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fels schlug es nieder. Doch weil ich mir vorges nommen habe meinen Gegnern nur solche Gründe entgegen zu sehen, von welchen ich selbst überzeugt bin, so will ich es ihnen vorläufig ein räumen, daß das kläglich Komische große Be wegungen und oft angenehme Empfindungen verursache. Allein, wenn ich auf einen Au genblick die ganze Frage dahinaus lauffen laffe, bey welcher Gattung das größere Vergnügen anzutreffen seyn, so behaupte ich, daß jene neuere uns kein so mannichfaltiges und natürliches Vergnügen verschaffen könne, als die Gattung welche in dem Jahrhunderte des Moliere herrschte.

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Zuerst findet man in den weinerlichen Komddien alle die rührungslosen leeren Pläße, die man bey Lesung eines Romans findet. Sie find eben so wie diese mit erzwungnen Verwick lungen, mit ausserordentlichen Stellungen, mit übertriebenen Charakteren angefüllt, welche oft wahrer als wahrscheinlich sind; und wenn sie in unfrer Seele jene, nichts weniger als willkührliche, Bewegungen verursachen,die sie auf einige Aus genblicke bezaubern, so kömmt es daher, weil wir bey dem Anblicke auch der erdichtesten Gegenstånde gerührt werden, wenn sie nur mit Kunst geschildert sind. Allein man merke wohl, daß die Rührungen weder so einnehmend sind, noch eben dieselbe Dauer und eben denselben Charak ter der Wahrheit haben, welchen die getreue

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Nachahmung einer aus dem Innersten der Natur geschöpften Stellung hervorbringt.

In der That, wenn die dramatischen Erdichtungen uns um so viel lebhafter rühren, je nås Her fie der Wirklichkeit kommen, so müssen die Erdichtungen der neuen Gattung so viel schwåchere Eindrücke machen, je entgegengesetter sie der Wahrscheinlichkeit sind. Es ist ein Wunderwerk der Kunst nöthig gewesen, um uns die Abentheuer einer Frau annehmlich zu machen, die nach fiebzehn Jahren einer heimlichen Vermåhlung und eines eingebildeten Gefängnisses, auf einmal sich aus dem Schooße ihrer Provinz aufmacht, und nach Paris kommt, einen untreuen Mann aufzusuchen, der sie, ob er sie schon alle Tage zu sehen bekommen könnte, doch nicht eher, als bey der Entwicklung findet. So und nicht anders ist der romanenhafte Grund beschaffen, auf welchen das Gebäude des weinerlich Komischen gemeiniglich aufgeführt ist, oder vielmehr nothwendig aufgeführt seyn muß; und diesen muß sich der Zuschauer gefallen lafsen, wenn er anders Vergnügen daran. finden will. Die Oper sezt bey weitem nicht so viel Triebfedern in Bewegung, um uns durch das Glänzende ihrer Auszierungen zu verblenden, als das kläglich Komische Täuschungen anwen.. det, um eine schmerzhaft angenehme Empfindung in uns zu erwecken.

Die Eindrücke des Vergnügens, welche das wahre Komische hervorbringt, sind von einer ganz andern Beschaffenheit. Es geschiehet allezeit mit einem stets neuen Vergnügen, so oft wir jene von der Natur erkannte Schilderungen, dergleichen der Menschenfeind, der Geizige, der Stumme, der Spieler, der Mürrische, der Ruhmredige und andre sind, wieder vorstellen sehen, oder sie aufs neue lesen. Oder, wenn

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wir uns in fleine Stücke einlassen wollen, wird man es wohl jemals satt, die wahren komischen Auftritte zu sehen, zum Erempel die Auftritte des Horpagens mit der Euphrosine, des Valers mit dem Meister Jacob, des bürgerlichen Edelmanns mit seinem Mädchen und seinen verschiednen Lehrmeistern, die pedantische Zänckeren des Trissotins und des Vadius; oder auch in einer höhern Art, das feine und sinnreiche Gespräch des Merkurs mit der Nacht, die verleumdrische Unterredung der Còlimene mit dem Marquis und ihre sinnreiche Art, der spröden Arsinoe ihre spißigen Anzüglichkeiten wieder zurück zu geben? Verursachen uns wohl die am meisten glänzenden Moralien, wann sie auch bis zum Thränen getrieben werden, jemals ein so lebhaf tes, ein so wahres und ein so daurendes Vergnügen?

Doch die Verringerung und Swåchung unferes Vergnügens, oder die Unnüglichkeit einer ernsthaften und traurig spruchreichen Moral, ist € 3

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der gegründeste Vorwurf noch nicht, den man der neuen Art von Komödien machen kann: ihr vornehmster Fehler ist dieser, daß sie die Gren zen gar aufhebt, welche von je her das Tragische von dem Komischen getrennt haben,. und uns jene ungeheure Gattung des Tragikomischen zu ruck bringet, welche man mit so vielem Grunde, nach verschiednen Jahren eines betrieglichen Triumphs, verworffen hat. Ich weis wohl, die neue Art hat bey weitem nicht so viele und groffe Ungereimtheiten; die Verschiedenheit ihrer Pers fonen ist nicht so anstößig, und die Bedienten dürfen darinne nicht mit Prinzen zusammen spielen allein im Grunde ist sie doch eben so fehlerhaft, ob schon auf eine veschiedne Weise. Denn wie die erstre Art die heroischen Personen erniedrigte, indem sie ihnen bloß gemeine Leis denschaften gab, und nur die gewöhnlichen Tugenden aufführte, die zu dem heldenmäßigen der Tragödie lange nicht erhaben genug sind; eben so erhöhnt die andre die gemeinen Personen zu Gesinnungen, welche Bewunderung erwecken, und mahlt sie mit Zügen jenes reißenden Mits leids, welches das unterscheidende Eigenthum des Trauerspiels ausmachet. Beyde sind also dem Wesen, welches man dem komischen Ges dichte zugestanden hat, gleich sehr zuwider; beyde verdienen also einen gleichen Tadel, und vielleicht auch eine gleiche Berbannung.

Als das Tragikomische zuerst aufkam, glaub te man, ohne Zweifel, das Gebiethe der komis schen Muse erweitert zu haben, und billigte also anfangs diese kühne Erfindung. Mit eben diefer Einbildung geschmeichelt, triumphiren auch jeho die Anhänger der neuen Gattung; sie sus chen sich zu überreden, der Weg der Empfindung fen gleichfalls eine von den glücklichen Entde cfungen, welche der französischen Scene den höchsten Grad der Ausschmückung gegeben ha= be; sie wollen durchaus nicht einsehen, daß die Empfindung, welche gewissen Gedichten, zum Erempel der Elegie und dem Hirtengedichte, fo wesentlich ist, sich ganz und gar nicht mit der komischen Grundlage verbinden lasse, welche das Theater nothwendig braucht, wenn sie ihren Originalen denjenigen Ton geben will, der im Ergößen bessert. Man betriege sich hier nur nicht: wir haben zwey sehr unterschiedne Gat tungen; die eine ist die nüßliche, und die andre die angenehme: weit gefehlt also, daß das weinerlich Komische eine dritte ausmache; sie schmelzt vielmehr beyde Gattungen in eine einzige, und machet uns årmer, indem sie uns reicher zu machen scheinet.

Wann die wirklich komischen Fabeln gånzlich erschöpft wåren, so könnte man die Erfindung der weinerlichen Charaktere noch eher vergeben, weil sie wenigstens, als eine Vermischungs des Wahren und Falschen, das Verdienst ha € 4

ben,

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