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Wie weit er aber überhaupt unter dem Schrecklichen des lateinischen Dichters geblieben sen, wird man schon von sich selbst abgenom men haben. Er hat die stärksten Züge in seinem Muster unberührt gelassen, und ausser dem so gelinderten Hauptinhalte, kaum hier und da einige glänzende Gedanken von demselben erborgt. Doch auch diese hat er oft ziemlich gewässert, und die Starcke gar nicht gezeigt, mit welcher der åltere Corneille die schönsten und prächtigften Gedanken der römischen Trauerspiele in seine überzutragen wußte. Einigemal ist es ihm so ziemlich gelungen; besonders bey dem agnofco fratrem, welches er durch folgende Zeile ausge drückt hat:

A. Meconnois-tu ce fang? Th. Je reconnois mon frere.

Auch noch eine Stelle hat er sehr wohl anzu wenden gewußt, und zwar eine solche, welche manchem Ausleger des alten Dichters selbst nicht recht verständlich gewesen ist. Ich meine die 1052te Zeile:

Sceleri modus debetur, ubi facias fcelus,
Non ubi reponas

welche er sehr kurz und schön so übersezt hat:
Il faut un terme au crime, & non à la

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vengeance.

Ich will zum Schlusse noch das mittheilen, was Herr Crebillon selbst von diesem seinem Stücke sagt. Es ist ein Theil der Vorrede,

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in welchem man verschiedene hieher gehörige Gedanken finden wird. Fast ein jeder, fagt ,, er, hat sich wieder den Inhalt dieses Trauer spiels empört. Ich kann weiter nichts darauf ,, antworten, als dieses, daß ich nicht der Erfinder davon bin. Ich sehe wohl, daß ich Unrecht gethan habe, mir die Tragödie allzusehr als eine schrekliche Handlung vorzustellen, ,, die den Zuschauern unter rührenden Bildern ,, müsse gezeigt werden, und die sie zum Mit,, leiden und Schrecken bewegen solle, doch ohne Züge, welche den Wohlstand und die Zärt lichkeit beleidigen könnten. Es kömmt also nur darauf an, ob ich diesen so nöthigen Wohle ,, stand bevbachtet habe. Ich glaube mich dessen », schmeicheln zu dürfen. Ich habe nichts vergessen, was meinen Stof lindern und unsern ,, Sitten gemäß einrichten könne.

Um den Atreus unter keiner unangenehmen Gestalt zu zeigen, laffe ich die Aerope von dem », Altare selbst entführet werden, und sehe diesen Prinz, (wenn ich hier diese Vergleichung brau ,,chen darf,) gerade in eben den Fall des be zauberten Bechers bey dem la Fontaine. L'etoit-il? ne l'etoit-il point?

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Ich habe durchaus die Fabel verändert, um ,, seine Rache weniger schrecklich zu machen, und mein Atreus ist bey weiten nicht so grausam, als der Atreus des Seneca. Ich habe mich „begnügt, für den Thyeft alle den Greuel J 2

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,,des von seinem Bruder ihm bestimmten Bechers, ,,fürchten zu lassen, und er bringt nicht einmal ,,feine Lippen daran. Ich gestehe es zwar, daß ,,mir diese Scene selbst schrecklich schien. Es „überfiel mich ein Schauder; aber nichts desto,,weniger glaubte ich, daß sie sich in ein Trauer,,spiel sehr wohl schicke. Ich sehe nicht, warum „man sie mehr davon ausschliessen solle, als die Ecene in der Rodogune, wo Cleopatra, „nachdem sie einen von ihren Söhnen schon_er„mordet, den andern vor den Augen der Zuschauer vergiften will. So unwillig man auch gegen die Grausamkeit des Atreus gewesen, fo glaube ich doch nicht, daß man ein vollkom ,,mener Bild auf die tragische Scene bringen ,,könne, als das Bild von der Stellung des „unglücklichen Thyest, welcher sich ohne Hülfe der Wuth des barbarischsten unter allen Men»schen ausgeseßt sieht. Ob man sich nun aber schon von seinen Thrånen und seinem Jammer. serweichen ließ; so blieb man mir dennoch des wegen auffähig. Man hatte die Güte, mir alle Abscheulichkeit der Erfindung zu lassen, „und rechnete mir alle die Lasterthaten des Utreus an. An einigen Orten betrachtet man „mich auch noch als einen fürchterlichen Menschen, bey welchem man nicht recht sicher sey; gleich als ob alles, was der Wig erdenket, feine Quelle in dem Herzen haben müsse. Eine „schöne Lection für die Schriftsteller, welche sie

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„nicht nachdrücklich genug wird lehren können, ,,mit wie vieler Behutsamkeit sie vor dem Publico erscheinen müssen. Ein artiges Frauenzimmer, welches sich in Gesellschaft „mit ehrbaren Scheinspröden befindet, darf sich „lange nicht mit so vieler Sorgfalt beobachten. ,,Und endlich hätte ich mir es nimmermehr vora gestellt, daß in einem Lande, in welchem es

viel gemißhandelte Ehemanner giebt, ,,Atreus so wenig Vertheidiger finden sollte. „Was die doppelte Ausföhnung, die man mir „vorwirft, anbelangt, so erkläre ich gleich vor,,aus, daß ich mich in diesem Puncte niemals „für schuldig erkennen werde. Atreus erziehet „den Phlisthenes, um einmal den Thyest ,,durch die Hånde seines eigenen Sohnes umbringen zu lassen; er erschleicht von diesem jungen Prinzen einen Eid, welcher aber gleich,,wohl bey Erblickung des Thyest nicht gehorchet. ,,Atreus kann also zu nichts andern seine Zuflucht nehmen, als zur Verstellung; er erdich„tet ein Mitleiden, welches er nicht fähig ist, ju empfinden; er bedient sich hierauf der aller gewaltsamsten Mittel, den Plisthenes zur ,,Vollziehung seines Eides zu vermögen, von ,,welcher dieser aber durchaus nichts wissen will. „Atreus, welcher sich an dem Thyest auf „eine seiner würdige Art råchen will, muß also „nothwendig zu einer zweyten Verföhnung ,,schreiten. Ich getraue mir zu sagen, ba I 3

,,die

dieser grausame Prinz alle Geschicklichkeit an. ,,wendet, die ein Betrieger nur immer anwenden ,,kann. Es ist unmöglich, daß Thvest dieser Falle entgehen sollte, wenn er auch schon selbst ein eben so grosser Betrieger wåre, als sein „Bruder. Man darf das Stück nur ohne Vorurtheil lesen, so wird man finden, daß ich ,,nicht Unrecht habe. Je betriegerischer aber „Atreus ist, desto besser habe ich seinen Cha„rakter ausgedrückt; weil Verrätherey und Verstellung fast immer von der Grausamkeit unzertrennlich find 2c. “

Von den übrigen lateinischen Trauerspielen in den folgenden Stücken.

VIII. Des

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