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allen den grausamen Verfolgungen der Juno entgehen wolle. Bey dem Euripides zwar, dessen Fabel gleichwohl von dem Wesentlichen der lateinischen Fabel um nichts unterschieden ist, will der Pater Brumov eine ganz andere Mos ́ral entdeckt haben. Weil bey dem Griechen Herkules, der durch die Freundschaft des The feus gerühret worden, das ganze Stück mit den Worten schliesset: „Unglücklich ist der, welcheri ,,Güter oder Ehre einem wahren Freunde vor zieht; so seht der Jesuit hinzu: „Dieser Gedan,,fe ist, wie mich dunkt, die Moral dieses Trauer„spiels, weil alles darinnen auf die Entwicklung ,,des Theseus abzuzielen scheinet. - Doch es ist offenbar, daß Brumoy den légten Site. tenspruch für die Hauptlehre genommen hat. Wenn feine Meinung wahr wäre, so hätte Eu ripides wahrhaftig den Werth eines wahren Freundes durch keine weniger passende Fabel, als durch diese, erleutern können. Die ganzen vier ersten Aufzüge würden in dieser Absicht umsonst geschrieben seyn. Alles, was man also zur Entschuldigung dieser beyden alten Muster anführen kann, ist dieses, daß sie es für ganz unnöthig ge= halten haben, an die Moral des Ganzen zu den ken, und daß sie ihre Tragödien nicht so gemacht. haben, wie sie uns eine sogenannte critische Dichtkunst zu machen lehret. Erst eine Wahrheit sich vorzustellen, und hernach eine Begebenheit dazu zu suchen, oder zu erdichten, war die Art D 4

ihres

ihres Verfahrens gar nicht. Sie wußten, daß bey jeder Begebenheit unzählige Wahrheiten an zubringen wären, und überliessen es dem Strome ihrer Gedanken, welche sich besonders darinne ausnehmen würde. Da sie übrigens in gewif fen Fällen ziemlich genau bey der hergebrachten Geschichte zu bleiben gezwungen waren, so mußte es ihnen entweder gleichgültig feyn, ob die moraz lische Folge aus der Begebenheit selbst gut oder böse sey, oder fie mußten überhaupt von der Aufs führung gewisser Begebenheiten abstehen. Allein kann ein neuer Dichter eben diese : Entschuldis gung haben? Und ist seine Freyheit eben so eina geschränkt? Gewiß nicht; er kann åndern was er will, und es liegt, nur an ihm, wenn das Ganze bey ihm nicht eben so lehrreich ist, als die beson= dern Theile. Nun kömmt es darauf an, was er in dieser Absicht mitdem rasenden Herz tules thun müßte. Ohne Zweifel würde es auf eine feinere Bearbeitung dieses Charakters selbst ankommen. Seine Raferey müßte eine natürliche Folge aus demselben werden. Juno mußte sich daran nur erfreuen, nicht aber fie selbst bewirken. Lind dieses ist leicht: denn was ist näher verbunden als Tapferkeit und Uebermuth, als Uebermuth und Wahnwiß. Man fchildre' also den Herkules als einen Helden voll Muth und Tapferkeit; man lasse ihn die größten Thaten glücklich ausgeführt haben; man lasse ihn. noch grössere sich vorsehen. Allein fein allzugrof

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fes Vertrauen auf eigene Kräfte bringe ihn zu einer stolzen Verachtung der Götter. Man lasse ihn nach und nach sich in seine eigne Anschlåge verwickeln; man gebe ihm einen Schmeichler zu, der durch übertriebene Lobfprüche das ohnedem geringe Gefühl seine Menschheit unterdrückt. Wenn der Dichter alle diese Stafeln glücklich hinan zu gehen weis, so bin ich gewiß, der Zuschauer wird endlich geneigt seyn, die völlige Raserey des Herkules als einen ganz natürlichen Erfolg anzusehen. Ich habe schon angemerkt, daß das Gebet, welches ihm der Römer in den Mund giebt, eine sehr feine Vorbereitung ist; und wenn man auch das Gebet wieder vorbereitet, so wird sich eines aus dem andern ungezwungen ergeben. Welche schreckliche Lection würde dieses für unsre wilden Helden; für unfre aufge blafenen Sieger seyn!

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Ehe ich dieses Trauerspiel ganz verlasse, will ich vorher noch einen

Versuch über das in Unordnung ges brachte Stück des lateinischen Dichters,

deffen ich auf der 37ten Seite gedacht habe, wagen. Er gehet von der 1295sten Zeile bis zu der 131sten. Ich ordne die Personen darinne folgender Gestalt.

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1295. Am. Redde arma. Her. Vox eft digna

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genitore Herculis. Am. Hoc en peremptus fpiculo cecidit.

puer:

Hoc Juno telum manibus emifit tuis:
Hoc nunc ego utar. Th. Ecce, jam miferum

metu

Cor palpitat, corpusque follicitum ferit. 1300. Am. Aptata arundo eft: ecce jam facies

fcelus

Volens, fciensque. Pande quid fieri

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jubes?

Her. Nihil rogamus, nofter in tuto eft dolor.

Am. Natum potes fervare tu folus mihi, Eripere nec tu: maximum evafi metum. 1505. Miferum haud potes me facere, felicem

potes.

Sic ftatue quidquid ftatuis, ut caufam

tuam

Famamque in arcto ftare & ancipiti fcias..
Aut vivis aut occidis. Hanc animam levem
Feffamque fenio, nec minus quaffam
malis

1510. In ore primo teneo.

Tam tarde patri

Vitam dat aliquis? Non feram ulterius

moram,

Letale ferro pectus impreffo induam,
Hic, hic jacebit Herculis fani fcelus.
Her. Jam parce, genitor &c.

Herku

Herkules will kurz vor dieser Stelle, wie man gesehen hat, durchaus sterben. Er vers langt seine Waffen mit Ungestimm zurück. Die gemeinsten Ausgaben lassen daher ihn selbst redde arma fagen und legen das folgende Vox eft &c. dem Amphitryo in dem Mund. Doch wenn man diesen leßtern Worten weder eine abge= schmackte noch eine zu weit hergehohlte Erklä rung geben will, so muß sie kein ander als ertules sagen, zu Bezeigung nehmlich seiner Zufrie denheit über das redde Arma feines Vaters. Gronov hat dieses durch Hülfe seiner Hands, schriften sehr wohl eingesehen, nur daß er das redde in reddo verwandelt. Er glaubt nehmlich, daß Amphitryo hier wirklich dem Hers Eules feine Waffen wiedergebe, und dieser Jrrthum hat gemacht, daß er alles das andere unrecht, obgleich scharfsinnig genug erklärt hat. Ich schmeichle mir den rechten Punct getroffen zu haben. Da nehmlich Amphitryo sieht, daß Herkules unbeweglich ist, so sagt er endlich voller Unwillen zu einem von den Dienern: redde arma. Daß er dieses zu einem Diener fagen könne, beweife ich aus einer vorhergehenden Stelle, in welcher er dem schlafenden Herkules die Pfeile wegnehmen läßt:

Removete famuli tela, ne repetet furens. Wer das Theater ein wenig versteht, wird nun mehr gleich einsehen, daß die Zweydeutigkeit des redde arma ein vortrefliches Spiel ausmache. Herkus

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