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ben, uns auf einen Augenblick zu rühren, wenn sie uns auch schon durch die Ueberlegung ver brüßlich werden: allein es ist derselben noch eine sehr große Menge übrig, welche alle neu sind, und die man, schon seit langer Zeit, auf der Bühne geschildert zu sehen gewünscht hat. Wir has ben vielleicht nicht ein einziges getreues Gemählde von verschiednen Sitten und lächerlichkeiten unfrer Zeit; zum Erempel, von der gebiethrischen Leutseligkeit unfrer Hofleute, und von ihrem uns erfåttlichen Durste nach Vergnügen und Gunst; von der unbesonnenen Eitelkeit und wichtigen Aufgeblasenheit unserer jungen Magistratsperfonen; von dem wirklichen Geiße und der hochmüthigen Verschwendung unsrer großen Rentmeister; von jener feinen und manchmal ausgelaßenén Eifersucht, welche unter den Hofdamen, wegen der Vorzüge des Ranges, und noch mehr wegen der Vorzüge der Schönheit, herrschet; von jenen reichen Bürgerinnen, welche das Glück trunken macht, und die durch ihre unverschämte Pracht den Gefeßen, dem Wohlstande und der Vernunft Hohn sprechen.

Auf diese Art würden sich tausend nüßliche und glänzende Neuigkeiten dem Pinsel unsrer Dichter darbiethen, wenn sie nicht von der Liebe zu dem Besondern verführt würden. Sollten fie wohl von der Schwierigkeit, solche feine Chas raktere zu schattiren, welche nur eine sehr leichte Auftragung der Farben erlauben, zurückgehal

ten

ten werden? Allein könnten sie nicht, nach dem Beyspiele des Moliere, an den Nebenrollen-dasjenige einbringen, was ihnen an der Unterstüs zung des Hauptcharakters abgehet? Und brauchen fie denn weniger Kunst darzu, wenn sie uns in Komödien eingekleidete Romane wollen bewun dern lassen, oder weniger Genie, um sich in dem engen Bezirke, in welchen sie sich einschlieffen, zu erhalten? Da sie nur auf eine einzige Empfindung, des Mitleidens nehmlich, eingeschränkt sind, so haben wir vielmehr zu fürcht ten, daß sie uns, durch die Einförmigkeit ihres Tones und ihrer Driginale, Frost und. Eckel ers wecken werden. Denn in der That, wie die Erkennungen beständig mit einerley Farben vor bereitet, herzugeführet, und aufgeschlossen werden, so ist auch nichts dem Gemählde einer Mutter, welche ihr und ihrer Tochter Unglück beklagt, ähnlicher, als das Bild einer Frau, welche über ihr und ihres Sohnes Unglück Thrånen vergießt. Fliessen aber hieraus nicht nothwendig Wiederhohlungen, die nicht anders, als verdrüßlich seyn können?

Wie weit übertrift das wahre Komische eine so unfruchtbare Gattung! Nicht allein alle Charaktere und alle Stände, nicht allein alle Lafter und Lächerlichkeiten sind seinen Pfeilen ausgefeßt; sondern es hat auch noch die Freyheit die Farben zu verändern, womit eben dieselben Originale, und eben dieselben Ungereimtheiten

gemahlt werden können. Und auf diesem Wege findet man nirgends Grenzen; denn obschon die Menschen zu allen Zeiten einerley Fehlern unterworfen sind, so zeigen sie dieselben doch nicht immer auf einerley Art. Die Alten, in diefer Absicht, sind den Neuern sehr ungleich; und wir selbst, die wir in den jeßigen Tagen le ben, haben mit unsern Vätern sehr wenig åhns liches.

