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selbst kommen. Und wie sich ihm, dem früher Bemerkten gemäss durchaus natürlich, die Vergleichung der damaligen Zustände mit den früheren besseren, das Wesen und fortschreitende Walten der Kräfte, die zu solcher Veränderung gewirkt hatten, als Object der Behandlung ergab, so sollten die Früchte der neu ergriffenen Thätigkeit auch in ihrer Form im Stande sein, Einigen zur Strafe, Anderen zur Warnung, ihm selbst aber zur Beruhigung zu dienen, welche er darin suchte, dass er neben dem Nutzen für Andere auch sein altes Ideal, die Unsterblichkeit seines Namens im Auge behielt und dies auf eine edlere Weise als früher, durch Thaten des Geistes zu erreichen strebte. Diesen Zwecken aber zu genügen und namentlich den beabsichtigten starken Eindruck auf die Gemüther der Leser zu machen, dazu war wohl kein Ton und Ausdruck geeigneter und überdies keiner der Stimmung des Schriftstellers angemessener, als der, dessen wesentlichste Eigenschaft wir am kürzesten durch, Schärfe" bezeichnen können. Scharf einschneidend, gewissenhaft prüfend und genau abwägend, dann bestimmt und entschieden richtend, treffend charakterisirend, nirgends verschwimmend und überfliessend, so sind die Gedanken und so ist die Rede Sallusts.

Warum aber hat er bei solcher Strenge und Schärfe im Gericht über Andere sich selbst, wo es die Gelegenheit bot, so gelind behandelt? Wie konnte er, wenn es ihm nicht an Selbsterkenntnis oder an Wahrheitsliebe gebrach, im Prooemium des Catilina sein Inneres als insolens malarum artium bezeichnen und nur die ambitio als Urheberin seines übeln Rufes vorschieben? Diese Schonung gegen sich im Vergleich mit der scharfen Gerechtigkeit im Urtheil über Andere hat ihm die bittersten Vorwürfe zugezogen, und Viele mögen damals dem Grammatiker Lenaeus beigestimmt haben, als dieser, ein Freigelassener des Pompejus, wegen einer vermuthlich in den Historien vorgekommenen tadelnden Aeusserung Sallusts über Pompejus eine Schmähschrift voll Gift und Galle gegen ihn verfasste. Jetzt aber kann man, mit den tiefer liegenden Beweggründen unbekannt, Sallusts Verfahren weder genügend entschuldigen noch unbedingt verdammen: einerseits ist ihm billiger Weise so viel Urtheil zuzutrauen, dass er wusste, warum er nicht lieber von seiner Jugend ganz schweigen als einen durchsichtigen Schleier darüber hängen wollte; andererseits bleibt es für uns und selbst für jeden um seinen persönlichen Charakter wenig bekümmerten Leser seiner Schriften zu bedauern, dass er den Dingen seiner Zeit nicht ganz rein und unbefangen gegenüber stand, und bei

Beendigung der Arbeit nicht von sich sagen konnte, was er dem Cato in den Mund legt (C. 52, 8) qui mihi atque animo meo nullius umquam delicti gratiam fecissem, haud facile alterius lubidini male facta condonabam. Denn dieser Mangel ist nicht ohne Einfluss auf die Darstellungsweise geblieben. Es spricht sich darin neben der oben gerühmten Schärfe nicht immer die dem reinen Gemüth eigene ruhige Würde aus, sondern oft etwas Gewaltsames und Hartes, öfter weniger natürliche Derbheit und Lebhaftigkeit des Gefühls als berechnete Nachdrücklichkeit, weniger sittliche Entrüstung als Gereiztheit. Wollte man aber etwa meinen, dass Sallust prahlerisch und heuchlerisch geredet habe, dass der Zweck seines Tadels die Verherrlichung seiner Tugend gewesen sei und dass er deshalb die Farben mit absichtlicher Ueberlegung so stark aufgetragen habe, so findet sich davon bei ihm durchaus keine Spur. Vielleicht haben weder die Alten noch die Neueren das scharf Zutreffende seiner Urtheile an sich selbst und seine Wahrhaftigkeit in der Angabe und Beurtheilung der Sachen und Personen in Zweifel gezogen, und wenn man jene aus der Gemüthsstellung hervorgehende Färbung wegdenkt, so bleibt eine so grosse Fülle von objectiver kernhafter Wahrheit darin übrig, dass jeder, der die sorgfältig erwogenen Ausdrücke gehörig nachwägt, über die bewundernswürdige Tiefe und Richtigkeit der Beobachtung erstaunt. Diese Fähigkeit hätte sich unmöglich in solcher Kraft erhalten können, wenn durch den Sturm der Leidenschaft die Blüthe seines Geistes und Herzens zerknickt worden wäre. Sicherlich stählte sich sein sittlicher Wille mit den Jahren; er sank nicht herab, sondern erhob sich. Wir aber haben den Mann der Vergangenheit nicht nach dem zu richten, was er einmal gewesen, sondern nach dem, was er geworden war.

