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Atreus. Wenn du deinen Antheil nicht wie der nimmst, so will ich meinen verlassen.

Theseus. Wohl ich nehme ihn. Ich will den Namen der mir aufgelegten Herrschaft führen; dir aber allein sollen Geseße und Waffen mit mir dienen.

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Atreus. So laß dir denn um die ehrwürdige Stirne das Diadem binden. Ich will gehen, und den Göttern die versprochnen Opfer bringen.

Hiermit gehen beyde Theile ab, und der zu diesem Aufzuge gehörende Chor erhebt die bru derliche Liebe des Atreus, dem man kaum einen Funken derselben håtte zutrauen sollen. Er vergleicht diese nach langen Verfolgungen wieder hergestellte Freundschaft, einer angenehmen Meerstille, welche auf einen schrecklichen Sturm folgt. Er macht dabey Schilderungen über Schilderungen, welche keinen andern Fehler haben, als daß sie die Aufmerksamkeit des Zuschauers zerstreuen. Vielleicht zwar, daß sie diesen Fehler nicht geäussert haben, wenn die Alten anders die Kunst, etwas so zierlich herzusingen, daß man kein Wort davon errathen kann, eben so gut verstanden haben, als wir Neuern sie verstehen. Der Schluß dieses Chors find abermals einige moralische Anwendungen über das veränderliche Glück, besonders der Grossen. ,, ihr, welchen der Herrscher über Erd und ,,Meer, das grosse Recht des Lebens und des „Todes anvertrauet hat, entfaget den stolzen

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„auf

aufgeblasenen Gebehrden. Was der Geringer ,, von euch fürchtet, eben das drohet euch ein größrer Herr. Jedes Reich stehet unter einem ,,noch mächtigern Reiche. Oft sahe einen, den ,,der anbrechende Tag im Glanze fand, der untergehende im Staube. Niemand traue dem „ihn anlachenden Glücke; niemand verzweifle, ,,wenn es ihm den Rücken zukehret. Clotho „mischt gutes und böses, und treibt unaufhörlich „das Rad des Schicksals um x.

Vierter Aufzug.

In dem Zwischenraum dieses und des vorhergehenden Aufzuges, muß man sich vorstellen, daß Atreus seine Grausamkeiten begangen habe. Sie waren zu schrecklich, als daß sie der Dichter, der sich der Regel des Horaz ohne Zweifel erinnerte:

Nec pueros coram populo Medea trucidat: Aut humana palam coquat exta nefarius Atreus. dem Zuschauer håtte zeigen sollen. Er läßt sie also blos erzehlen; und giebt sich, diese Erzehlung mit dem Ganzen auf eine kunstmäßige Art zu verbinden, so wenig Mühe, daß er weiter nichts thut, als einen Mann, den er Nuncius nennt, herauskommen und dem Chore von dem, was er gesehen hat, Nachricht geben läßt. Der Chor wird also hier zu einer spielenden Person, welches in den alten Trauerspielen nichts ungewöhnliches ist. Gemeiniglich führte alsdann der Coryphåus F

Das

das Wort, der entweder mit dem ganzen Chore, oder nur mit einem Theile desselben zurück blieb, nachdem es die Umstände erforderten. Wir werden unten sehen, warum man annehmen müße, daß er hier nur mit einem Theile zurück geblieben sey. Seine Reden sind sehr kurz, und geben blos dem Erzehler Gelegenheit, so umständlich, als es nöthig ist, zu seyn. Dieser nun tritt voller Schrecken und Entsehen hervor, und wünscht von einem Wirbelwinde durch die Lüfte gerissen und in eine finstre Wolke gehüllet zu werden, damit er dem Anblicke eines so gräßlichen Verbrechens entkommen möge.,,, Haus, dessen sich ,,selbst Pelops und Tantalus schämen müssen. Der Chor. Was bringst du neues?

