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Findet man nicht 'in beyden Stellen ein sehr gewöhnliches Wort in einer sehr ungewöhnlichen Bedeutung gebraucht? Errare ist hier beydesmal so viel als fubeffe, und ich wenigstens kann mich nicht erinnern,es bey irgend einem andern Schriftfteller in eben diesem Verstande gelesen zu haben. Jedoch ich will dergleichen grammatische Unmerckungen denjenigen überlassen, welchen sie eigent lich zugehören, und mich zu dem zweyten Puncte wenden. Ueberhaupt zwar wird man die Anmerckung schon oben mit mir gemacht haben, daß sich in der Dekonomie des Thyest weniger Kunst zeigt, als in dem rasenden Herkules; gleichwohl aber ist in beyden ein gewisser Kunstgrif angebracht, an welchen man die Hand ihres Meisters erkennet. Ich finde diesen Kunstgrif in dem ersten Aufzuge sowohl des eines, als des andern, und hier ist es, wo ich die oben versprochene Unmerckung darüber beybringen will. Die Juno, welche in dem Herkules die Bühne eröfnet, hat ungemein viel ähnliches mit dem Tantalus und der Megåra, welche es im Thyeft thun. Beyde find als eine Art von Prologen anzusehen; ich sage als eine Art, um sie von den gewöhnlichen Prologen bey den Alten zu unterscheiden, die zu nichts als zur Erklärung des Inhalts bestimmt waren, und mehr den Mangel der Kunst, als die Kunst verrathen. Der römische Dichter hatte seine Stücke so eingerichtet, daß sie aus sich selbst sattsam verstånd

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kich waren, und jener einleitenden Vorerirnerungen gar wohl entbehren konnten; wie es denn offenbar ist, daß das eine wie das andre auch ohne die ersten Aufzüge ganz seyn würde. Nur gewisse Wahrscheinlichkeiten würden beyden ohne dieselben fehlen, die ihnen zwen verschiedene Schriftsteller wohl schwerlich auf eine und eben dieselbe Art möchten gegeben haben. In dem Herkules würde, wie wir schon gesehen, ohne die vorläufige Einführung der Juno die Einheit der Handlung gelitten haben; und im Thyeft, ohne die Vorbereitung der Furie,die innere Wahr scheinlichkeit der Handlung, so sehr auch die Wahrheit derselben durch die Geschichte auffer allem Zweifel gefeßt seyn konnte. Diese Gleichheit nun, die ersten Aufzüge zu etwasmehr als zu blossen trocknen historischen Einleitungen, welches sie in den meisten alten Trauerspielen sind, zu ma chen, und durch sie einem etwanigen Tadel zue vorzukommen, beweiset, sollte ich meinen, so ziem lich einerley Denkungsart, die sich in besondern Vergleichungen noch deutlicher zeigen muß. Zum Erempel, in Schilderung der Charaktern ist der Verfasser des Herkules vollkommen der Ver fasser des Thyest. Man erinnere sich aus jenem des Lycus und aus diesem des Atreus. Es sind nicht nur beydes Tyrannen, sondern auch beydes Thrannen von einerley Grundsäßen, welches sie schwerlich seyn würden, wenn es

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nicht die wiederholten Einfälle eben desselben Dichters wären. Lycus sagt:

Qui morte cunctos luere fupplicium jubes
Nefcit Tyrannus effe. Diverfa irroga,
Miferum veta perire, felicem jube.
Und Atreus sagt:

De fine pœnæ loqueris, ego pœnam vole,
Perimat tyrannus lenis: in regno meo
Mors impetratur,

Diese Gedanken könnten, ohne Zweifel, eins ander nicht gleicher seyn, und nur der Verfasser Felbst kann das Recht haben, sich auf eine solche Art auszuschreiben. Ein Nachahmer, aber läßt sich hier, auch um deswillen, nicht vermuthen, weil ausserdem weder der Dichter des Herkules noch der Dichter des Thyest, als zwen verschiedene Dichter betrachtet, an Sinnsprüchen und schönen Gedanken so arm find, daß einer dem andern ein solches Blümchen hätte stehlen dürfen

Der dritte Punct, in welchem ich beyde Stücke fehr ähnlich finde, sind ihre Fehler. Als einen der gröftten hat man die häufigen Beschreibun gen bereits angemerkt. Man vergleiche aber nur die Beschreibung des unterirdischen Reichs und der Thaten des Herkules, in dem dritten Aufzuge dieses Trauerspiels, etwas umståndlicher mit der Beschreibung des geheiligten Hayns, im vierten Aufzuge des Thyest, so wird. man ohne Schwierigkeit in beyden Schildereyen eben denselben Pinsel, eben dieselben Farben ent

decken

men,

decken. Beyde übrigens stehen auch vollkomdie eine so wohl als die andre, ganz an der unrechten Stelle, und die Begierde zu mahlen muß bey dem Vichter ausserordentlich groß gewesen seyn, daß er sie wenigstens nicht bis zur gelegenen Zeit hat mäßigen können. Ein andrer Fehler in unsern zwey Trauerspielen, ist die öftere Auskrahmung einer zimlich gesuchten geographischen und astronomischen Gelehrsamkeit. Un einem Orte in dem Herkules habe ich den Dichter zwar dieserwegen gegen den P. Brumoy vertheidiget; (siehe oben S. 46. 47.) allein man muß nicht glauben, daß ich das, was einmal sehr wohl zu entschuldigen war, auch an allen andern Orten gut heissen wolle. Ich brauche dieses hier nicht weitläuftiger auszuführen, weil ich mich, in einer so deutliche Sache, sicher auf die Unterscheidungskraft der Leser verlassen fann, und weil es überhaupt hier bloß auf die Gleichheit der Stellen, nicht aber auf ihren_innern Werth ankommt. Man halte also fol= gendes aus dem Herkules:

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Quis Tanais, aut quis Nilus, aut quis Perfica
Violentis unda Tigris, aut Rhenus ferox
Tagusve Ibera turbidus gaza fluens
Abluere dextram poterir?

gegen folgende aus dem Thyeft:

Quænam ifta regio eft, Argos & Sparte pios Sortita fratres? & maris gemini premens Fauces Corinthus? an feris Ifter fugam

Præ

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Præbens Alanis? an fub æterna nive

Hyrcana tellus? an vagi paffim Scythæ? besonders aber den Chor des vierten Aufzuges im Thyest gegen den Anfang des Herkules; und man wird sich hoffentlich, alle angeführte Umstände zusammen genommen, kein Bedenken machen, beyde Trauerspiele einem Verfasser zuzuschreiben.

Von neuern Trauerspielen, welche
die Aufschrift Thyeft führen.

Auf dem italianischen Theater stößt uns hier abermal Lud. Dolce auf, welcher den lateinischen Thyeft nach seiner Art in Versen überseht hat. Delrio sagt von ihm: italice tragoediam Thyeftem non inelaganter Ludovicus Dulcis compofuit; und scheint also die Arbeit des Italianers mehr für etwas ihm eignes, als für eine Übersehung zu halten. Als eine solche mag fie auch wohl sehr nntreu gerathen seyn, indem ihm, wie Brunoy anmerkt, so gar das oben gerühmte agnofco fratrem entwischt ist; dessen Nachdruck er entweder nicht eingesehen, oder in seine Sprache nicht überzutragen gewust hat. Von der französischen Bühne haben wir schon bey Gelegenheit des Herkules, auch den Thyest des Roland Briffet angeführet; er ist mit Chören, und wird also schwerlich etwas anders feyn, als eine schlechte Überseßung, wie sie es zu seiner Zeit alle waren. Außer diesem hat

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