In der historischen Litteratur der Römer unterscheiden wir vor Caesar und Sallust wesentlich zwei Stufen. Auf der ersten stehen die eigentlichen Annalen, Staats- und Familienaufzeichnungen, in der trockensten Form und ohne Anstrich von Kunst nur die Thatsachen enthaltend. Sie bildeten den Ausgangspunkt und zum Theil die Quellen für die Annalisten und Geschichtschreiber der zweiten Stufe, welche es versuchten, durch Zusammenfügung und Bildung des gegebenen Stoffes etwas Lesbares zu liefern, während zu gleicher Zeit die epische Dichtung sich desselben nationalen Stoffes bemächtigte und besonders durch Ennius zu einer nicht unbedeutenden aber kurzen Vorblüthe gelangte. Die Berührung der Römer mit den Griechen hatte sowohl auf

diese als überhaupt auf die bisher schlummernde wissenschaftliche Seite des römischen Geistes Einfluss gewonnen, jedoch zunächst nur in dem Kreise der staatsmännisch sich bildenden Vornehmen. Letztere waren es auch, die sich, meist mit besonderer Rücksicht auf ihre übrige praktische Bildung, mit der geschichtlichen Forschung und Darstellung beschäftigten, und dass sie auf ein eben so gebildetes, folglich nicht grosses Publikum rechneten, geht daraus hervor, dass mehrere unter ihnen, wie auch der älteste, Q. Fabius Pictor, ihre Werke in griechischer Sprache abfassten. Die Gegenwirkung blieb nicht aus, und namentlich suchte der alte M. Porcius Cato in der Vorahnung, dass mit der griechischen Bildung das Verderben über Rom kommen werde, das echt römische Element auch in der Sprache zur Geltung zu bringen. Aber sein Ausdruck schien der damaligen Lesewelt und natürlich noch mehr den folgenden Geschlechtern zu rauh, zu antiquirt, und daher gewann er weniger Einfluss auf die Form der gesammten Litteratur, als Ansehen bei den Geschichtsforschern und späteren Kennern, namentlich auch bei Sallust. Der Conflict zwischen römischer Einfachheit und griechischer Eleganz währte noch längere Zeit fort, und zu einer Kunst der Geschichtschreibung, welche die gerechten Ansprüche der wirklichen Bildung hätte befriedigen können, brachten es die zahlreichen Autoren dieser zweiten Stufe nicht; selbst der lesbarste unter ihnen, M. Cornelius Sisenna (s. Jug. 95, 2; Anm.) that dem geläuterten Geschmack nicht genug. Auch blieb bei allem Ansehen, in welchem diese Studien neben der Rechtskunde und der Beredsamkeit bei den Vornehmen standen, doch ihr Einfluss auf die Masse des Volks sehr unbedeutend; sie fanden hier eben so spärlichen Eingang wie die guten Früchte der griechischen Bildung überhaupt, während deren nachtheilige Folgen längst auch sie ergriffen hatten. An dem Urtheile des Cato oder soll man es ein Vorurtheil nennen? festhaltend hegte man, wie gegen die Griechen selbst, so auch gegen die in der Form ihnen nacheifernde Litteratur ein so grosses Mistrauen, dass z. B. Lucullus, um populär zu bleiben, in seinen griechisch geschriebenen historischen Büchern absichtlich grobe Sprachverstösse beging. Und wenn auch diese Abneigung allmählich abnahm und die eingewanderte Bildung immer tiefer nach unten drang, so mochte doch Sallust, welcher wünschen musste gerade in diesem Kreise auf die Gebildeteren zu wirken, es mit Recht nicht für überflüssig halten in seinen Prooemien die Nützlichkeit und Vortrefflichkeit dieser Bestrebungen theils der rein praktischen Thätigkeit,

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theils dem geisttödtenden Materialismus gegenüber hervorzuheben.

