. Alle diese Gründe sind verfänglicher als wahr; blendender als gründlich. Lasset sie uns einmal aus ihren Wirkungen beurtheilen, denn diese sind fichrer, als alle Vernünfteley.

Was hat denn nun jene leichte und hochmithige Auskrahmung schöner und groffer Gefinnungen den Sitten genügt? Was für Wir= kungen hat denn jene glänzende Moral auf unfre Herzen und auf unsern Verstand gehabt? Eine unfruchtbare Bewunderung, eine Blendung auf wenige Augenblicke, eine überhingehende Bewegung, welche ganz unfähig ist, uns in ́uns selbst gehen zu lassen. So viele auf das allerfeinste vorbereitete Sittensprüche, so viel zierlich ausgefrahmte Vorschriften sind für die Zu schauer völlig in Wind gesagt. Man bewundert Melaniden, und betauert sie: allein ihr unaufhörlich kläglicher Ton, und die Erzehlung ihrer romanhaften Zufälle, machen auf uns

" Lettre fur Molanide.

teinen nüßlichen Eindruck, weil sie mit der Stellung, worinne wir uns befinden, ganz und gar feine Gemeinschaft haben. Das Schicksal der Aufseherin bewegt und rühret uns, allein ih re ganz besondern Umstände haben mit den unfrigen gar nichts gemein, (1) Wir treffen in uns selbst nichts an, was wir mit den Abens theuern in Vergleichung bringen können, die blos unter die möglichen Dinge gehören, und also gar nicht für uns gemacht zu seyn scheinen. Man wird, wenn man es ja gestehen muß, bey dem Anblicke so sinnreicher Gemåhlde, ergriffen, durchdrungen, bewegt; allein man fühlet für uns selbst, in diesem Zusammenflusse von Begebenheiten, mit welchen der ordentliche Lauf menschlicher Dinge uns gewiß verlschonen wird, weder Reue, noch Scham, noch Furcht.

Ganz anders ist es mit den Schilderungen bewandt, welche der Dichter von den Lastern und von dem lächerlichen macht; fie finden bey

uns

(1) Der Stoff einer Komödie muß aus den gewöhne lichen Begebenheiten genommen seyn; und ihre Personen müssen, von allen Seiten, mit dem Vol. ke, für das sie gemacht wird, eine Aehnlichkeit has ben. Sie hat nicht nöthig, diese ihre Personen auf ein Fußgestelle zu erhöhen, weil ihr vornehms fter Entzweck eben nicht ist, Bewundrung für sie zu erwecken, damit man sie desto leichter beklagen tonne; sie will aufs höchste, durch die verdrüßlis chen Zufälle, die ihnen begegnen, uns für sie ein wenig unruhig machen. Dubos kritische Be trachtungen Th. II. S. 225.

uns allen Statt, und auch der vollkommenste Mensch trägt sowohl in seinem Verstande, als in feinem Herzen beständig den Saamen gewisser Ungereimtheiten und gewisser Fehler, welche sich bey Gelegenheit entwickeln. Wir finden uns also in dem Gemählde solcher mit der Menschheit verbundenen Schwachheiten getroffen, und fehen darinne was wir sind, oder wenigstens feyn können. Dieses Bild, welches zu dem unsrigen wird, ist eines von den einnehmendsten. Gegenständen, und erleuchtet unfre Seelen mit gewissen Lichtstrahlen, die desto heilsamer sind, je fähiger ihre Ursache, die Furcht vor der Schande und dem Lächerlichen, zu seyn pflegt, uns zu heilsamen Entschliessungen zu bewegen. So ward der stelze und unversöhnliche Hauffe der Heuchler durch das Gemählde von den Lastern. des scheinheiligen Betriegers zu Boden geschlagen. Tausend Schuldige wurden in Hars. nisch gejagt, und beklagten sich mit so viel gröfferer Bitterkeit, je empfindlicher sie waren getroffen worden. Bey den Vorstellungen des George Dandins lassen auch die verhärtesten Ehemanner auf ihren Gesichtern die Bewegung spüren, die sie alsdenn empfinden, wenn ihre Umstånde mit den Umständen des Originals allzusehr übereinstimmen; diese Uebereinstimmungen sind nicht felten, ob sie schon durch den Mangel der Bildung oder des Genies, durch den Geschmack an Veränderungen und den Eigensinn, so viel

fältig

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fältig gemacht werden, als sie es durch die Verschiedenheit der Geburth find. Die ohne Unters laß wieder jung werdenden Schilderungen der Diafoiren haben vielleicht nicht wenig dazu beygetragen, daß die Aerzte ihren blinden Eigen finn für die alte Methode verlassen haben, ohne daß sie eben zu jenen kühnen Versuchen wären gereizt worden, von welchen man schalkhaft ge= nug vorgiebt, daß wir dann und wann derselben Opfer seyn müßten. Und wem ist endlich unbekannt, daß die muntern und beissenden Züge der gelehrten Weiber und der kostbar Lächerlichen, auf das plößlichste das schöne Geschlecht von diesen zwey Unsinnigkeiten abge= bracht haben?

Ich gebe zu, daß andre Charaktere, welche eben sowohl getroffen waren, keine so merk liche Wirkungen gehabt haben. Der einge bildete Rranke hat nicht alle Orgons von ihren Dünsten befreyet; es sind nicht alle Menschenfeinde gesellschaftlicher, noch alle Grafen von Tufiere bescheidner geworden. Allein was ist der Grund davon? Er ist dieser; weil die Fehler von dieser Art das rechtschafne Wesen nicht angreifen, und weil man so gar in der Welt Leute antrift, die sich eine Ehre daraus machen. Zärtliche Leibesbeschaffenheiten seßen gemeiniglich zärtliche Seelen voraus. Eine ftrenge und unwillige Gemüthsart ist fast immer mit viel Rechtschaffenheit verbunden; der Her

zog von Mantaufter hielt es nicht für seiner unwürdig, ein Menschenfeind zu seyn. Und ein gewisser Stolz endlich, entstehet nicht selten aus einer vernünftigen Empfindung seiner eignen über, sehenden Größe. Das Vorurtheil ringet bey folchen Gelegenheiten glücklich mit den Spotte reyen des Tadels, da es Gegentheils gegen die komische Schilderung eines lasters des Herzens, oder eine lächerlichkeit im gesellschaftlichen Leben, oder einer Ungereumtheit des Verstandes, gewiß nicht bestehen wird. Der Gegenstand der beschämenden Bemerckungen der Zuschauer, will man durchaus nicht seyn, es koste auch, was es wolle; und wenn man sich auch nicht wirklich befsert, so ist man doch gezwungen sich zu verstellen, damit man öffentlich weder für lächerlich noch für verächtlich gehalten werde.

Und so wåren wir denn endlich auf die lezte Ausflucht gebracht, welche über alle Beyspiele und Gründe sieget. Diese neue komische Gats tung, sagt man, gefällt; * das ist genug, und die Regeln thun daben nichts.

Man berufe sich nicht zur Bestätigung dieser zu allgemeinen und eben deswegen gefährlichen Maxime auf den Einfall Sr. Hoheit des Prinzen über die regelmäßige aber verdrüßliche Tragödie des Abts von Aubignac. Die Anwendung der: Regeln verursachte den Fall dieses Stücks gar. nicht; sondern die schlechte Colorite seines Pinfels

S. den Prolog des Lustspiels Liebe für Liebe.

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