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so war es doch nichts als eine leichte Schminke, die man auf ein heßliches Gesicht legte, und die die Unwissenheit der Schauspieler gar bald wieder in Verfall brachte, so daß Leute von Geschmack, welche das Elende davon einsahen, unmöglich damit zufrieden seyn konnten.

Man sahe keine neue Komödien mehr, welche die Neugierde eines ehrlichen Mannes håtte reißen können, sondern nichts als Possenspiele, welche nur allzuoft mit den schrecklichsten Ungereimtheiten angefüllet waren. Die Komödianten waren Ignoranten, welche weder Wig, noch Talente, noch Sitten hatten, und sich an nichts, als an die unerschöpfliche Quelle lüderlicher Schwäncke halten konnten.

Eine einzige Bande behielt bey diesem schreklichen Verfalle noch die Anständigkeit auf dem Theater bey; allein dieses gute Erempel dauerte nicht lange genug, um die übrigen wieder auf den rechten Weg zu bringen. Sie verließ Italien und zog nach Deutschland, in die Dienste des Churfürsten von Bayern nach München und nach Brüffel, und von dalging sie nach Wien, in die Dienste des Kaysers Leopold und des ròmischen Königs Joseph. An der Spiße dieser Bande befand sich Francesco Calderoni, genannt Silvio, und Agata Calderoni, genannt Flaminia, dessen Frau, von welcher meine Frau eine Enckelin ist. Dieses nun war ein Verfall, welchem man abzuhelfen gar nicht

hoffen

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hoffen konnte, weil nicht allein die gute Komodie, sondern auch zugleich die guten Komödi anten, verschwunden waren. Gleichwohl aber gab man sich deswegen alle Mühe, und wir wols len gleich sehen, auf was für Weise.

So wie sich in allen Profeßionen oft ein Mensch von Geist und Geschmack findet, der sich von andern unterscheidet, so entschloß sich auch in den lestern Zeiten, als die Komödianten noch die Freyheit hatten, nach Rom zu gehen, und während dem Carneval daselbst zu spielen, ein junger Mensch aus dieser Stadt, Komödiant 31: werden, und begab sich unter eine Bande. Er war so glücklich dem Francesco Calderoni und der Agata Calderoni, seiner Frau, in die Hånde zu gerathen, die ich eben genannt habe, und die ihm, als die einzigen, bey welchen fich noch ein Rest von dieser Kunst und besonders die Anständigkeit erhalten hatte, ein gutes Thor eröfnen und den wahren Weg zeigen konn

ten.

Dieser junge Mensch, welcher bloß darauf be-. dacht war Ehre einzulegen, ging alle Staffeln der Komödie durch, und gelangte endlich durch seine Anstrengung und seinen Fleiß dahin, daß er das Haupt einer Bande und der größte Schauspieler seiner Zeit ward. Sein Name war Pietro Cotta und sein Theatername Celio. Er ist allezeit für einen sehr rechtschafnen Mann gehalten worden, welcher sich als einen abgesagN 5

ten

ten Feind aller zweydeutigen Gedanken und aller unanständigen Freyheiten erklärt hatte, die am Ende des vergangnen Jahrhunderts auf unsern unregelmäßigen Bühnen so sehr im Schwange waren. Er war der erste, welcher das Theater wieder zu reinigen anfing, und wandte alle mög liche Aufmerksamkeit an, es mit den besten Stüs cken zu bereichern. Er spielte sehr oft den ges treuen Schäfer des Guarini, und machte auch einen Versuch mit des Tasso Amintas. Der Name der Tragödie, welcher von Zeit zu Zeit von jenseits der Gebürge zu uns kam, brachte ihn auf den Einfall eine Tragödie aufzuführen. Er wehlte dazu eine von den allerneusten, die einen Mann zum Verfasser hatte, der bereits we gen andrer Werke in einem grossen Ansehen stand. Es war der Ariftodemus des Dottori, eines Edeln von Padua, welcher ohngefehr vierzig Jahr vorher gestorben war. Diese Tragödie ist in Versen und nach allen Regeln abgefaßt. Er stellte sie zu Venedig das erstemal vor, und brauchte die Vorsicht, es bey Ankündigung derselben, den Zuschauern gleich vorher zu sagen, daß in dem Stücke kein Harlequin vorkomme, daß der Inhalt dieser Tragödie sehr rührend sey, und daß ihnen die Vorstellung Thrånen auspressen werde; kurz, er vergaß in seiner vorläufigen Nachricht nichts, was die Zuschauer, welche seit langer Zeit von der Tragödie ganz und gar nichts ge hört hatten, vermögen konnte, sich nach diesem