Kurz vor der Herausgabe seiner Schriften waren die Commentare Caesars, das erste geschichtliche Werk der Römer von höherem Kunstwerthe, ans Licht getreten. Mit ihnen begann die Periode der gereifteren römischen Historiographie, und so war dem Sallust der Ruhm, der erste unter den grösseren Geschichtschreibern Roms zu werden, abgeschnitten, ohne dass es ihm deshalb unmöglich wurde, die gleiche Stufe, nur in anderer Weise, zu erreichen. Denn dem Caesar nachahmen konnte er nicht, auch wenn es seine Eigenthümlichkeit zugelassen hätte, weil bei ihm die Stellung zu seinem Gegenstande eine ganz andere war als bei jenem. Er sah sich daher, da unter seinen römischen Vorgängern ihm keiner als durchaus würdiges Vorbild in der historischen Kunst dienen konnte, nach andern Mustern um und wählte dazu die Griechen, und zwar nach dem übereinstimmenden Urtheile der Alten hauptsächlich den Thucydides. Ueber das Mass, in welchem ihm die Nacheiferung gelang, sagt ein kundiger Richter (Bernhardy im Grundriss der Röm. Lit. Zweite Bearb. S. 537): ,,In allen Hinsichten war Sallust der erste Künstler in Roms Historiographie, der dem Thucydides in Tendenz und Geisterkenntniss sich vergleichen lässt; wenn ihn der unruhige Ton, die sentimentale Färbung und die Raschheit der psychologischen Malerei unähnlich zeigen, so ist die Differenz eben so sehr durch Nationalität als durch die Natur des Stoffes bedingt."

Gleichwohl wurde der Werth der Sallustischen Schriften anfangs, wie es geht, nicht nach Verdienst gewürdigt, theils aus nachwirkendem Parteihass, theils wegen abweichender Geschmacksrichtung, und es scheint längere Zeit zum guten Ton gehört zu haben, auch die Ausdrucksweise des Schriftstellers mit derselben Uebertreibung zu tadeln wie seine Sitten. Er hiess bald ein novator verborum, bald ein Plünderer des Catonischen Ausdrucks, während zugleich, was sich mit einer blinden Anhänglichkeit an diesen Griechenfeind und Kernrömer nicht zusammendenken lässt und doch am längsten geglaubt worden ist, seine Sprache sehr stark graecisirend sein sollte. Eine genaue Untersuchung hat allmählich die wahren und trefflichen Eigenschaften des Sallustischen Stils, welche zu solchen Urtheilen Veranlassung gaben, ins klarste Licht gestellt und gegen ihre falsche Auffassung in Schutz genommen, wodurch diese Vorwürfe zum grössten Theile widerlegt sind und namentlich die Sucht

überall Graecismen zu wittern der Einsicht gewichen ist, dass Sallust aus einem genauen Studium der griechischen Historiker, besonders des Thucydides, und der griechischen Redner viele Vorzüge sich angeeignet, wo er ihnen einzelnes entlehnte, dies doch meistens in durchaus eigenthümlicher Weise verarbeitet, und sowohl diese Theile als überhaupt seinen ganzen Vortrag fast durchgängig in ein echt altrömisches dem Inhalte wohlstehendes Gewand gekleidet hat. Am leichtesten fiel natürlich seine kurze Gedrungenheit jedem in die Augen; er wurde mit zweideutigem Lobe ein subtilissimus brevitatis artifex genannt, und an seinem überall bezeichnenden und bündigen Ausdruck, der gern das schlagendste Wort und die möglichst einfache directeste Construction braucht, dabei aber zugleich durch geschickte Abwechselung in der Form von ermüdender Einförmigkeit sich fern hält, an seinen durch derbe einfache Züge skizzirten Schilderungen, seinen scharf eingeschnittenen, sehr häufig in Gegensätzen fortschreitenden, niemals breiten und so zu sagen umständlichen Perioden, an dem allem wusste man oft in ganz äusserlicher Auffassung nicht viel Anderes zu rühmen als die Kürze, worin er sogar seine griechischen Vorbilder übertroffen habe. Aber jemehr man schon im Alterthum lernte, was eigentlich Kunst der Geschichtschreibung sei, jemehr man auch der ausgeprägten Eigenthümlichkeit ihr Recht zugestand und einsah, dass ein Schriftsteller, der keine Nachahmung verträgt, deshalb doch musterhaft sein könnte, desto mehr erkannten die Verständigen seinen unschätzbaren Werth, und Quintilians gerechte, neben seiner unbestochenen Kritik desto mehr geltende Würdigung, so wie das kurze Lob des Tacitus (Ann. 3, 30) „ C. Sallustius, rerum Romanarum florentissimus auctor" wiegen hinreichend die misgünstigen Urtheile Anderer auf.

Auch wurden während der Kaiserzeit und im Mittelalter die Schriften Sallusts ungemein viel gelesen und excerpirt, ein Umstand, der eben so zu ihrem Lobe spricht als er ihnen vielfach Schaden gebracht hat. Denn dadurch entstanden eine überaus grosse Menge von Handschriften und allmählich, auch schon in sehr alter Zeit, so viele Verschiedenheiten im Text, dass die Aufgabe denselben in seiner Reinheit herzustellen von jeher zu den schwierigsten Dingen gehörte. Erst in der neuesten Zeit ist es gelungen, die Quellen, aus denen unsre Texte geflossen sind, mehr und mehr zu sichten und zu classificiren, so dass man jetzt annehmen darf, eine wenigstens annähernd sichere Grundlage gewonnen zu haben, auf der sich weiter bauen lässt.

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