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dem Stoffe des Trauerspiels beurtheilet, wel cher, wie man gesehen hat, gänzlich aus der Fas bel entlehnt ist. Die Thaten des Herkules find für uns unsinnige Erdichtungen, und bey den Heiden waren sie Glaubensartikel. Sie überfiel ein heiliger Schauer, wenn sie hörten, daß er Gebirge zerrissen, daß er die Hölle ge stürmt, daß er den Himmel getragen: und wir wollen uns farm des Lachens dabey enthalten können. Allein, ist es billig einen Dichter ane ders, als nach den Umständen seiner Zeit zu beur theilen? Ist es billig, daß wir das, was seine Zeitverwandten in den Munde des Herkules für schreckliche Drohungen hielten, für unsinnige Großsprechereyen haten, und sie als solche, mit famt dem Dichter, auspfeifen wollen? Ich will auf diesen Umstand nicht weiter dringen, weil man schon zu oft darauf gedrungen hat. Daß unser Verfasser sonst die Regeln der Bühne ges kannt, und sich ihnen mit vieler Klugheit zu unterwerfen gewußt habe, ist nicht zu leugnen. Er hat die Einheit der Zeit genau beobachtet. Die Handlung fängt kurz vor Tage an, und endet fich noch vor einbrechendem Abend. Daß dem also fey, beweiset die Stelle der Juno im ersten Aufzuge, 3. 124.

clarescit dies

Ortuque Titan lucidus croceo fubit. und die Stelle im vierdten Aufzuge: 3.930.

Sed

Sed quid hoc? medium diem

Cinxere tenebræ. Wenn es also da noch Mittag ist, so bleibt für den Schlaf des Herkules Zeit genug übrig, daß er noch vor Abend aufwachen kann. Auch die Einheit des Orts wird man nicht unterbrochen finden. Die Scene ist bey dem Altare, welcher dem Jupiter vor dem Pallaste des Herkules auf gebauet war. Zu diesem nehmen Amphitryo und Megara nebst ihren Kindern mit Anbruch des Tages ihre Zuflucht. Um diesem wollte sie Lycus verbrennen lassen, weil er sie nicht mit Gewalt davon wegreiffen durfte. Ben diesem findet sie Herkules, als er plöglich erscheinet. Auf diesem will er den Göttern ein Dankopfer anzünden 2. Endlich ist auch die Einheit der Handlung ohne Tadel. Die Ermordung des Lycus ist eine blosse Episode, welche mit vieler Kunst in das Ganze eingewebt worden. Sie ist nicht die Haupthandlung, sondern bloß die Gelegenheit zu derselben. Diefer Um stand führt mich auf eine

Vergleichung mit des Euripides
rasendem Herkules.

Der 'Heanλns avouevos ist das achtzehnte unter den übrig gebliebenen Trauerspielen des Griechen. Daß sich der Römer dasselbe zum Muster vorgestellet habe, ist nicht zu leugnen. Allein er hat nicht als ein Sklave, sondern als

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ein Kopf, welcher selbst denkt, nachgeahmt, und verschiedne Fehler, welche in dem Vorbilde sind, glücklich verbessert. Ich kann mich hier in keiz nen weitläuftigen Auszug des griechischen Stücks einlassen, so viel aber muß ich anmerken, daß Euripides die Handlung offenbar verdoppelt hat. Bey ihm eröfnet Amphitryo das Stück, welcher die Zuhörer von den nöthigsten historischen Umständen unterrichtet. Megara kömmt dazu, und beyde beklagen ihr Unglück. Lycus eröf net ihnen ihr Todesurtheil, mit den bittersten Verspottungen des Herkules. Megara und. Amphitryo ergeben sich in ihr Schicksal, und bitten nur noch um eine kurze Frist, unter dem Vorwande, den Kindern ihre Todtenkleider anzulegen. Als dieses geschehen, und sie vor dem Altar auf die Hinrichtung warten, erscheinet Herkules, welcher unerkannt in die Stadt ges kommen.war. Er erfährt das Unglück, welches feinem Hause drohe, und ermordet den Lycus. Was erwartet man nunmehr noch weiter? Nichts, ohne Zweifel. Doch ehe man sichs ver fieht erscheinen mitten in dem dritten Aufzuge Iris und eine Furie. Die Furie soll dem Hers Eules auf Befehl der Juno den Verstand verrucken; die Furie weigert sich, doch endlich muß fie wider ihren Willen gehorchen. Hierauf wer den im vierten Aufzuge die Wirkungen der Raseren des Herkules nur erzehlt, und in den fünften kömmt Theseus dazu, welcher seinen Freund,