Der Erzehler. Wo bin ich? Ist dieses das Land, in welchem Argos, Corinth und das durch die frommenBrüder berühmteSparta liegt? Oder bin ich an dem Ister unter den wilden Alanen? Oder bin ich unter dem ewigen Schnee des rauen Hircaniens? Oder unter den schweifenden Scythen? Was ist es für eine Gegend, die zur Mitschuldigen so abscheulicher Verbrechen gemacht wird?

Der Chor. Welcher Verbrechen? Entdecke doch

Der Erzchler. Noch staunet meine ganze Seele, noch ist der vor Furcht starrende Körper seiner Glieder nicht mächtig. Noch schwebt das Bild der gråßlichen That vor meinen Augen zc.

Der

doch

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Der Chor. Du marterst uns durch die Ungewißheit noch mehr. Sage, wovor du dich entseßest, und nenne den Urheber. Einer von den Brüdern muß es seyn, aber welcher? Rede Nunmehr wäre es ohne Zweifel billig, daß der Erzehler sogleich zur Sache kåme, und diese geschwind in wenig kurzen und affectvollen Worten entdeckte, ehe er sich mit Beschreibung kleiner Umstände, die vielleicht ganz und gar unnöthig sind, beschäftige. Allein was glaubt man wohl, daß er vorher thut? Er beschreibet in mehr als vierzig Zeilen vor allen Dingen den heiligen Hayn, hinter der mitternächtlichen Seite des Pelopeischen Pallasts, in welchem Atreus die blutigen Opfer geschlacht hatte, ohne dieser mit einer Sylbe zu gedenken. Er sagt uns, aus was für Bäumen dieser Wald bestehe, zu welchen Handlungen ihn die Nachkommen des Tantalus geweihet; mit was für gelobten Geschenken und Denkmählern er ausgeziert und behangen sey. Er meldet, daß es darinne umgehe, und mahlt fast jede Art von. Erscheinungen, die den Tag sowohl als die Nacht barinne schrecklich machten. Ich begreife nicht, was der Dichter hierber muß gedacht haben; noch vielweniger begreife ich, wie sich die Zuschauer eine solche Verzögerung können ge. fallen lassen. Eine kleine Vorbereitung, wenn etwas sehr wichtiges zu erzehlen ist, wird gar wohl erlaubt; siereißt die Zuhörer, ihre Aufmerk famkeit

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samkeit auf das, was folgen soll, gefaßt zu halten. Allein sie muß diese Aufmerksamkeit nicht vorweg ermüden; sie muß das, was in einer Zeile eine sehr gute Wirkung thun würde, nicht in vierzig ausdehnen. Doch damit ich auch meinen Tadel nicht zu weit ausdehne, so will ich das Gemählde des Hayns an seinen Ort gestellt seyn lassen, und mit dem Dichter wieder weiter gehen.,, Als nun, läßt er den Erzehler fort,,fahren, der rasende Atreus in Begleitung der ,,Kinder seines Bruders in den Hayn gekommen ,,war, wurden die Altäre sogleich geschmückt. ,,Aber nun, wo werde ich Worte finden?

Die Hånde werden den edlen Jünglingen auf „den Rücken gebunden, und um ihre Stirne ,,wird die traurige Opferbinde geschlagen. Da fehlt kein Weihrauch, kein geheiligter Wein; ,,das Opfer wird mit Salhmehl bestreuet, ehe ,,es das Schlachtmesser berühren darf. Alle ,,Ordnung wird beybehalten, damit ja eine solche ,,lasterthat nicht anders als auf die beste Weise ,,geschehe.,,

Der Chor. Und wessen Hand führte das Eisen?

Der Erzehler. Er selbst ist Priester; er felbst hålt das blutige Gebeth, und läßt aus schrecklichem Munde das Sterbelied tönen. Er selbst stehet am Altare, befühlt die dem Tode Geweihten, legt sie zurechte, und ergreift den Stahl. Er selbst giebt Acht, und kein einziger Opfer

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