neuen

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neuen dramatischen Gedichte zu bequemen, wel ches von denen, die sie bisher gesehen hatten, ganz und gar unterschieden war. Diese Tragodie ward mit allgemeinem Beyfall aufgenommen.. Zu eben der Zeit hatten verschiedne Schulen zu Rom und Bologna, und nicht weniger verschiedne; Vornehme dieser liebenswürdigen und gelehrten Stadt, den größten Theil der Tragödien beyder Corneilles und auch einige des Racine, überfest; die erstern in der Absicht, sie von den juns gen Koftgängern ihrer Schulen aufführen zu lassen, und die andern, um sich während des Carnevals eine Ergöhung zu machen. Diese Tragödien gefielen der kleinen Anzahl von Kennern ungemein; allein die andern, welche seit langer Zeit daran gewöhnt waren, nichts als das niedrig Komische und lauter solche Tragische Stücke zu sehen, die, mit possenhaften Scenen untermengt, bey den rührendsten Stellen zum Lachen bewegten, und eben diejenigen waren, welche der Herr d'Aubignac in seiner Anleitung zur theatralischen Dichtkunst, italiånische Tragödien nennt: diese andern 3. schauer, sag ich, welche noch immer den größten Theil des Schauplahes ausmachten, behaup teten, es sey nichts verdrießlicher, als ewige Scenen zu hören, worinne nichts als Worte vorkamen. Doch diese lächerlichen Aussprüche hielten das Unternehmen des Pietro Cotta nicht zurück; denn da er eines Theils alle die Urtheile Der Leute ohne Geschmack und Wissenschaft vers achtete,

achtete, andern Theils aber durch die Aufmunterungen der Liebhaber guter Werke Muth bekam: fo fuhr er fort die Rodogune, die Iphigenia in Aulis und andre Trauerspiele aufzuführen, und sie, der getheilten Meinung der Zus schauer ungeachtet, auf der Bühne zu behaupten.

Er hatte zwar gegen die Stadt Venedig einige Achtung, weil er mit allem Fleiß behutsam mit ihr verfahren wollte, und führte daher nur sehr i felten Tragödien auf. Unterdessen aber folgten die übrigen Komödiantenbanden dem Beyspiele, welches ihnen Pietro Cotta gab, entweder ganz und gar nicht, oder verliessen doch wenig. stens diese Bahn gar bald wieder, nachdem sie den Geschmack des Publicums in Ansehung sol cher Stücke auf die Probe gestellt hatten. Kurz, das Theater war in Verwirrung; denn wenn einer die Komödianten antrieb, Tragödien aufzuführen, so brachte sie ein andrer wieder davon ab, indem er sie ersuchte, ihnen nicht darmit zur Last zu fallen. Was war also zu thun? Mittlerweile verließ Pietro Cotta das Theater und begab sich zur Ruhe.

Die Tragödie fahe sich abermals in Gefahr, von der italianischen Bühne verbannt zu werden; die Komödianten dachten nicht mehr daran, und der größte Theil der Zuschauer bekümmerte sich eben so wenig darum. Was war nunmehr für ein Entschluß zu fassen? Man mußte wenigstens die Wahrheit an den Tag bringen, und entwe

der

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