der

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der sich aus Verzweiflung durchaus das Leben nehmen will, wieder zurechte bringt. Nun sehe man, wie geschickt der römische Dichter durch eine kleine Veränderung ein zusammenHangendes Stück daraus gemacht hat, in welchem die Neubegierde keinen solchen gefährlichen Ruhepunkt findet, sondern bis ans Ende in einem Feuer erhalten wird. Er fängt nehmlich mit dem grausamen Entschlusse der Juno an, und bereitet dadurch alles vor, was er in der Folge den Zuschauern zeigen will. Es ist wahr, daß er den Ausgang dadurch ein wenig zu sehr verråth; doch verräth ihn Euripides in dem drit ten Aufzuge nicht gleichfalls? Einen an dern Kunstgrif des lateinischen Dichters habe ich bereits angemerkt; die Art nehmlich, wie er die Grausamkeiten des Herkules zugleich zeigt, und auch nicht zeigt. Euripides läßt fie bloß erzehlen, und unterrichtet den Zuschauer nicht einmal so lebhaft davon, als er ihn von dem Tode des Lycus unterrichtet, dessen Ges schrey, da er äusser der Bühne ermordet wird, man doch wenigstens vernimt. Wie viel besser läßt der Römer bloß den Tod des Lycus er zehlen, und spart seine Theaterspiele auf den Tod derjenigen, für die er uns vornehmlich einnehmen will. Dieses aber, was ich jezt gesagt habe, muß man nicht so auslegen, als ob ich dem Euripis des auch in andern Stücken eben so wenig, als in diesen mechanischen Einrichtungen, den Vors

zug

zug zugestehen wollte. Er hat eigenthümliche Schönheiten, welche Seneca, oder wer fonst sein Nachahmer ist, nur selten gekannt zu haben scheis net. Der Affect drückt sich bey ihm ́allezeit in der Sprache der Natur aus; er übertreibt nichts, und weis nicht was es heißt, den Mangel der Empfindung mit Wig ersehen. Aber glücklich sind die, welche ihn noch so ersehen können! Sie entgehen doch wenigstens der Gefahr, platt, eckel und wåßrigt zu werden.

Unbilliges Urtheil des Pater
Brumoy.

Ich glaube, es wird hier noch meine Pflicht feyn, einige unbillige Urtheile des Pater Brus moy zu widerlegen. Man kennet das Verdienst dieses Jesuiten um die Bühne der Griechen. Er hat überall, wo es möglich gewesen, seinen Auszügen aus den griechischen Trauerspielen, Auszüge aus den ähnlichen römischen Tragödien beygefügt. Man kann also leicht glauben, daß er auch unsern rasenden Herkules, bey Gele genheit des Euripidischen, nicht werde vergessen haben. Ich habe nichts darwider, daß er dies fen weit vorzieht; allein daß er jenen durch nichtswürdige Einfälle lächerlich zu machen sucht, wo er es nicht ist, dieses kann ich unmöglich so hins gehen lassen. Ich muß einige Proben anführen, um zu zeigen, wie lächerlich der Jesuit selbst ist. Man wird sich der Stelle erinnern, die ich oben

auf

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