Zu den Zeiten des Moliere und derCorneils len, besonders zu Anfange ihres Jahrhunderts, Fonnte man die gelehrten und wißigen Köpfe von Profeßion mit griechischen und lateinischenCitationen ausgespickt, über ihre barbarischen Schriftstel ler verdüstert,in ihren Sitten grob und unbiegsam, und in ihrem Aeusserlichen nachläßig und schmu Big vorstellen. Diese Züge passen schon seitlanger Zeit nicht mehr. Das pedantische Ansehen ist mit jener tiefen Gelehrsamkeit, die aus lefung der Originale geschöpft war, verschwunden. Man begnügt sich, wenn ich so reden darf, mit dem blossen Vernis der Litteratur, und den meis sten von unsern Neuern ist ein leichtes und sich ausnehmendes Mundwerk anstatt der gründlichen Wissenschaft, welche ihre Vorgänger besaffen. Ihre Erkenntniß, sagt man, ist mannigfaltiger, aber eben deswegen auch unvollkommner. Sie haben, wenn man will, mehr Wiß; aber vielleicht desto weniger wahres Genie. Kurz die meisten von ihnen scheinen von den alten Ge

Lehr

lehrten nichts beybehalten zu haben, als die beklagenswürdige Erbitterung, ihre Personen und ihre Werke unter einander zu verlåstern, und sich dadurch in den Augen ihrer Zeitgenossen und der Nachwelt verächtlich zu machen.

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Es ist also nicht sowohl die Erschöpfung der Charaktere und des lächerlichen, noch die Begierde müßlicher zu seyn, noch die Vorstellung eines gröffern Vergnügens, welche uns die Gat tung des weinerlich Komischen verschaft hat, son= dern vielmehr die Schwierigkeit, den Ton des Moliere zu erreichen, oder vielmehr die Begier de unsre Bewunderung durch die glänzenden Reihe der Neuigkeit zu überraschen. Diefe Krankheit, welche dem Französischen Genie fo eigen ist, erzeugt die Moden in der Litteratur, und stekt mit ihren Sonderlichkeiten sowohl alle Schreibarten, als alle Stånde an. Unfre Neugierde will alles durchlaufen; unsre Eitelkeit will alles versuchen; und auch alsdenn, wenn wir der Vernuft nachgeben, scheinen wir nicht sowohl ihrem Reiße, als unserm Eigenfinn gefolgt zu feyn.

Wann diese Betrachtungen wahr sind, so ist es leicht, das Schicksal des weinerlich Komi schen vorher zu sagen. Die Mode hat es eingeführt, und mit der Mode wird es vergehen, und in das Land des Tragikomischen verwiesen werden, aus welchem es gekommen ist. Es glänzet vermöge der schimmernden Bliße der

Neuigkeit, und wird eben so geschwind, als diese; verlöschen. Das schöne Geschlecht, welches der gebohrne Beschüßer aller zärtlichen Neuerungen ist, kann nicht immer weinen wollen, ob es gleich immer empfinden will. Wir dürfen uns nur auf seine Unbeständigkeit verlassen.

Unter die Gründe, warum man den Geschmack an dem weinerlich Komischen wird fahren lasfen, gehöret auch noch die äusserste Schwierig feit, in dieser Gattung glücklich zu seyn: die Laufbahn ist nicht von grossem Umfange, und es wird ein eben so glänzendes und bearbeitetes Ge nie, als das Genie des Verfassers der Melanide ist, dazu erfordert, wenn man sie mit gutem Fortgange ausfüllen will. Der Herr von Fontenellehat einen Ton, welcher ihm eigen ist, und der ihm allein unvergleichlich wohl läßt;; allein es ift unmöglich oder gefährlich ihn nachzuahmen. Der Herr de la Chaussee

Ton, dessen at gleichfalls seinen

Schöpfer er ist, dem es mehr in Ansehung der Art von Unmöglichkeit, seine Fabeln nicht nach zu copiren, als in Ansehung der Schwierigkeit, sie mit eben so vieler Kunst und mit eben so glänzenden Farben vorzutragen, an Nachahmern fehlen wird.

Doch alle Kunst ist unnüße, wenn die Gats tung an und für sich selbst fehlerhaft ist, das ist, wenn sie sich nicht auf jenes empfindbare und alls gemeine Wahre gründet, welches zu allen Seiten und für alle Gemüther verständlich ist.

Aus

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